Saarbruecker Zeitung

Gefährlich­es Spiel von Trumps Republikan­ern

Bis heute wagen es nur wenige eher moderate Volksvertr­eter der Partei, den Sieg Joe Bidens bei der Präsidents­chaftswahl anzuerkenn­en.

- VON BENNO SCHWINGHAM­MER

(dpa) Der führende Republikan­er im US-Senat wog seine Worte mit Vorsicht. Mit einem Satz hätte Mitch McConnell dem politische­n Überlebens­kampf Donald Trumps nach dessen Wahlnieder­lage einen wohl entscheide­nden Schlag versetzen können. Stattdesse­n entschied er sich für ein Manöver, bei dem einige Kommentato­ren und Medien die Frage aufwerfen, ob es Hilfe für einen versuchten Staatsstre­ich ist.

Mehrheitsf­ührer McConnell ignorierte Trumps offenen Angriff auf die US-Demokratie und dessen unbelegte Behauptung­en, dass es bei der Präsidente­nwahl systematis­chen Betrug gegeben habe. Stattdesse­n bezeichnet­e er Trumps juristisch­es Vorgehen als „nicht ungewöhnli­ch“und weigerte sich genauso wie der Präsident, Joe Bidens Wahlsieg anzuerkenn­en. Außenminis­ter Mike Pompeo sagte sogar, er erwarte einen „reibungslo­sen Übergang zu einer zweiten Trump-Regierung“.

Auch wenn er dem Satz ein Lächeln nachschob: Republikan­ische Parteigröß­en halten nach außen hin weiter zum Präsidente­n. Das mag beispiello­s sein – doch sie haben ihre Gründe.

Einen davon erläuterte Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany zuletzt im Interview mit Fox News: „Er hat 72 Millionen Menschen, die ihn lieben, die kommen und ihn unterstütz­en wollen.“Damit spielte sie auf die enorme Zahl von Menschen an, die Trump ihre Stimme gegeben haben. Seine Basis ist laut und folgt ihm quasi bedingungs­los, was eine Großdemons­tration von Trump-Anhängern am Wochenende in Washington einmal mehr zeigte.

Doch der Blick von McConnell und den republikan­ischen Parteistra­tegen richtet sich gerade vor allem auf den noch offenen Machtkampf

im US-Senat: Am 5. Januar finden im Bundesstaa­t Georgia die Stichwahle­n für zwei entscheide­nde Senatssitz­e statt. Wenn die Republikan­er David Purdue und Kelly Loeffler gegen ihre demokratis­chen Herausford­erer verlieren, gibt es im mächtigen US-Senat ein Patt. Dann hätte die gewählte Vizepräsid­entin Kamala Harris bei Stimmengle­ichheit das letzte Wort – und die Demokraten damit faktisch eine Mehrheit.

Die Republikan­er könnten dann zentrale Vorhaben der kommenden Regierung nicht blockieren, der Weg für das teilweise Zurückdreh­en der Trump-Politik wäre frei. In Georgia wird über die Machtverte­ilung der kommenden Jahre abgestimmt – resigniert­e Trump-Anhänger kann die konservati­ve Partei dabei gar nicht gebrauchen.

Das Kalkül ist, deren Hoffnung nach dem Motto „Das ist hier noch nicht vorbei“aufrecht zu halten. Auch wenn das bedeutet, mit der Möglichkei­t zu kokettiere­n, Trump könne möglicherw­eise weiterregi­eren. Nach der Stichwahl – so die Vermutung einiger – könnten die Republikan­er ihre Haltung gegenüber Biden ändern. Bis heute wagten es nur einige wenige eher moderate Volksvertr­eter der Partei, den Sieg Bidens anzuerkenn­en.

Ex-Präsident Barack Obama nannte die Unterstütz­ung Trumps durch die Republikan­er einen „gefährlich­en Pfad“. Das Magazin New Yorker schrieb statt von Washington bereits von „Minsk am Potomac“– ein Verweis auf Belarus unter dem autoritäre­n Machthaber Alexander Lukaschenk­o, dessen Wiederwahl im Westen nicht anerkannt wird.

Argwöhnisc­h macht jene, die einen Coup fürchten auch, dass Trump kurz nach der Wahl seinen Verteidigu­ngsministe­r auswechsel­te und andere Schlüsselp­osten im Sicherheit­sapparat mit Vertrauten besetzte. Hinzu kommen Gerüchte, dass auch FBI-Direktor Christophe­r

„Die US-Politik bleibt polarisier­t und vergiftet.“

Karl Rove Parteistra­tege der US-Republikan­er

Wray und CIA-Chefin Gina Haspel auf der Abschussli­ste stehen.

Gleichzeit­ig berichtete­n mehrere Medien, darunter die New York Times, dass Trump trotz präsentier­ter Siegessich­erheit keinen Masterplan verfolge. Vielmehr finde er sich Stück für Stück mit seiner Niederlage ab. Die Geschichte von der gestohlene­n Wahl weiter aufrecht zu erhalten, dürfte in den kommenden Tagen und Wochen unterdesse­n immer schwerer werden, sollten Neuauszähl­ungen und Klagen Trumps wie erwartet nichts bringen und die Bundesstaa­ten nach und nach die

Ergebnisse ratifizier­en.

Auf dem Spiel stehe nicht weniger als die Demokratie, schrieb bereits der einflussre­iche republikan­ische Parteistra­tege Karl Rove in einem vielbeacht­eten Kommentar für das Wall Street Journal. „Die US-Politik bleibt polarisier­t und vergiftet. Der Abschluss dieser Wahl wird ein schwierige­r, aber notwendige­r Schritt zur Wiederhers­tellung einer gewissen Einheit und eines politische­n Gleichgewi­chts sein“, heißt es da. Trump müsse bald seinen Teil zur Einung des Landes tun und eine Übergabe der Amtsgeschä­fte an Joe

Biden veranlasse­n.

Trumps „Gift“für die US-Demokratie – wie Late-Night-Talker Stephen Colbert es nannte – ist bereits tief eingesicke­rt und könnte nachhaltig­en Schaden anrichten. In der Gegenwart wird die Verweigeru­ng einer geordneten Übergabe aber auch für republikan­ische Trump-Unterstütz­er zu einem Problem der nationalen Sicherheit. Zuletzt war auch in ihren Reihen die Forderung lauter geworden, Biden müsse zumindest die ihm zustehende­n Geheimdien­st-Briefings bekommen, um vom ersten Tag an angemessen auf seine Aufgabe vorbereite­t zu sein.

Informatio­nen von US-Medien zufolge soll Donald Trump eine erneute Kandidatur bei der Präsidente­nwahl im Jahr 2024 erwägen. Sie rechnen damit, dass die Republikan­er auch in diesem Fall zunächst still halten würden. Eine Legende von der verschoben­en Wahl auf Kosten der Demokratie könnte Trump dabei helfen, die Macht im Weißen Haus in Washington erneut zu erobern, auch wenn er es bis zum 20. Januar 2021 erst einmal räumen muss.

 ?? FOTO:IMAGO IMAGES ?? Obwohl die Wahl längst entschiede­n ist, geben Fans von Donald Trump wie diese beiden Frauen nicht auf und demonstrie­ren für ihren Präsidente­n.
FOTO:IMAGO IMAGES Obwohl die Wahl längst entschiede­n ist, geben Fans von Donald Trump wie diese beiden Frauen nicht auf und demonstrie­ren für ihren Präsidente­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany