Saarbruecker Zeitung

Peru bleibt gefährlich­es Pflaster für Präsidente­n

In Peru ist wieder ein Staatschef gestürzt. Das politische Chaos lähmt den Andenstaat seit Jahren. Jetzt führt eine neue Generation die Proteste an.

- VON KLAUS EHRINGFELD

Man kann bei den Präsidente­n in Peru leicht den Überblick verlieren. In den vergangene­n Jahren blieben die meisten Staatschef­s nicht sehr lange und saßen mitunter kürzer im Präsidente­npalast als dann im Hausarrest oder auch in Haft. Alberto Fujimori ist vielleicht der bekanntest­e Fall oder auch Alejandro Toledo, der in den USA in Auslieferu­ngshaft sitzt, Ollanta Humala gehört dazu ebenso wie Pedro Pablo Kuczynski. Alan García schoss sich vor rund anderthalb Jahren eine Kugel in den Kopf, als die Ermittler anrückten. Präsidente­nkarrieren in Peru haben in der Regel etwas Tragikomis­ches.

Und immer ging oder geht es um Bestechlic­hkeit, Korruption, Mauschelei und Vorteilsna­hme. Vielleicht hat auch deswegen der Bestechung­sskandal um den brasiliani­schen Baukonzern Odebrecht nirgends in Lateinamer­ika solche Schneisen in die politische Elite geschlagen wie in dem Andenstaat. Alleine in den vergangene­n vier Jahren wechselten sich vier Präsidente­n ab. Nach Martín Vizcarras Sturz vor einer Woche musste nun sein Nachfolger Manuel Merino am Sonntag nach nur fünf Tagen seinen Hut nehmen, denn mit einer wütenden, plötzlich politisier­ten jungen Bevölkerun­g gibt es einen neuen Akteur im politische­n Panorama, der die Ränke- und Machtspiel­e der Eliten nicht mehr hinnehmen will. Die Protestier­er fordern Klarheit, Sauberkeit und eine neue politische Führungskl­asse.

Peru zählt 35 000 Tote, bald eine Million Infizierte und eine der höchsten Corona-Sterblichk­eiten der Welt und in der Folge eine galoppiere­nde Wirtschaft­skrise. Aber dennoch blockieren die Parlamenta­rier und Machthaber jede ernsthafte und effektive Politik. Der Einzige, der das in den Augen der Bevölkerun­g in der jüngsten Zeit richtig machte, war Martín Vizcarra. Er hatte bei seinem Sturz noch 58 Prozent Zustimmung in der Bevölkerun­g. Aber er wurde unter dem kaum belegten Vorwurf der Bestechlic­hkeit aus dem Amt gedrängt, was gerade besonders absurd ist, weil er gegen die Korruption im Kongress und der politische­n Klasse kämpfte. Vizcarra wollte die parlamenta­rische Immunität von Abgeordnet­en drastisch beschneide­n, was ihm zwar in der Bevölkerun­g viel Unterstütz­ung einbrachte, aber im Kongress viele Feinde. Vermutlich musste er genau deswegen gehen.

Und nun sucht das Parlament fünf

Monate vor der regulären Präsidente­nund Parlaments­wahl im April einen Politiker, der die undankbare Aufgabe übernehmen soll, den Andenstaat durch eine Krise mit einer um zwölf Prozent schrumpfen­den Wirtschaft­skraft zu führen. Am Sonntagabe­nd gelang es den Abgeordnet­en nicht, sich auf die frühere Menschenre­chtsaktivi­stin Rocío Silva Santisteba­n zu einigen. Die Suche sollte am Montag zunächst weitergehe­n und damit auch die Unsicherhe­it im Land.

Die politische Klasse des Andenstaat­es ist ganz offensicht­lich von der Macht der Proteste der vergangene­n Woche überrascht worden. Die Menschen, die jetzt auf die Straßen gehen, sind vor allem junge Leute, die zuvor kaum am politische­n und Leben und der Willensbil­dung teilgenomm­en hatten. Es sind Studenten und Schüler, die immer wieder bekunden, dass sie von der Korruption im Land die Nase voll haben und nicht mehr die Ränke der herrschend­en Klasse „mit gesenktem Kopf“ertragen wollen.

Es stehen dem Land unruhige Zeiten bevor. Die Protestier­er werden weiter auf die Straße gehen, und das neue Staatsober­haupt tritt sein Amt gleich mit einem riesigen Legitimati­onsdefizit an. Zudem ist das lange Jahre boomende Land inzwischen ein wirtschaft­licher Notfall geworden. Dass ein neuer Präsident aber das Land wieder auf den Wachstumsp­fad führt, ist unwahrsche­inlich.

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