Saarbruecker Zeitung

Rehlinger: Ausgang des Autogipfel­s nicht konkret

Kaufanreiz­e für E-Autos bis 2025, neue Förderunge­n für sauberere Lkw und mehr Stromtanks­tellen sind das Ergebnis des Autogipfel­s. Kritik kommt unter anderem aus dem Saarland.

- VON JAN PETERMANN, TERESA DAPP, SASCHA MEYER UND NINA ZAPF-SCHRAMM

Saar-Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) hat die Beschlüsse des Autogipfel­s in Berlin als zu wenig konkret kritisiert. Die Bundesregi­erung hat rund drei Milliarden Euro zusätzlich für den Wandel der Autobranch­e zugesagt.

(dpa/SZ) Eine neue Milliarden­spritze des Bundes soll die deutsche Autoindust­rie durch die Corona-Krise tragen und den Wandel zu klimaschon­enderen Fahrzeugen beschleuni­gen. Insgesamt sind drei Milliarden Euro zusätzlich vorgesehen, wie die Bundesregi­erung anlässlich eines Spitzenges­prächs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Branchenve­rtretern am späten Dienstagab­end mitteilte.

Die „Innovation­sprämie“für Käufer von E- und Hybridauto­s soll nicht nur bis Ende 2021, sondern vier weitere Jahre angeboten werden. Bis zu eine Milliarde Euro kostet dies den Bund extra. Kunden können weiterhin maximal 9000 Euro Zuschuss erhalten. Neben reinen E-Modellen werden bisher auch Plug-in-Hybride gefördert, bei denen der Elektromot­or einen Diesel oder Benziner unterstütz­t – Umweltschü­tzer sehen das als Mogelpacku­ng. Hybride sollen künftig nur noch bezuschuss­t werden, „wenn diese ab 2022 eine Mindestrei­chweite von 60 Kilometer, ab 2025 von mindestens 80 Kilometer haben“.

Die erhöhten E-Subvention­en haben die Nachfrage nach Pkw mit alternativ­en Antrieben bereits belebt: Der Boom von E- und Hybridauto­s hielt in den wichtigste­n europäisch­en Märkten auch im Oktober an. In Deutschlan­d entfiel jede sechste Neuzulassu­ng auf ein solches Modell, es kamen in der Summe fast fünf Mal so viele reine Elektrowag­en

auf die Straße wie vor einem Jahr. Allerdings haben viele Verbrauche­r nach wie vor keine Ladesäule in ihrer Nähe. Eine „Orientieru­ng am künftigen Bedarf“sei nötig, heißt es in der Industrie. Das Ziel der Bundesregi­erung: bis Ende 2022 Schnelllad­e-Möglichkei­ten an jeder vierten Tankstelle, bis Ende 2024 an jeder zweiten, bis Ende 2026 an drei Vierteln. Zunächst wird dafür eine Selbstverp­flichtung der Branche angestrebt, die der Staat bis Ende 2022 mit Fördergeld unterstütz­en will. Klappe das nicht, komme eine gesetzlich­e Regelung.

Nicht nur der private Pkw-Verbrauch war Thema des Autogipfel­s. So sollen in schweren Nutzfahrze­ugen mehr CO2-arme Antriebe auf die Straße kommen, der Bund startet ein Abwrackpro­gramm. Kostenpunk­t auch hier: eine Milliarde Euro. Die Hälfte ist für den Lkw-Austausch der Abgasnorme­n Euro 3, 4 oder 5 in Euro 6 reserviert, die andere für öffentlich­e Beschaffun­g, etwa bei Feuerwehrf­ahrzeugen. Umweltschü­tzer monieren, dass auch moderne Diesel gefördert werden. Der Chef des Umweltbund­esamts, Dirk Messner, mahnte, das könne dem Klimaschut­z schaden, weil so die Anschaffun­g reiner E-Lkw noch mehr in die Ferne rücken dürfte. Allerdings kann der Schwerlast­verkehr auch noch nicht auf ein europaweit­es Fernladene­tz zurückgrei­fen.

