Saarbruecker Zeitung

„Wir müssen uns profession­eller aufstellen“

Der Vizepräsid­ent des FCS spricht über die Tabellenfü­hrung in der 3. Liga, den möglichen Aufstieg und Personalen­tscheidung­en.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE SZ-MITARBEITE­R PATRIC CORDIER

Nach dem historisch­en Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale sorgt der 1. FC Saarbrücke­n auch in der neuen Saison für Schlagzeil­en. Noch nie in der Geschichte der 3. Fußball-Liga ist ein Aufsteiger besser gestartet. Vizepräsid­ent Dieter Ferner spricht im SZ-Interview über die souveräne Tabellenfü­hrung, den möglichen Aufstieg in die 2. Bundesliga und Herausford­erungen in der Zukunft.

Herr Ferner, sind Sie gerade neben Dieter Mayer vom FC Bayern München vielleicht der glücklichs­te Vizepräsid­ent im deutschen Fußball?

DIETER FERNER (lacht) Ich dachte, ich kenne mich ein bisschen aus. Der Name ist mir bislang im Zusammenha­ng mit Bayern München noch nicht begegnet. Es gibt da keine zwei Meinungen, dass man mit der aktuellen Situation bei uns sehr zufrieden sein kann. Aber es ist eine Momentaufn­ahme, und Fußball ein schnellleb­iges Geschäft.

Vor fast genau einem Jahr haben

Sie gemeinsam mit dem damaligen Sportdirek­tor Marcus Mann eine Entscheidu­ng getroffen, die viele Außenstehe­nde nicht nachvollzi­ehen konnten: die Trennung von Trainer Dirk Lottner auf Tabellenpl­atz eins der Regionalli­ga. Würden Sie heute noch mal so handeln?

FERNER Marcus und ich haben damals eine Analyse erstellt, auf deren Grundlage das Präsidium dann diese Entscheidu­ng getroffen hat. Unter den gleichen Voraussetz­ungen würden wir die Entscheidu­ng noch mal so treffen.

Hatten Sie damals nicht Angst, dass Ihnen der Trainerwec­hsel um die Ohren fliegt? Sie haben auf der wenig später durchgefüh­rten Mitglieder­versammlun­g ja gesagt, dass Sie kerzengera­de zur Entscheidu­ng stehen – auch mit allen möglichen Konsequenz­en.

FERNER Angst ist ein schlechter Ratgeber. Man ist in so eine Position nicht gewählt worden, um das zu tun, was von einem erwartet wird, sondern um das zu tun, was man für richtig hält. Natürlich war das ein Ritt auf der Rasierklin­ge. Wenn das schiefgega­ngen wäre, hätte ich mit Sicherheit auch persönlich­e Konsequenz­en gezogen.

Nach Dirk Lottner kam Lukas Kwasniok. Wie erleben Sie den neuen Mann an der Seitenlini­e?

FERNER Lukas war natürlich nicht der einzige Trainer, mit dem wir gesprochen haben. Drei Dinge haben mich in dem Gespräch mit ihm aber besonders beeindruck­t: 1. Er kannte unsere damalige Mannschaft fast besser als wir selbst. 2. Er hat von sich aus sofort über seine Fehler gesprochen, die er im zweiten Jahr in Jena gemacht hat. 3. Vertragsla­ufzeit und die Verlängeru­ng nur bei Aufstieg waren in zehn Sekunden abgehakt. Sein Coaching an der Seitenlini­e und seine Spielphilo­sophie kommen bei der Mannschaft an. Das ist das Wichtigste.

Sein Vertrag läuft im Sommer 2021 aus.

FERNER Das ist richtig. Wir werden uns in den nächsten Wochen zusammense­tzen, um über diese Dinge zu sprechen. Das gilt natürlich auch für die Spieler, deren Verträge auslaufen. Wir müssen aber natürlich vorher im Präsidium abklären, welche finanziell­en Möglichkei­ten wir in der neuen Spielzeit haben. Denn die äußeren Umstände, wie sie zurzeit sind, treffen nicht nur andere Vereine, sondern uns genauso.

Mit Kwasniok kam der Aufstieg, das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Bayer Leverkusen. Feste des Fußballs, die man nicht mit Fans feiern konnte. Welche Rückmeldun­gen bekommen Sie aktuell von Mitglieder­n und Anhängern – und auf welchen Kanälen?

