Keine Branche wächst so wie die Informatik
Die Welt der Bits und Bytes ist stets im Fluss. Wer in der IT-Landschaft dauerhaft Fuß fassen will, muss bereit sein, sich diesen Veränderungen laufend anzupassen.
ngesichts der gewaltigen Umbrüche, die die Digitalisierung der Arbeitswelt mit sich
wird leicht vergessen, dass die Triebfedern dieser Entwicklung, die Informationsund Kommunikationstechnik (ITK) sowie die Informatik, mit am stärksten von eben jenen Veränderungen betroffen sind. Denn obwohl die Computertechnologie vergleichsweise jung ist, hat sie doch bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. So haben es nicht nur zahllose IT-Firmen innerhalb kürzester Zeit zu weltweiter Bekanntheit gebracht, nur um wenig später wieder in der Bedeutungslosigkeit zu versinken – auch ganze Berufsfelder sind in der Branche neu entstanden und gleich danach wieder sang- und klanglos verschwunden.
Das beobachtet auch Simon Janssen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). „Es ist so, dass sich insbesondere in der IT die Nachfrage nach Tätigkeiten sehr stark und schnell verändert“, sagt er. Grundsätzlich sei in solchen Branchen nicht nur eine „hohe Mobilität am Arbeitsmarkt“zu verzeichnen, „auch die Lohnschwankungen sind häufig größer“, erklärt Janssen.
Ein Blick in die Zahlen zeigt, dass die Branche auch in Deutschland längst zum bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden ist. Laut der Bundesagentur für Arbeit waren im Jahr 2018 (letzter erfasster Wert) bereits 802 000 Menschen sozialversicherungspflichtig in einem Informatik- oder ITK-Beruf beschäftigt, 47 000 mehr als im Vorjahr. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos rechnet damit, dass es bis zum Jahr 2025 noch einmal 100 000 mehr sein werden – damit würde das Berufsfeld in diesem Zeitraum so stark wachsen wie kein anderes in Deutschland. „Besonders benötigt werden Software-Entwickler, aber auch IT-Administratoren oder IT-Vertriebler werden künftig verstärkt gesucht“, heißt es in einer Prognos-Studie.
Dass der Bedarf des Arbeitsmarktes bereits jetzt nicht gestillt werden kann, zeigt sich laut Bundesagentur auch daran, dass offene Stellen häufig lange nicht besetzt werden können. Im Schnitt warten Arbeitgeber 132 Tage auf eine IT-Fachkraft, 14 Tage länger als im Durchschnitt aller Berufe. Freie Akademikerstellen bleiben mit 126 Tagen in der IT-Branche sogar 29 Tage länger vakant als andere. Besonders gravierend seien die Engpässe in der Software-Entwicklung bei Personen, „deren Kenntnisse einem mindestens vierjährigen Informatikstudium entsprechen“, so die Behörde. Das ist besonders deswegen bemerkenswert, weil im Jahr 2017 rund 26 000 angehende Informatiker ihr Studium erfolgreich abgeschlossen hatten – so viele wie niemals zuvor.
Wie die Branche an sich sind auch die Beschäftigten vergleichsweise jung. Laut Bundesagentur sind fast 90 Prozent der IT-Fachkräfte unter 55 Jahre alt. Außerdem bleibt das Berufsfeld eine Männerdomäne: Lediglich 16 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, nur bei den Akademikern ist ihr Anteil mit 21 Prozent etwas höher.
Längst nicht jeder ITK-Absolvent arbeitet als Programmierer. So untersuchen IT-Berater beispielsweise Computersysteme in Unternehmen, geben Tipps, welche Prozesse digitalisiert werden können, oder begleiten die Einführung neuer Programme vor Ort. Auch in Organisation, Wartung oder Vertrieb sind ITK-Fachkräfte zunehmend gefragt. In der Forschung suchen praktische Informatiker zum Beispiel nach Software-Lösungen für mathematische Probleme, während sich technische Informatiker mit der Hardware befassen.
Die Frage, ob und wie sich diese etablierten Berufsbilder in den kommenden Jahren verändern werden, ist laut Simon Janssen kaum zu beantworten. So ließe sich zwar „grob abschätzen, welche Tätigkeiten durch Computer-Programme ersetzt werden können, aber es ist immer extrem schwer zu sagen, welche neu dazukommen“, sagt der Arbeitsmarkt-Experte. Es sei allerdings bereits abzusehen, dass Künstliche Intelligenz (KI), also Programme, die Aufgaben selbstständig erfüllen und dabei neue Lösungsansätze „lernen“können, bereits „in naher Zukunft an Bedeutung gewinnen“werde. Zumindest kurz- bis mittelfristig müsse das aber nicht dazu führen, dass weniger menschliche Fachkräfte in der Branche benötigt würden, sagt Janssen. „Insbesondere in der Übergangsphase“hin zum breiten KI-Einsatz in der Wirtschaft „werden sehr viele IT-Spezialisten gebraucht“.
Offen sei aber, ob deren Wissen nach dieser Zeit noch in gleichem Maß nachgefragt werde, sagt der IAB-Experte und nennt ein Beispiel: „Heute müssen Sie sich nicht mehr mit Computern auskennen, um Texte in Windows schreiben zu können oder etwas auszudrucken. In den 90er Jahren war das noch anders. Da musste man sich wesentlich besser auskennen, um sowas zum Laufen zu bekommen.“Hinzu komme, „dass Maschinen durch die KI stärker in der Lage sein werden, Fehler zu erkennen und sich selbst zu reparieren“. Solche Entwicklungen könnten letztlich dazu führen, dass „die gut Ausgebildeten sozusagen nach unten durchsickern und die schlecht Ausgebildeten aus ihren Berufen verdrängt werden“, erklärt Janssen.
Trotz dieser Unsicherheiten rechnet der Experte damit, dass die Nachfrage nach ITK-Fachkräften insgesamt steigen wird: „Da mache ich mir keine Sorgen.“Weil sich „die Fähigkeiten in der Branche schneller abschreiben als in anderen“, sei das Thema Weiterbildung hier aber von besonderer Bedeutung. „Es gibt immer wieder neue Fertigkeiten und Programme, die man erlernen muss“, sagt Janssen. „Wir merken das bei uns selbst, wenn ein Windows-Update kommt und die Knöpfe nicht mehr an der richtigen Stelle sind. Das ist für IT-ler natürlich noch viel extremer.“
Alle erschienenen Teile der Serie gibt es online: www.saarbrueckerzeitung.de/arbeit-mit-zukunft
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