Saarbruecker Zeitung

Seehofer sieht Fortschrit­te bei Imamausbil­dung in Deutschlan­d

Der Innenminis­ter hob bei der Online-Tagung der Deutschen Islamkonfe­renz auch das Engagement von Muslimen hervor.

- VON CORINNA BUSCHOW

(epd) Er habe sie „sehr, sehr schätzen gelernt“, sagte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag gegen Ende seiner Rede bei der diesjährig­en Islamkonfe­renz. Der Minister, der seine muslimisch­en Gegenüber bei Amtsantrit­t noch mit dem Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d“vergrätzt hatte, klingt heute ganz anders. Er dankte für das Engagement in Gemeinden und für den Zusammenha­lt. „Sie wollen diese Gesellscha­ft und dieses Land stärken statt mit Gewehren und Messern zu morden“, sagte er vor dem Hintergrun­d der Anschläge in Paris, Nizza und Wien. „Das ist gut für Deutschlan­d – unsere gemeinsame Heimat“, sagte Seehofer, den zweiten Teil betont und langsam.

Was die muslimisch­en Vertreter erwiderten, blieb der Öffentlich­keit vorenthalt­en. Wie viele Veranstalt­ungen im Jahr der Corona-Pandemie wurde auch die traditione­lle Islamkonfe­renz, 2006 gestartet für den Dialog zwischen Staat und Muslimen, am Dienstag per Videokonfe­renz abgehalten. Der öffentlich­e Livestream endete nach der Ministerre­de.

Die Islamkonfe­renz hatte in der Vergangenh­eit den islamische­n Religionsu­nterricht

und die Lehrstühle für islamische Theologie auf den Weg gebracht. Seehofer hatte sich zum Ziel gesetzt, bei der praktische­n Imamausbil­dung voranzukom­men.

Islamische Theologen werden an deutschen Universitä­ten zwar bereits ausgebilde­t. Was bislang aber fehlt, ist der praktische Teil wie bei der Pfarrer-, Priester- oder Rabbinerau­sbildung. Moscheegem­einden, zum Beispiel die des von der Türkei abhängigen Verbandes Ditib, werden daher oft von Imamen aus dem Ausland geleitet, die nicht deutsch sprechen und mitunter Werte vertreten, die die Politik nur für schwer vereinbar mit dem deutschen Alltag ansieht.

Inzwischen gebe es Fortschrit­te, stellte Seehofer fest und verwies auf das Islamkolle­g in Osnabrück. Von April an sollen dort islamische

Geistliche und Gemeindepä­dagogen ausgebilde­t werden. Er wäre die erste weitgehend unabhängig­e Imamausbil­dung in deutscher Sprache, getragen vor allem von kleinen Verbänden und Gemeinden. Nur wenige der großen Verbände sind dabei, darunter der Zentralrat der Muslime in Deutschlan­d.

Das Bundesinne­nministeri­um will das Islamkolle­g in Form einer Anschubfin­anzierung unterstütz­en. Knapp eine Million Euro stehe dafür zur Verfügung, sagte der zuständige Staatssekr­etär Markus Kerber. Er betonte gleichzeit­ig, dass die Religionsg­emeinschaf­ten das Kolleg auf lange Sicht selbst tragen müssten. Weitere 450 000 Euro kommen für den Beginn vom niedersäch­sischen Wissenscha­ftsministe­rium.

Der Türkeinahe Verband Ditib hatte indes im vergangene­n Jahr eine eigene Ausbildung­sstätte eröffnet. Auch dies lobt Seehofer, fordert zugleich aber weitere Schritte in Richtung Unabhängig­keit von der Türkei. Wenn Europa zur Heimat von Muslimen werde, „dann bedarf es keiner Einmischun­g oder Einflussna­hme mehr von außen“. Er erwarte daher, dass die Zahl der aus der Türkei entsendete­n Imame Schritt für Schritt reduziert werde, sagte Seehofer. „Das Ziel muss sein, dass die Imame die Lebenswirk­lichkeiten des Alltags hier kennen“, sagte die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Annette Widmann-Mauz (CDU) dem Redaktions­Netzwerk Deutschlan­d. Auch sie verwies vor allem auf Ditib.

Der Osnabrücke­r Islamexper­te Bülent Ucar, Mitbegründ­er des Islamkolle­gs, sieht unterdesse­n trotz der auf den Weg gebrachten Ausbildung

noch Probleme für den flächendec­kenden Einsatz „deutscher“Imame. Die Gemeinden seien finanziell nicht in der Lage, Imame angemessen zu bezahlen, sagte er. Er plädierte dafür, schon jetzt Finanzieru­ngsmodelle für Moscheegem­einden zu entwickeln.

Dass der Staat Imame bezahlt, hält Seehofer aber nicht für möglich. Das gebe das Religionsv­erfassungs­recht nicht her, sagte er. Man tue dies auch nicht bei anderen Religionsg­emeinschaf­ten, ergänzte Kerber. Der Staatssekr­etär verwies aber auf Fördermögl­ichkeiten, die an anderer Stelle entlasten könnten. So hat das Innenminis­terium vor einem Jahr das Projekt „Moscheen für Integratio­n“mit einem Volumen von sieben Millionen Euro gestartet. Die Nachfrage von Gemeinden sei groß, sagte Kerber.

 ?? FOTO: BERND
VON JUTRCZENKA/DPA ?? Bundesinne­nminister Horst Seehofer
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bundesinne­nminister Horst Seehofer

Newspapers in German

Newspapers from Germany