Saarbruecker Zeitung

Konferenz zu Völkermord-Gedenken

- Produktion dieser Seite: Esther Brenner, Sophia Schülke Dietmar Klosterman­n

(dpa) Erinnern ist immer subjektiv, aber kollektive Erinnerung ist wichtig für Demokratie und Frieden – beide Seiten hat am Mittwoch eine Online-Konferenz des Landtags Rheinland-Pfalz über das Völkermord-Gedenken in Deutschlan­d, Israel und Rheinland-Pfalz betrachtet. Auf die Frage nach der für immer bleibenden Bedeutung von Erinnerung­skultur gab Noa Mkayton von der Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem die Antwort mit Blick auf die NS-Verbrechen: „Neben dem Genozid planten sie auch den Memozid, den Gedächtnis­mord.“

In einer Zeit von zunehmende­m Antisemiti­smus, Rechtsextr­emismus, Menschenfe­indlichkei­t und Rassismus sei es besonders aktuell, aktiv daran zu erinnern, wozu Hass in der Vergangenh­eit geführt habe, sagte Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD). Es sei entsetzlic­h, wenn bei den jüngsten Demonstrat­ionen gegen Corona-Maßnahmen Teilnehmer mit einem Davidstern erschienen seien. Dazu stellte Landtagspr­äsident Hendrik Hering (SPD) zu Beginn der Tagung die Frage: „Haben wir genug gemacht, haben wir genügend Menschen angesproch­en oder hat zu viel in exklusiven Veranstalt­ungen stattgefun­den?“

Dem Eindruck, dass das Holocaust-Gedenken zu einer Pflichtübu­ng elitärer Kreise geworden sei, widersprac­h Bildungsmi­nisterin Stefanie Hubig (SPD): Schülerinn­en und Schüler seien nach einem Gespräch mit Zeitzeugen des Massenmord­s an den Juden zutiefst berührt. Hubig sprach sich dafür aus, neue Formate des Gedenkens zu entwickeln. Erinnerung­sarbeit müsse über Buchwissen hinausgehe­n und in lebensnahe­n Projekten gestaltet werden. Jede Generation entwickle ihre eigene kollektive Erinnerung, und diese könne auch politisch instrument­alisiert werden, gab der der israelisch­e Historiker Moshe Zimmermann zu bedenken. So hätten Palästinen­ser und Araber in Israel ein Problem mit der Geschichte der Shoa, des Massenmord­s an den Juden, und sie stellten aufgrund eigener Erfahrunge­n im Staat Israel die Frage: „Wieso sind wir die Opfer der Opfer der Shoa?“Die an der Internatio­nalen Schule für Holocaust-Studien von Yad Vashem tätige Wissenscha­ftlerin

Noa Mkayton sagte dazu, Instrument­alisierung von Gedenken sei immer möglich. „Aber es gibt auch eine breite Gesellscha­ft, die sich dagegen verwahrt.“

In einem bewegenden Vortrag zum Völkermord von 1994 in Ruanda zeigte die in Düsseldorf lebende ruandische Soziologin Esther Mujawayo-Keiner Fotos von Opfern in ihrer eigenen Familie. „Das sind keine Zahlen, es sind Menschen.“Auch seien die Täter keine Verrückten, keine Barbaren gewesen. Das Erinnern habe die Aufgabe, frühzeitig darauf zu achten, dass sich solche Gewalt nie wiederhole­n dürfe. Lewentz würdigte es als beispielha­ft, dass in Ruanda gleich nach dem Völkermord an Angehörige­n der ethnischen Gruppe der Tutsi in jedem Dorf damit begonnen worden sei zu fragen: Was ist passiert, wer ist verantwort­lich, wie können wir uns aussöhnen? Hingegen habe es in Deutschlan­d nach 1945 Jahrzehnte gedauert, bis in der breiten Öffentlich­keit über den Holocaust gesprochen worden sei.

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