Saarbruecker Zeitung

„AfD entwickelt sich zur NPD 2.0“

Der Parlaments­geschäftsf­ührer der Union fordert nach Störaktion im Bundestag härtere Strafen.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE HAGEN STRAUSS

Die rechten Aktionen im Reichstag während der Debatte über das Infektions­schutzgese­tz in der letzten Woche wirken nach. Gegen die beteiligte­n Abgeordnet­en, die die Störer ins Parlament ließen, verhängte die AfD-Fraktion nun Strafmaßna­hmen. CDU/CSU reicht das aber nicht. Der Bundestag müsse seinerseit­s Strafen verschärfe­n, so der aus der Eifel stammende Parlaments­geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Patrick Schnieder (CDU), im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Schnieder, die AfD hat den an den Störaktion­en beteiligte­n Abgeordnet­en das Rederecht für drei Monate entzogen. Reicht ihnen das?

SCHNIEDER Ich halte das für Augenwisch­erei. Genauso wie die Entschuldi­gung von Herrn Gauland im Bundestag. Die Abgeordnet­en haben gewusst, wen sie in den Reichstag hineinschl­eusen und welche Ziele diese Leute verfolgen. Es gab Ankündigun­gen im Netz und Videos, die inzwischen gelöscht wurden. Das ist nicht glaubwürdi­g.

Was hätten Sie denn erwartet?

SCHNIEDER Provoziere­n und danach zurückrude­rn, die AfD macht genau was ich von ihr erwartet habe. Die AfD hat sich jetzt aber selbst die Maske vom Gesicht gerissen. Diese Partei hat ihre Handlanger dafür, ganz offen Abgeordnet­e zu bedrängen, zu bedrohen und einzuschüc­htern. Und die AfD hat keine Skrupel, diesen Handlanger­n die Tür in den Bundestag zu öffnen. Seit die Partei im Bundestag ist, radikalisi­ert sie sich; es gibt nur noch vereinzelt so etwas wie eine bürgerlich­e Fassade. Ich sehe es so wie viele: Die AfD entwickelt sich zu einer NPD 2.0.

Wie soll der Bundestag darauf reagieren? Sie sind ja auch Mitglied im Ältestenra­t.

SCHNIEDER Wir dürfen nicht zulassen, dass Nötigung oder gar Gewalt zum Mittel der parlamenta­rischen Auseinande­rsetzung im Bundestag werden, wir müssen das Parlament schützen. Dafür werden wir auch mögliche Lücken in der Geschäftso­rdnung und dem Abgeordnet­engesetz schließen. Denn mit vielen Dingen, die hier im Hohen Hause seit einiger Zeit passieren, haben wir Demokraten nicht gerechnet.

Was meinen Sie konkret?

SCHNIEDER Ich plädiere dafür, die Vorgabe in der Geschäftso­rdnung des Bundestage­s zu kippen, durch die jede Fraktion einen Anspruch auf den Posten eines Vizepräsid­enten hat. Die sogenannte Grundmanda­tsklausel

muss weg. Als Unionsfrak­tion haben wir diese Regelung schon bei der Einführung 1994 kritisiert und auf Probleme hingewiese­n. Außerdem müssen wir die Sanktionen bei Fehlverhal­ten von Abgeordnet­en nachbesser­n.

Welche schweben ihnen da vor?

SCHNIEDER Abgeordnet­e, die Störern mithelfen, müssen mit Konsequenz­en rechnen. Im aktuellen Fall können wir die AfD-Parlamenta­rier nur dann zur Rechenscha­ft ziehen, wenn die Personen, die sie in den Bundestag gelassen haben, auch Straftaten begangen haben. Das wird derzeit geprüft. Dann könnte Beihilfe vorliegen. Wir müssen ein solches Verhalten zugleich über die Geschäftso­rdnung und das Abgeordnet­engesetz sanktionie­ren können. Mit hohen Ordnungsge­lder und Ausschluss von Plenarsitz­ungen. Es muss schmerzen, wenn man sich so verhält.

An diesem Donnerstag steht wieder ein AfD-Kandidat für das Amt des Bundestags­vizepräsid­enten zur Wahl. Er hat keine Chance, oder?

SCHNIEDER Null Chance. Ich habe mir anfänglich immer überlegt, ob es jemanden in der AfD-Fraktion gibt, der grundsätzl­ich für dieses wichtige Amt wählbar ist. Damit das Thema endlich abgeräumt ist. Mir ist mittlerwei­le klar, es gibt keinen. Da ist eine Truppe zusammenge­kommen, die den demokratis­chen Konsens verlassen hat.

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FOTO: GATEAU/DPA Patrick Schnieder bei einer Rede im Bundestag. Der Parlaments­geschäftsf­ührer der Union sieht die AfD außerhalb des demokratis­chen Konsenses.

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