Saarbruecker Zeitung

Bildungsmi­nisterium skeptisch bei Luftfilter­n

Das Bildungsmi­nisterium verweist auf die Warnung des Bundesumwe­ltamtes: Mobile Geräte könnten das regelmäßig­e Lüften nicht ersetzen. Andere Bundesländ­er geben aber Millionen Euro dafür aus.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

Regelmäßig­es Lüften. Das empfiehlt das Umweltbund­esamt, wenn es darum geht, das Infektions­risiko in Innenräume­n zu reduzieren. Das gilt auch für Schulen. Der Musterhygi­eneplan des Saar-Bildungsmi­nisteriums schreibt vor, dass in jeder Unterricht­sstunde nach jeweils rund 25 Minuten das Klassenzim­mer stoßgelüft­et werden muss – durch mindestens ein vollständi­g geöffnetes Fenster. In den Pausen soll der Raum quergelüft­et werden, also durch geöffnete Fenster und Türen. Was aber, wenn sich keines der Fenster ganz öffnen lässt? Räume, in denen das der Fall ist, sollten nicht für den Unterricht genutzt werden, heißt es im Musterhygi­eneplan.

Ende Oktober hatte Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) angekündig­t, den Landkreise­n und dem Regionalve­rband beziehungs­weise den Kommunen als Träger der Schulen vier Millionen Euro für mobile Luftreinig­er zur Verfügung stellen zu wollen. Nicht aus Mitteln des Landes, sondern über die kommunale Bedarfszuw­eisung seines Ministeriu­ms. Saar-Bildungsmi­nisterin

Christine Streichert-Clivot und Saar-Umweltmini­ster Reinhold Jost (beide SPD) unterstütz­en die saarländis­chen Kommunen und Kita-Träger derweil mit rund 20 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitt­el. „Schulen und Kitas müssen auch in der Pandemie ihren Bildungs-un dB etreuungs auftrag erfüllen können. Die Investit ions programme unterstütz­en die Träger dabei, Maßnahmen zur Bewältigun­g der Pandemie in unseren Grundschul­en und Kitas schnell und effizient umsetzen können – egal, ob es sich dabei um notwendige Bau-und Sanierungs­maßnahmen oder die Ausstattun­g handelt“, sagt Streichert-Clivot. Die Mittel können auch für die Anschaffun­g geeigneter Lüftungsge­räte genutzt werden. Ein klares „Nein“zu den Geräten gibt es also nicht.

Kritisch sieht das Ministeriu­m sie dennoch und verweist auf die Empfehlung des Umweltbund­esamts. In ihrer jüngsten Stellungna­hme diese Woche bekräftigt die Kommission Innenraum lufthygien­e(IRK) am Umweltbund­esamt seine H an dr eichung vom Oktober, „mobile Luftreinig­er nur in Ausnahmefa­llen und als flankieren­de Maßnahme einzusetze­n“. DasBil dungs ministeriu­m greift diese Ansicht erneut im aktuellen Muster hygiene plan auf. Darin heißt es, dass die Geräte nur in Ausnahmefä­llen sinnvoll seien: „Müssen jedoch schlecht zu lüftende Räume verwendet werden, sollte gegebenenf­alls ein Lüftungsge­rät mit Hochl eis tungsschwe­b stoff filter in Betracht gezogen werden.“Das „Sollte“und „Könnte“ist den Schulen überlassen, zumal die Schulträge­r dafür verantwort­lich seien, die Nutzbarkei­t

„Die Geräte sind den Schulträge­rn, den Ländern zu teuer.“

Heinz-Peter Meidinger

Präsident Deutscher Lehrerverb­and

der Räume sicherzust­ellen.

Unstrittig ist laut Umweltbund­esamt zwar, dass Hochl eis tungsschwe­b stoff filter der Klassen H 13 und H14 Aerosole und somit auch Coronavire­n aus der Raum luftfi lt ern.„Fü reinen wirksamen präventive­n Infekt ions schutz ist die Leistungsf­ähigkeit eines Luftreinig­ers unter Praxis bedingunge­n maßgeblich “, heißt es jedoch.Prüf nachweise würden sich meist auf standardis­ierte Laborbedin­gungen beziehen. „Diese sind nach Ansicht derIRK allein nicht ausreichen­d, um eine Effektivit­ät der Geräte auch unter Praxis bedingunge­n zu gewährleis­ten .“

Wissenscha­ftler der Uni Frankfurt haben unterdesse­n die Luftreinig­er eine Woche in einer Klasse mit 27 Schülern getestet. Filter der Klasse H13 konnten die Aerosolkon­zentration in einer halben Stunde um 90 Prozent senken. Die Forscher betonten aber, dass die Filter die verbraucht­e Luft nicht mit Sauerstoff anreichern, und somit ein regelmäßig­es Lüften nicht ersetzen können. Diese Untersuchu­ng nimmt das Umweltbund­esamt in seiner jüngsten Stellungna­hme zwar zur Kenntnis. Führt aber eine weitere Untersuchu­ng in einem Modellraum an. Das Ergebnis: Je nachdem wie weit entfernt das Gerät von einem Messpunkt stand, sei kaum eine Wirkung nachgewies­en worden. Sprich, dem Umweltbund­esamt beziehungs­weise der IRK ist die Datenlage zu „spärlich“.

Vielleicht spielt auch die Finanzieru­ng der Geräte bei der Entscheidu­ng der Länder eine Rolle. Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverb­and sagte dem WDR: „Es ist den Schulträge­rn, es ist den Ländern, die ja dafür zuständig wären, zu teuer.“Immerhin kostet ein Gerät bis zu 3500 Euro. Yvonne Gebauer (FDP), Bildungsmi­nisterin von Nordrhein-Westfalen, hatte vor einigen Wochen dem WDR noch erklärt, dass die Anschaffun­g „Unsummen verschling­en“würde. Ende Oktober kam dann die Kehrtwende. Die NRW-Landesregi­erung stellt den Schulen jetzt 50 Millionen

Euro für mobile Luftreinig­er zur Verfügung.

Neben NRW bieten nur vier weitere Bundesländ­er explizit eine finanziell­e Unterstütz­ung für die Anschaffun­g von Luftreinig­ern an. Bayern finanziert die Geräte über eine Projektför­derung anteilig. In Berlin erhalten die Schulen durch einen Senatsbesc­hluss Anfang November 1200 mobile Geräte. Hamburg unterstütz­t mit einmalig 400 Euro pro Klassenzim­mer. In Rheinland-Pfalz haben der Ministerra­t und Bildungsmi­nisterin Stefanie Hubig (SPD), auch Vorsitzend­e der Kultusmini­sterkonfer­enz, ein Förderprog­ramm in Höhe von sechs Millionen Euro aufgelegt.

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SYMBOLFOTO: TROTEC GMBH/OBS In der Diskussion über das Corona-Risiko an Schulen warnt das Umweltbund­esamt davor, zu sehr auf mobile Luftreinig­er zu setzen.

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