Noch keine Not zu „knallharter Entscheidung“
Immer mehr Handball-Stars sprechen sich für eine Absage der WM im Januar aus. Europas Topligen planen eine gemeinsame Linie.
(sid) Für den Handball geht es um die ganz große Bühne, für die Verbände um Macht und Millionen und für die Spieler um nicht weniger als ihre Gesundheit – in der hitzigen Diskussion um die Mega-WM im Januar gehen Europas Topligen in die Offensive. Ob Stars wie Uwe Gensheimer, Andreas Wolff und Domagoj Duvnjak in Ägypten auftrumpfen dürfen, soll ein gemeinsames Positionspapier klären.
Nationaltorhüter Johannes Bitter
„Natürlich muss irgendwann eine Entscheidung fallen, auch von uns als Liga“, sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer der Bundesliga (HBL). Man stehe momentan deshalb „in engem Kontakt mit den anderen europäischen Topligen. Eine gemeinsame Position, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen Spieler abgestellt werden, ist wünschenswert.“Bis spätestens Ende Dezember „sollte es eine abgestimmte Empfehlung geben, wobei unabhängig von dieser Empfehlung jeder Spieler selbst entscheiden muss, ob er an der WM teilnimmt.“
Der Vorstoß der Ligen zu einer ausführlichen gemeinsamen Risikobewertung kommt inmitten einer
Zeit kontrovers geführter Debatten unter Clubs, Verbänden und Spielern. Nach Patrick Wiencek, Hendrik Pekeler, Duvnjak (alle THW Kiel) und Aron Palmarsson (FC Barcelona) äußerte nun auch der Kieler Steffen Weinhold öffentlich Zweifel. Angesichts der momentanen Vorgaben
der Regierungen und der weltweiten Infektionslage habe er noch nicht entschieden, „ob ich mit zur WM fahren würde“, sagte er den Kieler Nachrichten.
Ähnlich äußerten sich auch die anderen Profis. „Wenn meine persönliche Meinung zählen würde, dann würde ich die WM nicht spielen“, sagte etwa Kreisläufer Wiencek: „Es gibt nichts Wichtigeres als die Gesundheit. Und das vergessen leider einige Leute ganz schnell.“
Man nehme die Sorgen und Ängste von Spielern und Clubs deutlich wahr, sagte HBL-Chef Bohmann:
„Aber wir sehen auch die Notwendigkeiten und Wünsche der nationalen und internationalen Verbände.“So geht es bei dem Turnier im Januar neben dem enormen Prestige für die Sportart auch um eine Menge Geld: Allein der Deutsche Handball-Bund (DHB) darf bei der WM mit rund drei Millionen Euro an TV- und Sponsoringeinnahmen rechnen.
Nationaltorhüter Johannes Bitter sieht die Schwierigkeiten der aktuellen Gemengelage, der Weltmeister von 2007 und Vorsitzende der Spielergewerkschaft Goal hat großes Verständnis für die Skepsis unter den Profis. „Es ist schwierig, die Privatperson und den Sportler zu trennen“, sagte Bitter, der eine WM-Austragung „Stand jetzt“befürwortet: „Wir müssen unsere Familien schützen, haben aber auch eine Verantwortung unserem Sport und den Verbänden gegenüber. Wir wissen manchmal selber weder ein noch aus, eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung kann fatale Folgen haben.“Bis zum Abschluss der Meinungsbildung werde es noch einige Tage dauern, sagte Bitter. Der Punkt für eine „knallharte Entscheidung“sei aus seiner Sicht nicht oder noch nicht gekommen.
Bei Bohmann stoßen die Worte von Bitter auf offene Ohren. Der Bundesliga-Boss wirbt dafür, „nun erst einmal die Schärfe aus den Diskussionen zu nehmen. Bis zur WM sind es noch knapp zwei Monate, da kann noch einiges passieren.“Deshalb sieht er „keine Dringlichkeit, das jetzt zu entscheiden. Wir sollten die Pandemie-Entwicklung in den teilnehmenden Ländern und in Ägypten weiter beobachten“, sagte Bohmann und verwies auf die Empfehlung der Clubs im Dezember. Eine Empfehlung, die richtungweisend sein dürfte.
„Eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung kann fatale
Folgen haben.“
über die mögliche Absage der WM