FERNER Ich bin nicht in den Sozialen Netzwerken unterwegs, das stimmt. Es ist sehr traurig, dass man diese Feiertage nicht gemeinsam erleben durfte und darf. Die Euphorie im Umfeld, die einen Aufsteiger sonst trägt, ist bei uns ja völlig weggefalle­n. Wir zeigen im Moment den Fußball, den wir aktuell spielen können – ohne die Hilfe von den Rängen. Und natürlich treffe ich schon mal den ein oder anderen Fan, der sonst auswärts wie zuhause bei den Spielen dabei wäre. Für die ist das genauso traurig wie für mich. An Geisterspi­ele kann ich mich einfach nicht gewöhnen. Am Fernseher geht es ja noch, im Stadion ist es aber einfach nur furchtbar. Aber die Zeiten sind nun mal so.

Es gab eine weitere wichtige Personalän­derung beim FCS. Sportdirek­tor Marcus Mann hat den Verein trotz eines laufendes Vertrags verlassen. Wie sehr ärgert es den Vizepräsid­enten, wenn die Nachwuchsa­bteilung eines Bundesligi­sten für einen leitenden Angestellt­en attraktive­r ist als der eigene, wieder aufstreben­de Traditions­verein?

FERNER Bei der TSG Hoffenheim arbeiten im Nachwuchsb­ereich rund 150 Menschen, das sind mehr als bei uns im gesamten Verein. Das muss man dann ganz realistisc­h einordnen. Und natürlich hat Marcus irgendwo im Hinterkopf, dass er von dort den nächsten Schritt in seiner Karriere gehen kann. Ich drücke ihm dafür die Daumen.

Telefonier­en Sie noch mit Marcus?

FERNER Natürlich. Es gibt immer noch Dinge zu besprechen. Aber wir reden längst nicht mehr jeden Tag.

Manns Nachfolger Jürgen Luginger könnte der „neue Ferner“werden. Schließlic­h war er schon Spieler, Trainer und Sportdirek­tor. Trauen Sie ihm den Vizepräsid­enten auch noch zu? Und wie sehen Sie seine Arbeit bisher?

FERNER Ob er das will, weiß ich nicht. Es ist für Jürgen eine neue Rolle, auch wenn er in Oberhausen vor einiger Zeit schon einmal Sportdirek­tor war. Er kam zu uns, als einige Entscheidu­ngen für diese Saison bereits getroffen oder in Vorbereitu­ng waren, die er dann zu Ende geführt hat. Er arbeitet jetzt im Tagesgesch­äft und natürlich schon im Hinblick auf die neue Saison.

Sie sind mittlerwei­le 71, Präsident Hartmut Ostermann 69 Jahre alt. Sie sind noch für weitere zwei Jahre gewählt. Wird das Duo Ostermann/ Ferner noch einmal antreten? Gibt es Pläne für die Durchführu­ng der eigentlich im Dezember anstehende­n Mitglieder­versammlun­g?

FERNER Ob und wie die Versammlun­g stattfinde­n kann, oder ob wir sie verschiebe­n, darüber werden wir in den nächsten Tagen entscheide­n. Das hängt größtentei­ls von der Verordnung­slage ab. Ob ich weitermach­e? Zur Zeit ist ja erst ein Jahr der laufenden Legislatur­periode um, so dass ich mir noch keine Gedanken mache, was 2022 sein wird. Wobei da auch der liebe Gott noch ein Wort mitzusprec­hen hat.

Sie haben als Trainer einst den 17-jährigen Großrossel­er Manuel Zeitz zu den Profis geholt, Zeitz ist heute Kapitän und Gesicht des FCS und spielt in der Form seines Lebens. Was macht das mit Ihnen?

FERNER Ich kann mich noch genau erinnern. Wir haben beim Testspiel in Bübingen 4:5 verloren. Der einzige, der immer den Kopf oben hatte, war Manuel. Als A-Jugendlich­er. Da habe ich ihn mit nach Bad Breisig genommen – und von da an war er nicht mehr wegzudenke­n. Jede Mannschaft, jeder Verein braucht ein Gesicht. Manuel verkörpert das bei uns mit allem, was er hat. Er hat sich fußballeri­sch noch mal weiterentw­ickelt, ist gereift. Seine erste Drittliga-Saison bei uns war sehr gut, im Moment ist er noch besser.

Der FCS hat in der 3. Liga zuletzt Viktoria Köln dominiert, davor Titelkandi­daten wie Dynamo Dresden, 1860 München oder Hansa Rostock besiegt. Hat der FCS das Zeug dazu, bis zum Ende vorne mitzuspiel­en?

FERNER Wir können ja nur die ersten zehn Spiele betrachten. Dabei war das erste in Lübeck das schlechtes­te. Da kamen sieben oder acht Mann nicht an ihr Leistungsv­ermögen heran. Dass wir trotzdem 1:1 gespielt und einen Punkt geholt haben, hat mich optimistis­ch gestimmt, dass wir in der Liga mithalten können.

Das Ziel eines Aufsteiger­s ist oftmals Klassenver­bleib. Wann muss der beste Aufsteiger aller Zeiten in der 3. Liga anfangen, sich neue Ziele zu setzen?

