Ein Kuriosum der deutschen Filmgeschichte, bestens aufpoliert
Ein ambitionierter Plan: 1967 soll „Die Schlangengrube und das Pendel“eine abgerissene Tradition in Deutschland wiederbeleben: die des fantastischen Films, des Gruselkinos – Jahrzehnte nach Klassikern wie „Nosferatu“, „Der Golem“oder „Das Kabinett des Dr. Caligari“. Die Idee liegt Mitte der 1960er auf der Hand: In den USA füllt Günstig-Filmer Roger Corman mit seinen kunstnebelumflorten Edgar-Allan-Poe-Adaptionen die Kinos; in Italien dreht Mario Bava mit kleinem Budget und großen Ideen prächtige Schauerfilme wie „Die drei Gesichter der Furcht“. Und in England produziert die Firma Hammer bunte Gruselwerke wie „Dracula“oder „Der Hund von Baskerville“.
Und in Deutschland? Da wabert zumindest ein wenig Grusel durch die Edgar-Wallace-Verfilmungen von Produzent Horst Wendlandt. Der wird Anfang 1967 vom Misserfolg seines jüngsten „Winnetou“-Films überrascht und plant schnell um – warum nicht eine neue Welle lostreten mit veritablen Gruselfilmen und mit bewährten Mimen: Lex Barker, unvergesslich als Old Shatterhand, und Karin Dor, durch „Man lebt nur zweimal“gerade Bond-erfahren. Christopher Lee, damals der amtierende Dracula der „Hammer“-Studios, ist dann die Kirsche auf dem Gruselkuchen.
Und so beginnen am 16. Mai 1967 die Dreharbeiten zu „Die Schlangengrube und das Pendel“, den man sich jetzt, famos restauriert, als Bluray im Heimkino anschauen kann.
Regie führt Harald Reinl, Wallaceund May-erfahren, „ein deutscher Spitzenregisseur“, wie der Sprecher des alten Filmtrailers im Bonusmaterial ehrfürchtig intoniert (wobei Reinl Österreicher ist). Gedreht
wird bei Detmold im Teutoburger Wald, im Isartal und in Rothenburg ob der Tauber. Im Kino ist der Erfolg überschaubar – zum seriellen Teutonen-Grusel kommt es nicht. Schade.
„Die Schlangengrube und das Pendel“erzählt von einem schreckenerregenden Grafen namens Regula, dem im Prolog des Films, der 1806 spielt, der Garaus per Vierteilung gemacht wird. Kein Wunder – in seinem Schloss sind 12 Jungfrauen grausig zu Tode gekommen. 35 Jahre später erhalten ein Anwalt (Lex Barker) und eine junge Baronesse (Karin Dor) mysteriöse Einladungen, das Schloss des Grafen im „Sandertal im Mittelland“zu besuchen. Schon die Kutschenreise dorthin ist ein Abenteuer, mit nebelverhangenen Wegen, Leichen, die von
Bäumen baumeln, und einem verständlicherweise entnervten Kutscher, gespielt von Dieter Eppler, der übrigens später, zwischen 1970 und 1973, Saarbrücker „Tatort“-Kommissar war.
Angekommen im Schloss – sehr atmosphärische Studiobauten mit leibhaftigen Skorpionen, Spinnen und auch Geiern – erleben sie dann gar Schreckliches. Der tote Graf Regula ist frisch wieder auferstanden und hat sinistre Pläne. Dass der Film damals die Kinokassen nicht erbeben ließ, kann man nachvollziehen. Der Beginn ist gemütlich gemächlich, bevor es im Schloss dann sehr atmosphärisch und auch spannend wird: mit blubbernden Labor-Töpfchen und manchem Skelett als Teil der Innenarchitektur. Insgesamt ist das Ganze weniger strammer Horror denn wohlige Schauerromantik, auf die man sich einlassen muss; eine gewisse ernste Naivität besitzt der Film, wie auch die Winnetou-Filme von Regisseur Reinl. Ein großer Trumpf ist die Musik von Peter Thomas, nicht so grell wie manche seiner Wallace-Kompositionen, sehr atmosphärisch, teilweise mit Orgelklängen – und im Finale, wenn das Pendel über Lex Barkers Heldenbrust hin und her schwingt, hat das fast etwas von Minimal Music. Trotz mancher Macken: „Die Schlangengrube und das Pendel“ist ein sympathisches, sehr interessantes Kuriosum des deutschen Kinos, ein „Was hätte daraus werden können“mit viel Charme und Atmosphäre.
Auf Blu-ray mit viel Bonus-Material erschienen beim Anbieter: UCM.One.