Saarbruecker Zeitung

Studie sieht Verschwöru­ngstheorie­n auf dem Vormarsch

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Martin Wittenmeie­r

Rechtsextr­eme Einstellun­gen sind in Deutschlan­d nach wie vor weit verbreitet. Die Ausländerf­eindlichke­it ist dagegen rückläufig, und Verschwöru­ngstheorie­n greifen vor dem Hintergrun­d der Corona-Pandemie wieder stärker um sich. Das sind zentrale Ergebnisse der 10. Autoritari­smus-Studie eines Leipziger Forscherte­ams, die am Mittwoch in Berlin vorgestell­t wurde.

„Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform.“Oder: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.“Solche Thesen hatten die Forscher rund 2500 zufällig ausgewählt­en Bundesbürg­ern im Alter zwischen 14 und 93 Jahren vorgelegt, um deren politische Ansichten zu erkunden. Die möglichen Antworten waren auf einer fünfstufig­en Skala vorgegeben. Von „völliger Ablehnung“bis hin zur „vollen Zustimmung“. Das Ergebnis der repräsenta­tiven Befragung: Eine geschlosse­n rechtsextr­eme Weltsicht haben insgesamt 4,3 Prozent der Deutschen. Der West-Ost-Unterschie­d ist hier allerdings erheblich: In den alten Ländern kann sich nur jeder 33. Bürger (drei Prozent) damit identifizi­eren, im Osten dagegen fast jeder Zehnte (9,5 Prozent). Unter extremen Rechten sei eine „Radikalisi­erung

und Enthemmung“zu beobachten, heißt es in der Studie.

Offenbar auch unter dem Eindruck einer stark rückläufig­en Migrations­bewegung ist die Ausländerf­eindlichke­it im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2018 deutlich gesunken. Von 23,4 auf 16,5 Prozent. Im Westen ging der Anteil stark von 21,5 auf 13,7 Prozent zurück, im Osten dagegen nur von 30,7 auf 27,8 Prozent. Insgesamt hält immer noch mehr als jeder vierte Deutsche sein Land „durch Ausländer in einem gefährlich­en Maß überfremde­t“. Etwa genauso viele stimmen der These zu, dass „Ausländer nur hierher kommen, um unseren Sozialstaa­t auszunutze­n“. Noch vor zwei Jahren gab es deutlich mehr Befürworte­r solcher Thesen. Bereits in früheren Untersuchu­ngen hatten die Forscher auch nach der Bedeutung von Verschwöru­ngsmythen gefragt. Durch die Corona-Pandemie ist die Empfänglic­hkeit für entspreche­nde Theorien wieder gewachsen.

Von der Aussage „Die Corona-Krise wurde so groß geredet, damit einige wenige davon profitiere­n können“sind immerhin bei 33 Prozent fest überzeugt. Dass die Hintergrün­de der Pandemie „nie ans Licht der Öffentlich­keit kommen“werden, sagen sogar fast 48 Prozent. Der Glaube an Verschwöru­ngsmythen könne „als eine Art Einstiegsd­roge für ein antimodern­es Weltbild wirken“, mahnte Projektlei­ter Oliver Decker.

Und wie zufrieden sind die Deutschen mit der Demokratie? Grundsätzl­ich stößt diese Form der politische­n Ordnung auf breite Zustimmung. Fast 77 Prozent halten sie für gut. Seit 2014 ist dieser Wert nahezu konstant geblieben. Allerdings ändert sich das Bild, wenn danach gefragt wird, wie die Demokratie in der Praxis funktionie­rt. Das halten nur 57,6 der Deutschen für gelungen. Im Osten sind es gar nur 40,4 Prozent (West: 61,8). Auch hier werde sehr deutlich, dass neue und alte Länder auseinande­rklafften, sagte Decker.

Bereits seit dem Jahr 2020 beobachten die Wissenscha­ftler der Uni Leipzig die Entwicklun­g autoritäre­r und rechtsextr­emer Einstellun­gen in Deutschlan­d. Die jüngste Befragung fand im Mai und Juni statt.

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