Tödliches Feuer in Saarbrücken: Strafe für Ex-Hausbesitzer
Das verheerende Feuer in der Saarbrücker Saaruferstraße forderte 2017 vier Todesopfer. Nun stand der damalige Hauseigentümer vor Gericht.
(dpa) Nach einem Feuer in einem Saarbrücker Wohnund Geschäftshaus mit mehreren Toten hat das Landgericht den damaligen Eigentümer wegen fahrlässiger Tötung zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht rügte Brandschutzmängel. Außerdem muss er 100 000 Euro zahlen. Bei dem Brand im Dezember 2017 wurden vier Menschen durch Rauchgase getötet, drei weitere verletzt.
Christian S. will seinen Lebenslauf vorlesen. Doch der Angeklagte kommt nicht weit, er kämpft mit den Tränen. Dabei ist der 38-Jährige längst noch nicht bei dem Ereignis angekommen, das ihn an diesem Mittwoch vor ein Schwurgericht gebracht hat.
Knapp drei Jahre sind vergangen, seit bei einem Brand in der Saaruferstraße in Saarbrücken vier Menschen starben, noch mehr wurden zum Teil schwer verletzt. Das Mehrparteienhaus gehörte damals Christian S., einem gelernten Maurer. Die Staatsanwaltschaft hat den Hauseigentümer aufgrund von Brandschutzmängeln wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen in vier und fahrlässiger Körperverletzung in drei weiteren Fällen angeklagt. „Herr S. ist zum ersten Mal bei Gericht“, springt ihm Joachim Giring, sein Verteidiger, zur Seite, als der Angeklagte ins Stocken gerät.
Nach sechseinhalb Stunden verurteilt das Gericht seinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung. Darüber hinaus muss S. eine Geldauflage von insgesamt 100 000 Euro zahlen. Ein Viertel der Summe geht an einen seiner früheren Mieter, der im Dezember 2017 aus seiner Wohnung im dritten Stock gesprungen war, um sich vor den Flammen zu retten. Einen Todesfall aus der Anklage ließen die Richter nach der Beweisaufnahme außen vor. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, weil alle Beteiligten auf weitere Rechtsmittel verzichteten.
Giring nahm für den früheren Hauseigentümer S. in Anspruch, sich bei der Aufklärung des tödlichen Brandes niemals „quergestellt“zu haben, „er war kooperativ“, sagt der Rechtsanwalt, „teilweise zu kooperativ“. Damit meint der Strafverteidiger, dass S. als Vermieter sogar bei der Identifizierung der Toten half. Und dass er die schwierige Frage, welches genaue Maß an Schuld ihm zufällt, nicht über mehrere Instanzen hinweg durch Gerichte klären lassen wollte. „Die Verantwortung sieht er, der Verantwortung stellt er sich auch“, sagte der Anwalt. Als ihm das Gericht zum Schluss noch einmal zu Wort kommen lässt, erklärt der Angeklagte: „Auch für mich war es schlimm, dass die Leute gestorben sind, ich habe sie ja alle gekannt.“
Eine Mieterin hatte das Feuer in
Christian S.
dem Nachkriegsbau an der Stadtautobahn gelegt, in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung im ersten Stock ein Kopfkissen mit Feuerzeugbenzin angezündet. Danach verließ sie das Haus, die Tür zu ihrem Appartement ließ sie angeblich offen stehen. „Nach kurzer Zeit brannte es lichterloh“, sagt Oliver Krämer, der Vertreter der Staatsanwaltschaft, am Mittwoch vor dem Saarbrücker Landgericht. Die Frau wurde 2018 zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt. Doch schon früh hatten sich die Ermittler auch für den Hauseigentümer interessiert. Denn: Dass sich todbringende Rauchgase in dem Gebäude blitzschnell ausbereiteten, das Treppenhaus dabei „wie ein Kamin“wirkte, wie ein Gutachter am Mittwoch erklärte, soll am mangelhaften Brandschutz gelegen haben. „Wenn der Brandschutz in Ordnung gewesen wäre, bin ich mir sicher, dass es zumindest zu drei von vier Toten nicht gekommen wäre“, sagte der Sachverständige Ludger Siepelmeyer.
So fehlte im Treppenhaus des sechsgeschossigen Hauses der eigentlich vorgeschriebene Rauchabzug, die Türen zu den Fluren hatten verschiedene Defekte. „Das stimmt“, räumte der Angeklagte vor Gericht ein. An den Rauchabzug habe er nie gedacht, die Türen „leider einfach nicht auf dem Schirm gehabt“, sagte er. „Das war keine Absicht.“Hätte es der Hauseigentümer besser wissen müssen?
Die Staatsanwaltschaft ging in ihrer Angklageschrift davon aus, dass
S. gewusst habe, was zum Schutz der Mieter zu tun gewesen wäre. „Der Angeklagte war oft in diesem Gebäude, er ist in der Gebäudewirtschaft fest etabliert“, sagte Staatsanwalt Krämer in seinem Plädoyer. Tatsächlich besitzt S. eine Reihe von Mietshäusern in den Saarbrücker Stadtteilen Malstatt und Burbach, die mittlerweile für 3,3 Millionen Euro verkaufte Immobilie in der Saaruferstraße war mit 42 Kleinwohnungen sein größtes Objekt.
Die Verteidigung hielt der Anklage entgegen, dass es seitens der Baubehörden niemals Beanstandungen beim Brandschutz gegeben habe – trotz mehrerer Gelegenheiten. In den Sechzigerjahren war das Anwesen in der Innenstadt zu einem Wohnhaus umgebaut worden, schon damals hätte es laut Vorschriften einen Rauchabzug im Treppenhaus geben müssen. 2012 kam es in einer Wohnung zu einer Verpuffung, die auch die Untere Bauaufsicht auf den Plan rief. Daher nahm die Polizei nach dem Brand auch die Behörde, frühere Bauherren und Architekten ins Visier. „Niemand hat etwas gesagt, das ist ja das, was mich fassungslos macht“, erklärte der langjährige Vermieter in der Verhandlung. „Das wäre finanziell ja keine Riesensache gewesen.“Sein Verteidiger warf die Frage auf, ob ein „Eigentümer es besser wissen muss als die Behörde“, was Staatsanwalt Krämer nicht gelten ließ, es gebe „keinen Freibrief“. Er sagte: „Als Hauseigentümer ist er verpflichtet, für den Brandschutz auch Sorge zu tragen.“Dem folgte das Gericht.
„Auch für mich war es schlimm, dass die Leute gestorben sind, ich habe
sie ja alle gekannt.“
Angeklagter