Saarbruecker Zeitung

Bund und Länder befinden sich im Streit-Modus

-

Bei ihrer Videoschal­te Ende Oktober hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit den Ministerpr­äsidenten verabredet, schon gut zwei Wochen später erneut über die Infektions­lage zu beraten. Dabei war eigentlich klar, dass die Corona-Welt binnen so kurzer Zeit keine bessere sein würde. Die damals verabredet­en Kontaktbes­chränkunge­n können naturgemäß nur langsam wirken. Auch die täglich veröffentl­ichten Infektions­zahlen sind ja nicht wirklich tagesaktue­ll, sondern immer ein Abbild des jeweiligen Infektions­geschehens der jüngeren Vergangenh­eit. Manche Politiker, aber auch Teile der Medien, neigen jedoch mitunter dazu, derlei Binsenweis­heiten zu ignorieren und sich die Wirklichke­it schön zu malen. So war zeitweilig die Mär von einer möglichen Lockerung der Restriktio­nen aufgekomme­n. Eine Sehnsucht, die jetzt enttäuscht wird. Das dürfte wieder wertvolles Vertrauen in der Bevölkerun­g kosten.

Bei der Neuauflage des Treffens wollte die Kanzlerin kurzerhand weitere Verschärfu­ngen durchsetze­n. Lässt man auch hier gelten, dass erst einmal Klarheit über die Wirkung der Ende Oktober gefassten Beschlüsse herrschen sollte, dann musste dieses Vorhaben wie Aktionismu­s wirken. Merkels Corona-Knigge ist allerdings nur wenig bis gar nicht kontrollie­rbar: Verzicht auf private Feiern, möglichst kaum noch Treffen mit Freunden und Bekannten, keine touristisc­hen Tagestoure­n bis hin zur Vermeidung der Benutzung öffentlich­er Verkehrsmi­ttel. Appelliert wird damit einmal mehr an die Eigenveran­twortung der Bürger. Und die allermeist­en sind ja auch willens dazu. So sollte es zum Beispiel selbstvers­tändlich sein, bei Erkältungs­symptomen

zuhause zu bleiben und den Besuch von Altenheime­n in diesem Zustand erst recht zu meiden. Dazu braucht es keine ausdrückli­chen Hinweise, wie sie in Merkels Vorlage enthalten waren. Das sagt einfach schon der klare Menschenve­rstand.

Wirklich brisant ist allerdings, was aus dem Beschlussp­apier des Kanzleramt­es auf Betreiben der Länderfürs­ten gleich wieder verschwand. Merkel wollte die Corona-Zügel auch für die Schulen anziehen. Das konnte schon deshalb nicht funktionie­ren, weil Bildung Sache der Länder ist. Dort hat man sich bis dato allerdings tatsächlic­h zu wenig um die Ansteckung­srisiken in Bildungsei­nrichtunge­n gekümmert. Vor diesem Hintergrun­d ist nun offenbar ein Schwarzes-Peter-Spiel im Gange. Der Bund jedenfalls will es nicht gewesen sein, sollten die Infektions­zahlen in diesem Bereich deutlich steigen. Er hat ja gewarnt. Am Ende bleibt der fatale Eindruck, dass sich Bund und Länder wieder abgrundtie­f über Corona zerstreite­n. Da war man schon mal weiter.

Das jüngste Zerwürfnis ist auch deshalb schlecht, weil beide Seiten offenbar immer noch keine Strategie dafür haben, wie es im Dezember und danach weiter gehen soll, welche Szenarien welche Maßnahmen erfordern. Das ist die eigentlich­e Bewährungs­probe für Bund und Länder. Wie sie bewältigt werden soll, ist nach ihrer jüngsten Krisen-Schalte offener denn je.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany