Altenheim ruft „Ausnahmezustand“aus
Nach Corona-Fällen kam ein Heim in Niedaltdorf in Personalnot. Auch andere sind von der Pandemie „besonders betroffen“.
Die zweite Welle der Corona-Pandemie trifft einige Seniorenheime im Saarland mit enormer Wucht. Auch das Alten- und Pflegeheim St. Antoniushaus in Niedaltdorf, einem Ortsteil der Gemeinde Rehlingen-Siersburg. Zehn Mitarbeiter der überschaubaren Einrichtung waren positiv auf das Coronavirus getestet worden, übrig blieben fünf Pflegekräfte für alle Schichten. Zudem hatten sich 13 der 37 Bewohner infiziert.
Im St. Antoniushaus herrsche ein „absoluter Ausnahmezustand“– so stand es in einem Hilferuf, der sich am vergangenen Wochenende über Facebook verbreitete. Man wende sich „an alle Menschen im Saarland“, hieß es. „Auch ungelernte Hilfskräfte zum Essen verteilen und verabreichen, Betten machen, Hilfe beim An- und Auskleiden oder nur zur Betreuung der Bewohner werden sofort benötigt.“Mittlerweile ist das nicht mehr aktuell, die Heimaufsicht des Gesundheitsministeriums unterstützt das St. Antoniushaus bei der Personalsuche. „Wir tun alles, um die Versorgung der Bewohner zu gewährleisten“, erklärte Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU). Die Betreuung sei gesichert. „Heute und morgen werden dem Heim weitere Pflegekräfte zur Verfügung stehen“, ließ die Ministerin am Montag wissen.
Das von der Ordensgemeinschaft der Sühneschwestern vom Heiligen Geist geleitete Seniorenheim in Niedaltdorf hat selbst keine Seite bei Facebook. Den Hilferuf setzte ein „befreundetes Heim“ab, sagt Susanna Strohm, die stellvertretende Heimleiterin. Am Telefon meldet sie sich mit einem freundlichen „Grüß Gott“, aber leicht zu erreichen ist Strohm am Montag nicht. Immer wieder ist der Anschluss besetzt. Die vielen Reaktionen auf den Hilferuf haben die Verantwortlichen im St. Antoniushaus erst überwältigt, dann überfordert. „Im Moment stoppen wir das Ganze“, erklärt Strohm. „Die Welle der Hilfsbereitschaft ist so groß.“Niedaltdorf dürfe sich nicht wiederholen, sagte am Montag der Bundestagsabgeordnete und Grünen-Landeschef Markus Tressel. Er fordert von Ministerin Bachmann „umfassende Aufklärung“, wie es zum Notstand in dem Heim kommen konnte. Außerdem verlangt Tressel von der Ressortchefin ein „landesweites Corona-Ausfallkonzept“. Notwendig sei ein „zentraler Personalpool mit einer Pflege-Feuerwehr“,
„Wir tun alles, um die Versorgung der Bewohner zu gewährleisten.“
Monika Bachmann (CDU)
sagte der Grünen-Politiker. Es dürfe nicht mehr so weit kommen, dass ein Pflegeheim keinen anderen Ausweg sehe, als die Bevölkerung um Hilfe zu bitten.
Das St. Antoniushaus ist eines von sechs Heimen im Saarland, die von der Pandemie „besonders betroffen“sind. So steht es in einem internen Lagebericht des Gesundheitsministeriums vom vergangenen Freitag. In der vergangenen Woche war auch ein Seniorenheim in Eppelborn „relativ heftig“vom Coronavirus getroffen worden, wie dessen Geschäftsführer Christoph Loré unserer Zeitung sagte. 28 Heimbewohner waren positiv auf SarsCoV-2 positiv getestet worden, vier Senioren starben an oder mit dem Erreger. Bei erneuten Tests verzeichnete man keine Neuinfektionen. „Die Lage scheint unter Kontrolle zu sein“, sagte Loré am Montag.
Jeweils über 20 Fälle gibt es derzeit in Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Merzig und Sulzbach. Der Träger betreibt auch ein Heim in Marpingen, in dem es einen massiven Ausbruch gegeben hatte. Mittlerweile gehen die Zahlen dort zurück, demnächst werden 16 Bewohner aus der Quarantäne entlassen. In Saarbrücken ist neuerdings das Altenheim Am Schlossberg von Ansteckungen betroffen. „Wir versuchen, durch Isolierung und regelmäßige Nachtestungen die weitere Ausbreitung zu verhindern“, sagte Geschäftsführer Matthias Mudra.
Landesweit gelten von rund 10 000 Mitarbeitern in der vollstationären Pflege insgesamt 88 als infiziert. Bei 149 der rund 13 000 Bewohnern in den Heimen fielen die Corona-Tests jüngst positiv aus. Seit dem Beginn der Pandemie verstarben 124 Heimbewohner.
G esundheitsministerin