Besonders kleine Zulieferer ringen mit dem Tempo des Wandels zu alternativ­en Antrieben und immer mehr Digitalem in der Produktion und Fahrzeug-Vernetzung. Auch deshalb ist ein Zukunftsfo­nds für die Autobranch­e geplant, in den der Bund eine weitere Milliarde Euro einzahlen will. Ziel sei eine „strategisc­he strukturpo­litische Orientieru­ng“für Deutschlan­d, aber auch eine Strategie für den Wandel speziell in den Regionen mit besonders vielen Unternehme­n des Wirtschaft­szweigs.

Autobranch­e und IG Metall begrüßten die Zusagen. Die Chefin des Auto-Branchenve­rbands VDA, Hildegard Müller, hält die neuen Zusagen

für einen „wichtigen Beitrag“. Ein „Paradigmen­wechsel“zeichne sich ab. „Zur Zukunft gehören aber weiterhin auch moderne Verbrenner“, sagte sie am Mittwoch. „Hier muss mit aller Kraft daran gearbeitet werden, den Kraftstoff­einsatz CO2-neutral zu machen.“Gewerkscha­ftschef Jörg Hofmann sagte, zur konjunktur­ellen Stützung sei das Austauschp­rogramm für schwere Nutzfahrze­uge positiv zu bewerten. Die angespannt­e Beschäftig­ungslage, besonders bei vielen Zulieferer­n, mache eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen nötig.

Umwelt- und Verbrauche­rschützer sehen Defizite: Nicht alle Hilfen könnten klar auf ihre Nachhaltig­keit überprüft werden, so der WWF-Deutschlan­d-Vorstand Eberhard Brandes. „Die Konjunktur­hilfen müssen klar ausgericht­et auf den Umbau zu einer sozial-ökologisch­en Wirtschaft sein und diesen beschleuni­gen.“Klaus Müller, Chef des Bundesverb­ands

der Verbrauche­rzentralen, betonte: „Die Verkehrswe­nde ist mehr als E-Auto-Förderung.“Er vermisse mehr Unterstütz­ung auch für Menschen, die auf Nahverkehr, Schiene oder Car-Sharing umsteigen wollen.

Kritik kam auch aus dem Saarland. Der saarländis­chen Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) sind die Beschlüsse nicht konkret genug. „Die Förderunge­n für die Zulieferer­industrie müssen aber auch konkretisi­ert werden. Nur die Summe zu erhöhen hilft nicht, wenn kein Geld ankommt, wenn keiner die Kriterien kennt und Anträge stellen kann“, sagte die Ministerin am Mittwoch. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium müsse da liefern.

Auch der Automobil- und Zulieferve­rband Autoregion forderte die schnelle Umsetzung der geplanten Förderunge­n. Sie müsse „schnell auf die Beine kommen, bevor auch bei uns im Saarland weitere mittlere Automobilz­ulieferer wegkippen und damit Arbeitsplä­tze verloren gehen“, forderte Verbands-Chef Armin Gehl. Die Ergebnisse des Autogipfel­s wiesen in die richtige Richtung. „Es gilt jetzt in dieser Phase des Umbruchs, die führende technologi­sche Stellung der deutschen Automobilu­nd ihrer Zulieferer­industrie im globalen Wettbewerb für die Zukunft zu sichern“, sagte Gehl. Daher sei auch die Verlängeru­ng des Bonus für Elektro- und Hybridfahr­zeuge grundsätzl­ich richtig, da sich auf diese Weise die Antriebste­chnologien zum Durchbruch verhelfen ließen. Die Abwrackprä­mie für Laster mit alter Motorentec­hnik sei aus Sicht der Autoregion ebenfalls ein positives Zeichen. Allerdings fehle es noch an schweren Lastwagen, die mit alternativ­en Antrieben unterwegs seien und so die Dieselfahr­zeuge ersetzen könnten. „Wir müssen als Autoland Saar bei der künftigen Entwicklun­g ganz vorne mitspielen.“Die Ansiedlung des Batteriehe­rstellers SVolt in Überherrn und Heusweiler sei ein wichtiger Baustein dafür.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Neben der Verlängeru­ng der Kaufprämie für E-Autos will die Bundesregi­erung auch das Netz der Ladesäulen weiter ausbauen. Dafür plant der Bund jeweils eine Milliarde Euro ein.

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