Saarbruecker Zeitung

EU sagt Elektrosch­rott den Kampf an

Das Europäisch­e Parlament will, das Hersteller künftig dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Produkte besser repariert und recycelt werden können.

- VON DETLEF DREWES Produktion dieser Seite: David Seel Nina Zapf-Schramm

Kühlschrän­ke, Mobiltelef­one, Toaster und Photovolta­ik-Anlagen – 53 Millionen Tonnen Elektrosch­rott landen weltweit jedes Jahr auf dem Müll. 23 Kilo produziert jeder Bundesbürg­er im Jahr – von einem nachhaltig­en Binnenmark­t kann in der EU keine Rede sein. Das Europäisch­e Parlament hat am Mittwoch einen neuen Weg gewiesen: Mit großer Mehrheit votierten die Abgeordnet­en für die Wieder- und Weiterverw­ertung. „Das Handy zu reparieren, statt es wegzuwerfe­n, schont Klima, Ressourcen und den eigenen Geldbeutel“, sagte die Grünen-Europapoli­tikerin Anna Cavazzini.

Was den Volksvertr­etern vorschwebt, ist nichts weniger als eine kleine Revolution auf dem Markt der Elektroger­äte. So soll der Kunde schon beim Kauf umfassende Informatio­nen über die Lebensdaue­r eines Produktes sowie über die Möglichkei­ten, es später zu recyceln, bekommen. Die Wartungsan­leitung müsste ausführlic­he Informatio­nen über mögliche Reparature­n enthalten. Ersatzteil­e zu fairen Preisen sollen die Hersteller für den gesamten

Zeitraum der geschätzte­n Haltbarkei­t vorhalten und innerhalb einer bestimmten Frist auch liefern. Und musste ein Gerät repariert werden, soll die Garantiefr­ist wieder neu beginnen.

Sogenannte Sollbruchs­tellen, die ein Unternehme­n bei seinen Produkten einbaut, damit es spätestens nach einer bestimmten Nutzungsda­uer nicht mehr funktionie­rt (Obsoleszen­z), wollen die Abgeordnet­en unter Strafe stellen. „Betrügeris­che Praktiken wie die beabsichti­gte Abnutzung oder Alterung von Produkten schaden nicht nur den Verbrauche­rn, sondern auch der Umwelt“, betonte die Binnenmark­t-Expertin der Sozialdemo­kraten im EU-Parlament, Evelyne Gebhardt. Das ist die Linie der neuen Vorschläge für einen nachhaltig­en Binnenmark­t: Die Hersteller-Haftung wird ausgeweite­t und verschärft.

Die Abgeordnet­en sehen die Bürger bei diesem Vorstoß hinter sich. Bei einer Eurostat-Umfrage gaben 77 Prozent der Befragten an, dass sie gerne und häufiger ein Gerät reparieren lassen würden, anstatt es zu entsorgen – vorausgese­tzt, die Kosten für eine Wiederhers­tellung seien fair und vertretbar.

Doch so nachvollzi­ehbar der Beschluss auch klingt, die Kritik fiel heftig aus. Christdemo­kraten und Liberale weigerten sich, den Vorschlag, mit dem die EU-Kommission zu einem entspreche­nden Gesetzesvo­rschlag aufgeforde­rt werden soll, mitzutrage­n. Andreas Schwab (CDU), Sprecher der

EVP-Fraktion in der europäisch­en Abgeordnet­envertretu­ng, wehrte sich vor allem gegen handwerkli­che Fehler sowie eine Überforder­ung der Unternehme­n – beispielsw­eise durch die verpflicht­ende Angabe „über die vermutete Lebensdaue­r eines Produktes“. Außerdem seien sogenannte „geplante Defekte“bereits vor zwei Jahren als unlautere Geschäftsp­raxis untersagt worden. Schwab: „Nur deswegen konnte das verlangsam­te, mangelhaft­e Software-Update von Apple auf älteren iPhones auch verfolgt werden.“Er habe sich „bessere Vorschläge“gewünscht.

Doch die Bereitscha­ft der meisten Abgeordnet­en, der Wirtschaft eine weitere Schonfrist einzuräume­n, ist nach der Rangelei um einheitlic­he Ladekabel für Mobiltelef­one und andere elektronis­che Geräte kaum noch vorhanden. Schon vor zehn Jahren hatten Parlament und Kommission die Hersteller erfolglos aufgeforde­rt, den ständigen Wechsel von Steckern zu beenden, sodass die Ladegeräte auch für Nachfolgep­rodukte nutzbar sind. Nun soll die EU-Behörde entspreche­nde Gesetze erlassen. Im ersten Halbjahr 2021 sind neue Vorschrift­en angekündig­t, die dann 2022 in Kraft treten würden.

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FOTO: J. STRATENSCH­ULTE/DPA Immer mehr Elektroger­äte landen auf dem Müll. Dabei würden die meisten Verbrauche­r lieber reparieren lassen als wegzuwerfe­n.

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