Keine Glückwünsche für Biden aus Peking und Moskau
China und Russland reagieren mit gemischten Gefühlen auf den Wahlsieg des Kandidaten der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl in den USA.
(dpa) Die Gratulationen aus Peking und Moskau für den Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidentenwahl lassen auf sich warten. Angesichts der gestörten Beziehungen der Führungen in China und Russland zum Weißen Haus gab es dafür auch reichlich Gründe. Es war nicht untypisch für Peking, dass die erste offizielle Reaktion zurückhaltend ausfiel: „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Biden den Wahlsieg erklärt hat“, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin – sichtlich bemüht, keine Angriffsfläche zu bieten.
Chinesische Experten reagierten hingegen teils erleichtert auf die Abwahl von Donald Trump, auch wenn sie mit gemischten Gefühlen auf den künftigen US-Präsidenten Joe Biden blicken. Nach vier Jahren im freien
Fall dürften die Beziehungen zwischen den USA und China erstmal in eine „Pufferphase“eintreten, sagte Jin Canrong von der Volksuniversität der Global Times. „Biden wird gemäßigter und reifer im Umgang mit auswärtigen Angelegenheiten sein.“
Auch wenn ein Stilwandel erwartet wird, rechnet niemand mit einer grundlegenden Wende. Biden betrachtet China als starken Wettbewerber, hat Staats- und Parteichef Xi Jinping im Wahlkampf als „Ganoven“bezeichnet. Auch befürchtet China, dass sich Biden mit Europa und asiatischen Ländern gegen China verbünden und den Druck verstärken könnte – vor allem was Kritik an Hongkong, Taiwan, dem Umgang mit der Minderheit der Uiguren und die Menschenrechte angeht.
Russland stellt sich darauf ein, China an der Spitze der Liste der Gegner der USA abzulösen. Biden hatte im Wahlkampf immer wieder Trumps
Schmusekurs mit Kremlchef Wladimir Putin kritisiert. Bei einer Fernseh-Debatte mit Trump vor der Wahl sagte Biden über den Amtsinhaber:
„Er ist Putins Welpe.“
„Ich glaube, die Chinesen können aufatmen“, meint der russische Politologe Nikolaj Slobin. „Russland wird erneut in den amerikanischen Dokumenten und in der Politik als Feind Nummer eins auftauchen.“Zugleich geht der Experte davon aus, dass unter Biden immerhin die Rettung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrags mit den USA gelingen könnte. „Biden stammt aus einer Politikergeneration, die sich mit Wertschätzung gegenüber den Verhandlungen zu Atomwaffen verhält.“Der New-Start-Vertrag begrenzt die Nukleararsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Er endet im Februar. Unter Trump hatte Russland zuletzt kaum noch Chancen für das Abkommen gesehen.
Russland erwartet aber auch, dass sich das Interesse der USA für den postsowjetischen Raum unter Biden wieder verstärkt. Immer wieder hatte sich der frühere Vize unter Präsident Barack Obama etwa für eine prowestliche Ausrichtung der Ukraine
starkgemacht. Während die Russen an Trump eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Ländern der früheren Sowjetunion schätzten, wappnen sie sich jetzt einmal mehr für einen neuen US-Fokus auch auf Zentralasien und den Kaukasus.
Wohl auch weil Wladimir Putin eine weitere Amtszeit Trumps lieber gewesen wäre, er ohnehin besser mit Republikanern kann und sich keine Einmischung in die Wahlen nachsagen lassen wollte, lässt sich der Kremlchef Zeit mit dem Gratulieren. „Wir halten es für richtig, bis zur offiziellen Verkündung der Ergebnisse der Wahl zu warten“, sagt Sprecher Dmitri Peskow. Putin sei aber zur Zusammenarbeit mit jedem Präsidenten bereit und achte die Wahl der amerikanischen Bevölkerung.