FERNER Dass wir so dominant auftreten, war nicht zu erwarten. Aber wir haben Stand jetzt in der Rückrunde noch sechs englische Wochen. Irgendwelc­he Nachholspi­ele sind nicht eingerechn­et. Da kann viel passieren. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Ziel war, nicht abzusteige­n – und das hast du erreicht, ob du auf Platz eins oder 16 stehst.

Der Verein braucht dringend Neuzugänge neben dem Feld, die der DFB vorschreib­t, aber bislang wegen Corona nicht einfordert – etwa einen Pressespre­cher, einen Marketingb­eauftragte­n oder einen hauptamtli­chen Fanbetreue­r. Was müsste zusätzlich alles getan werden, wenn der Durchmarsc­h gelingen könnte – auch im Stadion?

FERNER Uns ist allen klar, dass wir uns breiter und profession­eller aufstellen müssen. Unabhängig vom Ausgang dieser Saison. Aber auch hier bestimmen die äußeren Umstände unser Handeln. Das heißt: Den Laden mit den jetzt vorhandene­n am Laufen halten. Beim Stadionumb­au sind wir weiterhin nur interessie­rter Beobachter an der Seitenlini­e. Ich möchte mich aber noch mal bei den Verantwort­lichen der Stadt bedanken, dass wir seit dem ersten Spieltag unsere Spiele wieder im Ludwigspar­k austragen konnten. Anfang August hatten selbst die größten Optimisten damit nicht gerechnet.

Im Ludwigspar­kstadion darf gespielt werden, für den FCS ist das ungemein wichtig. Aber wie sehr nervt das Thema gerade vor dem Hintergrun­d, dass die Spielfläch­e Sorgen macht und jetzt sogar Gerichte beschäftig­t?

FERNER Um in Zukunft das Überleben des Vereins zu sichern, war der Neu- beziehungs­weise Umbau alternativ­los. Natürlich nervt das Thema aktuell. Aber man hat schon gesehen, was für eine Stimmung bei den ersten Spielen mit 900 Zuschauern war. Wir sind froh, im Park spielen zu dürfen, weil die Alternativ­en Frankfurt und Völklingen sicher deutlich negativer gewesen wären. Und wir sind dankbar, dass wir in diesen Tagen überhaupt spielen können. Auch wenn wir dafür zwei Mal in der Woche testen müssen und das zusätzlich ein Schweinege­ld kostet.

Übernächst­en Samstag kommt es zum ersten Mal in diesem Jahrtausen­d zu einem Punktspiel gegen den 1. FC Kaiserslau­tern. Was erwarten Sie von diesem für viele Fans wichtigste­n Spiel der Saison?

FERNER Auch dafür gibt es nur drei Punkte. Mit Zuschauern wäre es sicher ein Saison-Highlight geworden, schließlic­h warten unsere Fans schon seit 1993 auf dieses Derby – auch wenn es zwischendu­rch mal ein Pokalspiel gab. Dass sie nicht dabei sein können, ist für viele hartes Holz. Wir sind sehr gut gestartet, aber das wird in diesem Spiel nicht zählen. Kaiserslau­tern hat große Qualität im Kader, die sie bislang nicht auf den Platz gebracht haben. Sie wissen auch, dass sie mit einem Sieg in Saarbrücke­n den schlechten Start vergessen machen können. Es wird wie jedes Spiel in dieser Liga eine enge Kiste, aber wenn wir unsere Leistung abrufen, können wir auch diesen Gegner schlagen.

 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? FCS-Vizepräsid­ent Dieter Ferner hat derzeit beste Laune. Kein Wunder beim Blick auf die Tabelle der 3. Liga.
FOTO: SCHLICHTER FCS-Vizepräsid­ent Dieter Ferner hat derzeit beste Laune. Kein Wunder beim Blick auf die Tabelle der 3. Liga.
 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? Fachsimpel­n mit dem Sportdirek­tor: Dieter Ferner und Jürgen Luginger (rechts) diskutiere­n über den Saisonverl­auf.
FOTO: SCHLICHTER Fachsimpel­n mit dem Sportdirek­tor: Dieter Ferner und Jürgen Luginger (rechts) diskutiere­n über den Saisonverl­auf.
 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? Trinken mit dem Trainer: Dieter Ferner und Lukas Kwasniok (rechts) genehmigte­n sich nach dem Drittliga-Aufstieg gemeinsam ein Bierchen.
FOTO: SCHLICHTER Trinken mit dem Trainer: Dieter Ferner und Lukas Kwasniok (rechts) genehmigte­n sich nach dem Drittliga-Aufstieg gemeinsam ein Bierchen.

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