Frische Dosen-Tanzparty mit absichtlich Staub
Die Gramophoniacs aus Saarbrücken haben ihr erstes Swing-Album herausgebracht und es dabei auch stilecht mal knacken lassen.
Das mögen viele Ältere kaum glauben, da für sie Swing etwas Verstaubtes an sich hat: Junge Leute interessieren sich mehr und mehr für den US-amerikanischen Jazz der Zwanziger- und Dreißigerjahre. In Saarbrücken führte bis zum Lockdown eine lebendige Szene Swing-Tanzveranstaltungen im Studio 30 durch; parallel dazu gründeten die Brüder Paul (Gitarre) und Leo Baureis (Saxofon) sowie der Bassist und Pianist Joshua
Fuchs die Swing-Formation Gramophoniacs. Die von den Geschwistern Jovanna, Ben und Nik Taffner angeführte Swingtanz- beziehungsweise Lindy-Hop-Szene und die Band der Baureis-Brüder haben sich vor drei, vier Jahren angenähert. „Wir haben rein musikalisch damit angefangen und dann gemerkt, dass es einen großen Kreis von Leuten gibt, die das gut finden und dazu tanzen“, erzählt Paul Baureis.
Sein Bruder und er kannten Fuchs vom saarländischen Jugendjazzorchester. Aus Spaß an der Freude machten die drei eine Zeit lang Straßenmusik. Irgendwann kam Posaunist Jonas Jung dazu, als man mehr und mehr für Tanzveranstaltungen gebucht wurde, „machte es Sinn, ein Schlagzeug dazuzunehmen“. Dieses wird von Micha Jesske bedient. Bei größeren Auftritten wechselt die Band in die „Gala-Formation“:
Dann stoßen am Kontrabass wahlweise Nico Klöffer oder Tobias Fritzen hinzu, spielt Felix Blum die Trompete und sitzt Joshua Fuchs an den Tasten. Bei den Stücken mit Gesang ist die Band flexibel: Die meisten Stücke singt Fuchs, ein paar Paul Baureis. Aber auch sein Bruder Leo und Jonas Jung haben Einsätze als Leadsänger.
Genau in dieser Formation wurde jetzt die erste Gramophoniacs-CD
„Underground Swingtapes“eingespielt. „Wir dachten immer, dass es keinen Sinn macht, eine CD von Coversongs mit viel Aufwand aufzunehmen“, sagt Paul Baureis. Dann aber kam der Lockdown, die Konzerte
fielen aus, die Musiker hatten nichts zu tun. „Da war die Idee doch präsent, dass wir das auf Platte bannen.“Der Gedanke dabei sei gewesen, eine Auswahl aus dem Tanz-Programm zu machen. „Es sind die Stücke, die bei der Lindy-Hop-Community am besten funktionieren. Die CD ist also eine Tanzparty aus der Dose.“
Aufgenommen wurde aus praktischen Gründen bei Joshua Fuchs: „Dort steht sein Flügel.“Damit der Klang nicht zu modern und nicht zu steril wird („Ich finde es komisch, wenn Swing so sauber aufgenommen klingt“, sagt Baureis), bediente sich die Band der alten Aufnahmetechnik einstiger Studios und verwendete größtenteils nur ein Mikrofon für alle Instrumente. Baureis: „Den halben Tag haben wir mit dem Finden der richtigen Abstände zum Mikrofon verbracht.“Nur der Gesang sei nachträglich aufgenommen worden.
Das Ergebnis kann sich hören lassen. Gut, ganz so verstaubt und knisternd wie aus den Zwanzigerund Dreißigerjahren klingt die CD nicht – so viel Authentizität muss ja nicht sein. Die Gramophoniacs haben einen guten Mittelweg gefunden zwischen Nostalgie und Transparenz. Erstaunlich auch, wie gut die Instrumentalisten ihre Sache als Sänger machen. Ansonsten erfreuen sich die Aufnahmen einer homogen und lebendig spielenden Formation – den jungen Jazzern ist ihre Freude an dieser Musik deutlich anzumerken. Wer in diesen Zeiten zu zweit eine Lindy-Hop-Party veranstalten will, liegt mit dem Album genau richtig. Es eignet sich aber auch ohne zu tanzen bestens dafür, beschwingt durch den Alltag zu kommen.
Für das gelungene Coverdesign hat die Band niemand Externes gebraucht. Eine Pfeife rauchende Katze lauscht darauf einem Grammophon. Paul Baureis hat die Grafik selbst angefertigt und ließ sich dabei vom Titel „Ev’rybody Wants To Be A Cat“inspirieren – und von seinem leider verstorbenen Kater „Miles“.
„Es sind die Stücke, die bei der Lindy-HopCommunity am besten funktionieren. Die CD ist also eine Tanzparty
aus der Dose.“
Paul Baureis
Gramophoniacs