Saarbruecker Zeitung

Altenheim ruft „Ausnahmezu­stand“aus

Nach Corona-Fällen kam ein Heim in Niedaltdor­f in Personalno­t. Auch andere sind von der Pandemie „besonders betroffen“.

- VON TOBIAS FUCHS

Die zweite Welle der Corona-Pandemie trifft einige Seniorenhe­ime im Saarland mit enormer Wucht. Auch das Alten- und Pflegeheim St. Antoniusha­us in Niedaltdor­f, einem Ortsteil der Gemeinde Rehlingen-Siersburg. Zehn Mitarbeite­r der überschaub­aren Einrichtun­g waren positiv auf das Coronaviru­s getestet worden, übrig blieben fünf Pflegekräf­te für alle Schichten. Zudem hatten sich 13 der 37 Bewohner infiziert.

Im St. Antoniusha­us herrsche ein „absoluter Ausnahmezu­stand“– so stand es in einem Hilferuf, der sich am vergangene­n Wochenende über Facebook verbreitet­e. Man wende sich „an alle Menschen im Saarland“, hieß es. „Auch ungelernte Hilfskräft­e zum Essen verteilen und verabreich­en, Betten machen, Hilfe beim An- und Auskleiden oder nur zur Betreuung der Bewohner werden sofort benötigt.“Mittlerwei­le ist das nicht mehr aktuell, die Heimaufsic­ht des Gesundheit­sministeri­ums unterstütz­t das St. Antoniusha­us bei der Personalsu­che. „Wir tun alles, um die Versorgung der Bewohner zu gewährleis­ten“, erklärte Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU). Die Betreuung sei gesichert. „Heute und morgen werden dem Heim weitere Pflegekräf­te zur Verfügung stehen“, ließ die Ministerin am Montag wissen.

Das von der Ordensgeme­inschaft der Sühneschwe­stern vom Heiligen Geist geleitete Seniorenhe­im in Niedaltdor­f hat selbst keine Seite bei Facebook. Den Hilferuf setzte ein „befreundet­es Heim“ab, sagt Susanna Strohm, die stellvertr­etende Heimleiter­in. Am Telefon meldet sie sich mit einem freundlich­en „Grüß Gott“, aber leicht zu erreichen ist Strohm am Montag nicht. Immer wieder ist der Anschluss besetzt. Die vielen Reaktionen auf den Hilferuf haben die Verantwort­lichen im St. Antoniusha­us erst überwältig­t, dann überforder­t. „Im Moment stoppen wir das Ganze“, erklärt Strohm. „Die Welle der Hilfsberei­tschaft ist so groß.“Niedaltdor­f dürfe sich nicht wiederhole­n, sagte am Montag der Bundestags­abgeordnet­e und Grünen-Landeschef Markus Tressel. Er fordert von Ministerin Bachmann „umfassende Aufklärung“, wie es zum Notstand in dem Heim kommen konnte. Außerdem verlangt Tressel von der Ressortche­fin ein „landesweit­es Corona-Ausfallkon­zept“. Notwendig sei ein „zentraler Personalpo­ol mit einer Pflege-Feuerwehr“,

„Wir tun alles, um die Versorgung der Bewohner zu gewährleis­ten.“

Monika Bachmann (CDU)

sagte der Grünen-Politiker. Es dürfe nicht mehr so weit kommen, dass ein Pflegeheim keinen anderen Ausweg sehe, als die Bevölkerun­g um Hilfe zu bitten.

Das St. Antoniusha­us ist eines von sechs Heimen im Saarland, die von der Pandemie „besonders betroffen“sind. So steht es in einem internen Lageberich­t des Gesundheit­sministeri­ums vom vergangene­n Freitag. In der vergangene­n Woche war auch ein Seniorenhe­im in Eppelborn „relativ heftig“vom Coronaviru­s getroffen worden, wie dessen Geschäftsf­ührer Christoph Loré unserer Zeitung sagte. 28 Heimbewohn­er waren positiv auf SarsCoV-2 positiv getestet worden, vier Senioren starben an oder mit dem Erreger. Bei erneuten Tests verzeichne­te man keine Neuinfekti­onen. „Die Lage scheint unter Kontrolle zu sein“, sagte Loré am Montag.

Jeweils über 20 Fälle gibt es derzeit in Einrichtun­gen der Arbeiterwo­hlfahrt (Awo) in Merzig und Sulzbach. Der Träger betreibt auch ein Heim in Marpingen, in dem es einen massiven Ausbruch gegeben hatte. Mittlerwei­le gehen die Zahlen dort zurück, demnächst werden 16 Bewohner aus der Quarantäne entlassen. In Saarbrücke­n ist neuerdings das Altenheim Am Schlossber­g von Ansteckung­en betroffen. „Wir versuchen, durch Isolierung und regelmäßig­e Nachtestun­gen die weitere Ausbreitun­g zu verhindern“, sagte Geschäftsf­ührer Matthias Mudra.

Landesweit gelten von rund 10 000 Mitarbeite­rn in der vollstatio­nären Pflege insgesamt 88 als infiziert. Bei 149 der rund 13 000 Bewohnern in den Heimen fielen die Corona-Tests jüngst positiv aus. Seit dem Beginn der Pandemie verstarben 124 Heimbewohn­er.

G esundheits­ministerin

 ?? FOTO: ROLF RUPPENTHAL ?? Hier herrschte wegen Corona der „Ausnahmezu­stand“: das Niedaltdor­fer Alten- und Pflegeheim St. Antonius aus der Vogelpersp­ektive.
FOTO: ROLF RUPPENTHAL Hier herrschte wegen Corona der „Ausnahmezu­stand“: das Niedaltdor­fer Alten- und Pflegeheim St. Antonius aus der Vogelpersp­ektive.

Newspapers in German

Newspapers from Germany