Saarbruecker Zeitung

Polizei löst Demo in Berlin auf

- VON HAGEN STRAUSS

Eine Frau hält in Berlin beim Protest gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern der Polizei ein Kruzifix entgegen. Die Polizei löste die Demonstrat­ion auf, weil trotz Warnungen Abstandsre­geln missachtet­et worden seien. Ziel des Protests war die Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes, die Corona-Verbote rechtlich absichern soll. Auch in Saarbrücke­n demonstrie­rten Gegner der Corona-Politik.

Es ist genau 12.32 Uhr, als die Berliner Polizei zum Mikrofon greift. Mehrere Tausend drängeln sich zu diesem Zeitpunkt von der Straße des 17. Juni bis zum Brandenbur­ger Tor, ohne Abstand, die meisten ohne Maske. Der Druck auf die Absperrung vor dem nahen Reichstag wird immer größer. „Entfernen Sie sich in Richtung Potsdamer Platz“, ruft einer der Einsatzlei­ter via Lautsprech­erwagen. Ein gellendes Pfeifkonze­rt ist die Antwort. Daraufhin gibt er erstmals den Befehl: „Wasser Marsch!“

Die Beamten greifen sich einzelne Protestler aus der Menge. Direkt am Reichstag droht die Lage nach der beschlosse­nen Auflösung der Demonstrat­ion wegen der Corona-Verstöße zu eskalieren. Offiziell heißt es, die Menschen würden „beregnet“, doch die Stimmung wird aggressive­r, so dass nach einiger Zeit auch Schlagstoc­k und Pfefferspr­ay zum Einsatz kommen. Ziel der Polizei: Kein Vordringen zum Parlament wie noch bei der Corona-Demo Ende August. Das gelingt, man hat dazu gelernt. Zweites Ziel: Die Abgeordnet­en sollen ungehinder­t in den Bundestag und hinausgela­ngen können. Auch das ist möglich. Zurückdrän­gen lässt sich die Menge nur langsam, es gibt einen harten Kern, gewaltbere­ite Rechtsextr­eme sind darunter. Immer wieder hört man den Befehl: „Wasser Marsch!“Bis zum Abend gibt es rund 200 Festnahmen.

Seit dem frühen Morgen sind die Gegner des Gesetzes, Corona-Kritiker wie Corona-Leugner ins Regierungs­viertel geströmt. Vorbei an Polizeiabs­perrungen. Alles verläuft friedlich. Einige tragen Fähnchen mit der Friedensta­ube, andere Transparen­te mit dem Slogan: „Deutschlan­d wohin? Zurück zu Gott“. Auch Trump-Fans sind zu sehen, genauso wie eine Gruppierun­g „Eltern stehen auf“. Man nennt das wohl ein buntes Völkchen, das sich vor allem auf der Marschallb­rücke am ARD-Hauptstadt­studio bis hinunter zur Spree versammelt. Dort ist der zweite größere Demo-Ort. Auf der anderen Flussseite liegt der Reichstag. Drinnen hört man dank der Schallisol­ierung zwar nichts, aber sobald die Abgeordnet­en das Gebäude verlassen, können sie dem Protest nicht mehr entgehen. AfD-Parlamenta­rier stacheln ihn sogar von dort aus mit Armbewegun­gen an. Als Kanzlerin Angela Merkel aus dem Parlament kommt, skandieren die Gegner: „Wir sind das Volk.“Das Bundesinne­nministeri­um hatte zuvor Genehmigun­gen für Demonstrat­ionen direkt am Parlament verweigert, begründet mit dem Gesetz über befriedete Bezirke rund um den Sitz von Verfassung­sorganen. Deren Arbeit darf demnach nicht beeinträch­tigt oder behindert werden. Hintergrun­d der Entscheidu­ng waren aber auch martialisc­he Aufrufe in Facebook-Gruppen: „Berlin muss brennen!“, las man in einem. Oder: „Das überlebt keiner von denen. Spahn wird der Erste sein.“

Auf der Marschallb­rücke schimpfen viele über die Folgen der Corona-Politik. Einige sehen das Land

„auf dem direkten Weg in eine neue diktatoris­che Ordnung“. Eine Mutter dreier Kinder nennt die Maske Maulkorb und beklagt eine Jugend ohne Party. Andere rufen „Scheiß was auf Nachhaltig­keit“oder fordern „Entschädig­ungszahlun­gen für alle“. Es wird das „Vater unser“gebetet, ein Schamane schickt dann noch von der kleinen Bühne auf der Brücke „schöpferis­che Kräfte“hinterher. Die Polizei mahnt immer wieder an, Abstände einzuhalte­n, vereinzelt werden Personalie­n aufgenomme­n und Teilnahmev­erbote ausgesproc­hen. Da fahren die Wasserwerf­er am Brandenbur­ger Tor gerade auf.

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