Lafontaine gegen „Angstmache“wegen Corona
(SZ) Der saarländische Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine hat das Vorgehen von Bund und Ländern in der Corona-Krise kritisiert. Lafontaine forderte eine „vorausschauende Politik auf Grundlage verlässlicher Zahlen“statt „Angstmache und Dauer-Lockdown“. Die Verantwortlichen hätten „keinen Plan, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen soll“.
In einer Zwischenbilanz zu den Anfang November in Kraft getretenen verschärften Corona-Maßnahmen sieht Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) die erhoffte Trendwende bisher ausgeblieben. Obwohl es gelungen sei, das Infektionsgeschehen ein wenig abzubremsen, sei man von der angepeilten Inzidenzmarke von 50 Infizierten pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen „noch weit entfernt“, sagte Hans am Montag nach den Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten. Im Saarland liege die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei knapp 140 Infizierten. Auch die Situation im Gesundheitswesen sei nach wie vor angespannt. „Deshalb“, so Hans weiter, „bitte ich alle Menschen im Saarland, jenseits von Ge- und Verboten, das eigene Verhalten auf den Prüfstand zu stellen und wann immer es möglich ist, auf Zusammenkünfte zu verzichten.“
Während der Corona-Gipfel am Abend nach langen Stunden zu Ende ging, meldeten die Gesundheitsbehörden im Saarland mit 49 neuen Corona-Fällen den niedrigsten Montagswert seit Mitte Oktober.
Bei den Fraktionen im Saar-Landtag fielen die Reaktionen auf die Bund-Länder-Beratungen am Montag gemischt aus. SPD-Fraktionschef Ulrich Commerçon begrüßte unter anderem, dass vorerst auf eine Maskenpflicht für Schüler aller Altersstufen verzichtet wird. Kinder seien nicht Leidtragende des Virus, sondern der Maßnahmen. Eine Lockerung der Corona-Verordnungen aber würde auch Commerçon zum jetzigen Zeitpunkt nicht befürworten: „Wir können keine Entwarnung geben, das habe ich immer betont“, sagte der SPD-Politiker. Kontakte müssten derzeit „auf das Nötigste zurückgeschraubt“werden.
So sah es auch der saarländische CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Funk: „Jeder soll sich Gedanken machen, welche Kontakte wirklich nötig sind.“Und jeder müsse sich selbst überprüfen. Auch Eigenverantwortung der Bürger sollte im Vordergrund stehen, darin sind sich die meisten Politiker einig. „Man muss immer wieder an die Vernunft der Bürger appellieren“, forderte Funk.
Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine verlangte erneut eine vorausschauende Politik auf Grundlage verlässlicher Zahlen statt „Anstmache“. „Das einseitige Starren der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten auf die Infektionszahlen
des Coronavirus ist wissenschaftlich nicht haltbar und übersieht zudem die Folgen des Lockdowns, die in zunehmendem Maße ebenfalls zum frühzeitigen Tod von Menschen führen, den man doch gerade verhindern will.“
AfD-Fraktionschef Josef Dörr mahnte „mehr Fingerspitzengefühl“an. Die Zustimmung zu den Maßnahmen der Bundesregierung sinke beständig. In Sachen Einschränkung privater Kontakte warnte Dörr die Regierung davor, zu weit zu gehen. „Dann wird das eintreffen, was sie nicht will. Nämlich dass niemand sich mehr an irgendetwas hält.“
Derweil monierte die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU) die Empfehlungen
der Bundesregierung, nach denen sich Bürger bei Schnupfenoder Hustensymptomen in Quarantäne begeben und telefonisch krankschreiben lassen sollen. „In der Haupterkältungssaison kommt das einem Lockdown gleich“, sagte VSU-Geschäftsführer Jens Colling. Sinnvoller sei es, einen entsprechenden Verdacht umgehend durch einen Corona-Test auszuräumen und die Wirtschaft so handlungsfähig zu erhalten. Schließlich hätten sich die Unternehmen mit umfangreichen Arbeitsschutzmaßnahmen darauf eingerichtet, das Infektionsrisiko zu minimieren. Das gelte auch für leichte Erkältungssymptome, die häufig keine längere Krankschreibung rechtfertigten.