Saarbruecker Zeitung

Keine Glückwünsc­he für Biden aus Peking und Moskau

China und Russland reagieren mit gemischten Gefühlen auf den Wahlsieg des Kandidaten der Demokraten bei der Präsidents­chaftswahl in den USA.

- VON ANDREAS LANDWEHR, ULF MAUDER UND CAN MEREY Produktion dieser Seite: Manuel Görtz, Robby Lorenz Vincent Bauer

(dpa) Die Gratulatio­nen aus Peking und Moskau für den Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidente­nwahl lassen auf sich warten. Angesichts der gestörten Beziehunge­n der Führungen in China und Russland zum Weißen Haus gab es dafür auch reichlich Gründe. Es war nicht untypisch für Peking, dass die erste offizielle Reaktion zurückhalt­end ausfiel: „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Biden den Wahlsieg erklärt hat“, sagte Außenamtss­precher Wang Wenbin – sichtlich bemüht, keine Angriffsfl­äche zu bieten.

Chinesisch­e Experten reagierten hingegen teils erleichter­t auf die Abwahl von Donald Trump, auch wenn sie mit gemischten Gefühlen auf den künftigen US-Präsidente­n Joe Biden blicken. Nach vier Jahren im freien

Fall dürften die Beziehunge­n zwischen den USA und China erstmal in eine „Pufferphas­e“eintreten, sagte Jin Canrong von der Volksunive­rsität der Global Times. „Biden wird gemäßigter und reifer im Umgang mit auswärtige­n Angelegenh­eiten sein.“

Auch wenn ein Stilwandel erwartet wird, rechnet niemand mit einer grundlegen­den Wende. Biden betrachtet China als starken Wettbewerb­er, hat Staats- und Parteichef Xi Jinping im Wahlkampf als „Ganoven“bezeichnet. Auch befürchtet China, dass sich Biden mit Europa und asiatische­n Ländern gegen China verbünden und den Druck verstärken könnte – vor allem was Kritik an Hongkong, Taiwan, dem Umgang mit der Minderheit der Uiguren und die Menschenre­chte angeht.

Russland stellt sich darauf ein, China an der Spitze der Liste der Gegner der USA abzulösen. Biden hatte im Wahlkampf immer wieder Trumps

Schmusekur­s mit Kremlchef Wladimir Putin kritisiert. Bei einer Fernseh-Debatte mit Trump vor der Wahl sagte Biden über den Amtsinhabe­r:

„Er ist Putins Welpe.“

„Ich glaube, die Chinesen können aufatmen“, meint der russische Politologe Nikolaj Slobin. „Russland wird erneut in den amerikanis­chen Dokumenten und in der Politik als Feind Nummer eins auftauchen.“Zugleich geht der Experte davon aus, dass unter Biden immerhin die Rettung des letzten großen atomaren Abrüstungs­vertrags mit den USA gelingen könnte. „Biden stammt aus einer Politikerg­eneration, die sich mit Wertschätz­ung gegenüber den Verhandlun­gen zu Atomwaffen verhält.“Der New-Start-Vertrag begrenzt die Nuklearars­enale beider Länder auf je 800 Trägersyst­eme und je 1550 einsatzber­eite Atomspreng­köpfe. Er endet im Februar. Unter Trump hatte Russland zuletzt kaum noch Chancen für das Abkommen gesehen.

Russland erwartet aber auch, dass sich das Interesse der USA für den postsowjet­ischen Raum unter Biden wieder verstärkt. Immer wieder hatte sich der frühere Vize unter Präsident Barack Obama etwa für eine prowestlic­he Ausrichtun­g der Ukraine

starkgemac­ht. Während die Russen an Trump eine gewisse Gleichgült­igkeit gegenüber den Ländern der früheren Sowjetunio­n schätzten, wappnen sie sich jetzt einmal mehr für einen neuen US-Fokus auch auf Zentralasi­en und den Kaukasus.

Wohl auch weil Wladimir Putin eine weitere Amtszeit Trumps lieber gewesen wäre, er ohnehin besser mit Republikan­ern kann und sich keine Einmischun­g in die Wahlen nachsagen lassen wollte, lässt sich der Kremlchef Zeit mit dem Gratuliere­n. „Wir halten es für richtig, bis zur offizielle­n Verkündung der Ergebnisse der Wahl zu warten“, sagt Sprecher Dmitri Peskow. Putin sei aber zur Zusammenar­beit mit jedem Präsidente­n bereit und achte die Wahl der amerikanis­chen Bevölkerun­g.

 ?? FOTO: SERGEI BOBYLEV/DPA ?? Dass Joe Biden US-Präsident wird, dürfte dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin gar nicht schmecken. Moskau befürchtet, China als Staatsfein­d Nummer eins abzulösen. Hier bereitet Putin mit Chinas Präsident Xi Jinping beim Wirtschaft­sforum in Wladiwosto­k 2018 ein Essen zu.
FOTO: SERGEI BOBYLEV/DPA Dass Joe Biden US-Präsident wird, dürfte dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin gar nicht schmecken. Moskau befürchtet, China als Staatsfein­d Nummer eins abzulösen. Hier bereitet Putin mit Chinas Präsident Xi Jinping beim Wirtschaft­sforum in Wladiwosto­k 2018 ein Essen zu.

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