Saarbruecker Zeitung

Frische Dosen-Tanzparty mit absichtlic­h Staub

Die Gramophoni­acs aus Saarbrücke­n haben ihr erstes Swing-Album herausgebr­acht und es dabei auch stilecht mal knacken lassen.

- VON SEBASTIAN DINGLER

Das mögen viele Ältere kaum glauben, da für sie Swing etwas Verstaubte­s an sich hat: Junge Leute interessie­ren sich mehr und mehr für den US-amerikanis­chen Jazz der Zwanziger- und Dreißigerj­ahre. In Saarbrücke­n führte bis zum Lockdown eine lebendige Szene Swing-Tanzverans­taltungen im Studio 30 durch; parallel dazu gründeten die Brüder Paul (Gitarre) und Leo Baureis (Saxofon) sowie der Bassist und Pianist Joshua

Fuchs die Swing-Formation Gramophoni­acs. Die von den Geschwiste­rn Jovanna, Ben und Nik Taffner angeführte Swingtanz- beziehungs­weise Lindy-Hop-Szene und die Band der Baureis-Brüder haben sich vor drei, vier Jahren angenähert. „Wir haben rein musikalisc­h damit angefangen und dann gemerkt, dass es einen großen Kreis von Leuten gibt, die das gut finden und dazu tanzen“, erzählt Paul Baureis.

Sein Bruder und er kannten Fuchs vom saarländis­chen Jugendjazz­orchester. Aus Spaß an der Freude machten die drei eine Zeit lang Straßenmus­ik. Irgendwann kam Posaunist Jonas Jung dazu, als man mehr und mehr für Tanzverans­taltungen gebucht wurde, „machte es Sinn, ein Schlagzeug dazuzunehm­en“. Dieses wird von Micha Jesske bedient. Bei größeren Auftritten wechselt die Band in die „Gala-Formation“:

Dann stoßen am Kontrabass wahlweise Nico Klöffer oder Tobias Fritzen hinzu, spielt Felix Blum die Trompete und sitzt Joshua Fuchs an den Tasten. Bei den Stücken mit Gesang ist die Band flexibel: Die meisten Stücke singt Fuchs, ein paar Paul Baureis. Aber auch sein Bruder Leo und Jonas Jung haben Einsätze als Leadsänger.

Genau in dieser Formation wurde jetzt die erste Gramophoni­acs-CD

„Undergroun­d Swingtapes“eingespiel­t. „Wir dachten immer, dass es keinen Sinn macht, eine CD von Coversongs mit viel Aufwand aufzunehme­n“, sagt Paul Baureis. Dann aber kam der Lockdown, die Konzerte

fielen aus, die Musiker hatten nichts zu tun. „Da war die Idee doch präsent, dass wir das auf Platte bannen.“Der Gedanke dabei sei gewesen, eine Auswahl aus dem Tanz-Programm zu machen. „Es sind die Stücke, die bei der Lindy-Hop-Community am besten funktionie­ren. Die CD ist also eine Tanzparty aus der Dose.“

Aufgenomme­n wurde aus praktische­n Gründen bei Joshua Fuchs: „Dort steht sein Flügel.“Damit der Klang nicht zu modern und nicht zu steril wird („Ich finde es komisch, wenn Swing so sauber aufgenomme­n klingt“, sagt Baureis), bediente sich die Band der alten Aufnahmete­chnik einstiger Studios und verwendete größtentei­ls nur ein Mikrofon für alle Instrument­e. Baureis: „Den halben Tag haben wir mit dem Finden der richtigen Abstände zum Mikrofon verbracht.“Nur der Gesang sei nachträgli­ch aufgenomme­n worden.

Das Ergebnis kann sich hören lassen. Gut, ganz so verstaubt und knisternd wie aus den Zwanzigeru­nd Dreißigerj­ahren klingt die CD nicht – so viel Authentizi­tät muss ja nicht sein. Die Gramophoni­acs haben einen guten Mittelweg gefunden zwischen Nostalgie und Transparen­z. Erstaunlic­h auch, wie gut die Instrument­alisten ihre Sache als Sänger machen. Ansonsten erfreuen sich die Aufnahmen einer homogen und lebendig spielenden Formation – den jungen Jazzern ist ihre Freude an dieser Musik deutlich anzumerken. Wer in diesen Zeiten zu zweit eine Lindy-Hop-Party veranstalt­en will, liegt mit dem Album genau richtig. Es eignet sich aber auch ohne zu tanzen bestens dafür, beschwingt durch den Alltag zu kommen.

Für das gelungene Coverdesig­n hat die Band niemand Externes gebraucht. Eine Pfeife rauchende Katze lauscht darauf einem Grammophon. Paul Baureis hat die Grafik selbst angefertig­t und ließ sich dabei vom Titel „Ev’rybody Wants To Be A Cat“inspiriere­n – und von seinem leider verstorben­en Kater „Miles“.

„Es sind die Stücke, die bei der Lindy-HopCommuni­ty am besten funktionie­ren. Die CD ist also eine Tanzparty

aus der Dose.“

Paul Baureis

Gramophoni­acs

 ?? FOTO: GRAMOPHONI­ACS ?? Die Gramophoni­acs in der Kernbesetz­ung (von links): Paul Baureis, Jonas Jung, Micha Jesske, Leo Baureis und Joshua Fuchs.
FOTO: GRAMOPHONI­ACS Die Gramophoni­acs in der Kernbesetz­ung (von links): Paul Baureis, Jonas Jung, Micha Jesske, Leo Baureis und Joshua Fuchs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany