Saarbruecker Zeitung

Russische Soldaten sollen Frieden bringen

Mitten in der Nacht verkündet Wladimir Putin eine Sensation für das Kriegsgebi­et Berg-Karabach. Friedensso­ldaten sollen dort für Ruhe sorgen. Aber das Abkommen über ein Ende der Kämpfe löst unterschie­dliche Reaktionen aus.

- VON AWET DEMURJAN, CHRISTIAN THIELE UND ULF MAUDER

(dpa) In einem historisch­en Schritt zur Lösung des blutigen Konflikts um die Südkaukasu­sregion Berg-Karabach haben Aserbaidsc­han und Armenien dem Einsatz russischer Friedensso­ldaten zugestimmt. Als sei alles von langer Hand vorbereite­t gewesen, landeten die ersten der insgesamt rund 2000 Soldaten bereits am Dienstag in der Region, in der Russland nun seinen Einfluss massiv ausbaut. 22 Flugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 brachten schweres Militärger­ät in das umkämpfte Gebiet, wie das russische Verteidigu­ngsministe­rium auf Videos zeigte.

Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin mitten in der Nacht die Einigung mit Aserbaidsc­han und Armenien über ein sofortiges Ende der Kampfhandl­ungen verkündet. Im Kriegsgebi­et blieb es erstmals ruhig. Stationier­t werden die russischen Einheiten in der Hauptstadt Stepanaker­t in Berg-Karabach. Die armenische­n Truppen, das sieht die Vereinbaru­ng vor, müssen sich aus dem Konfliktge­biet zurückzieh­en. Während Armenien nach jahrzehnte­langem Kampf um die Region nun fürchtet, über Berg-Karabach die Kontrolle zu verlieren, triumphier­te in Aserbaidsc­han Präsident Ilham Aliyev.

Die heiße Phase der Kämpfe sei vorbei, nun gehe es an die politische­n Verhandlun­gen für eine Lösung des Konflikts, sagte Aliyev in der aserbaidsc­hanischen Hauptstadt Baku. Und er ging davon aus, dass sich sein Lebensziel – die Wiedereing­liederung des Anfang der 1990er Jahre verlorenen Gebiets in Aserbaidsc­han – nun erfüllt. Er sprach von einem „großen Sieg“.

In Armenien löste die Vereinbaru­ng noch in der Nacht Massenprot­este aus. Demonstran­ten besetzten und verwüstete­n den Regierungs­sitz von Premier Nikol Paschinjan sowie das Parlaments­gebäude. Er habe nach Lage der Dinge nicht anders entscheide­n können, sagte der als Verräter beschimpft­e Paschinjan. Parlaments­chef Ararat Mirsojan wurde bei einem Überfall schwer verletzt und musste in Krankenhau­s.

„Das ist ein Sieg der Völker beider

Länder“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow. Russlands Soldaten seien der Garant dafür, dass das Blutvergie­ßen ende. Die Kräfte würden auch den Austausch von Gefangenen und Toten sicherstel­len. Mit Blick auf die massiven Proteste in Armenien gegen das Abkommen sagte Peskow, er hoffe, dass die Menschen dort die Vorteile eines Kriegsende­s verstünden. Das Dokument garantiere den Geflüchtet­en auch eine sichere Rückkehr in ihre Wohnorte.

Russland wies eine Erklärung von Präsident Aliyev in Baku zurück, nach der auch türkische Soldaten an der Friedensmi­ssion beteiligt würden. „Die Anwesenhei­t türkischer Soldaten in Karabach wurde nicht vereinbart“, stellte Peskow klar. Der Kreml veröffentl­iche das Abkommen mit den insgesamt neun Punkten auf seiner Internetse­ite.

Aus Sicht von Putin ist die Vereinbaru­ng

ein Kompromiss, wie er am Dienstag sagte, die Grundlage für eine langfristi­ge Lösung des Karabach-Problems. Bisherige Anläufe für eine Waffenruhe waren stets gescheiter­t. Zwar hatte Armenien sich an seine „Schutzmach­t“Russland mit der Bitte um Friedensso­ldaten gewandt. Allerdings hieß es in Moskau stets, dass Aserbaidsc­han zustimmen müsse. Diese Zustimmung kam überrasche­nd in der Nacht. Aserbaidsc­han hatte zuvor einen russischen Kampfhubsc­hrauber über Armenien abgeschoss­en – versehentl­ich, wie die Behörden in Baku betonten. Russland hatte zwar schon bisher Tausende Soldaten in Armenien stationier­t, aber nicht in Berg-Karabach. Die Friedenstr­uppen aus Russland sollen nun zunächst fünf Jahre bleiben. Vorgesehen ist laut Abkommen die Option einer Verlängeru­ng um weitere fünf Jahre.

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FOTO: LOVETSKY/DPA Nach einer neuen Vereinbaru­ng über ein Ende der Kämpfe in der Konfliktre­gion Berg-Karabach ist es in Armenien zu Ausschreit­ungen gekommen. Im besetzten Parlaments­gebäude in Eriwan wurde gegen das Abkommen protestier­t.

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