Uwe Conradt braucht ein Pferd
Manchmal weiß man nicht, was für Schätze man hat. Das merkt man erst, wenn man anfängt, den Speicher zu entrümpeln. Da tauchen längst vergessene Bücher auf.
Das Geheimnis der gefiederten Schlange werde ich wohl nicht mehr ergründen. So zumindest lautet der Titel eines meiner Kinderbücher, das mir beim Stöbern auf dem Speicher in einem Karton begegnet ist. Das Buch habe ich damals nicht gelesen. Und auch neulich hat es mich nicht zum Lesen gereizt. Muss wohl eine Wildwestgeschichte gewesen sein, auf dem Titel war ein Indianer mit Federschmuck abgebildet. Sei's drum. Dafür habe ich voller Begeisterung wieder die Abenteuer des Roten Korsaren gelesen. Ein Comicbuch aus den
70er Jahren, wie es sie heute nicht mehr gibt. Ein Hardcover, dessen leuchtende Farben einem im trüben Licht auf dem Speicher sofort ins Auge springen. Wild und stürmisch ist er, der Rote Korsar. Bis heute. Seinen Namen verdankt er seinem feuerroten Vollbart, der zerzaust im Wind weht, während er mit ausgestrecktem Arm einen Krummsäbel gen Himmel reckt. Dazu ein schwarzer Dreispitz auf dem Kopf und eine schwarze Augenklappe über dem linken Auge. Furcht einflößender geht nicht. Ein Krimineller, ja. Aber ein Krimineller, der nur die Schiffe der reichen, überheblichen Spanier geplündert hat. Das kann man ihm doch nicht übel nehmen, oder?
Auf seine Weise ist er – damals wie heute – ein Held. Und das imponiert, wo es doch so wenige Draufgänger zu geben scheint. Das wäre was: der Rote Korsar als Oberbürgermeister von Saarbrücken, der mit seinen Mannen auszieht, die reichen Schwaben statt der Spanier auszunehmen und so die Stadtkasse aufbessert. Tatsächlich hat unser OB Uwe Conradt wenig von einem Piraten. Schon sein akkurater Haarschnitt will nicht recht zu einem Freibeuter passen. Und seine Waffe ist wohl eher das Florett statt eines Säbels.
Vielleicht taugt ja Jesse James eher als Vorbild für Conradt. Der Rächer der Enterbten und Beschützer von Witwen und Waisen war ein moderner Robin Hood, der von den Reichen nahm und den Armen gab. Auch er wie der Rote
Korsar ein Krimineller, aber mit lauterer Absicht. Wenn man der Legende glauben will, zitierte sein Bruder Frank mit Vorliebe William Shakespeare bei ihren Überfällen auf Postkutschen und Eisenbahnen. Tja, „ob's edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden oder, sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie enden?“(Hamlet) – das muss Conradt selbst entscheiden. Wenn ihm andere Vorbilder lieber sind, kann er sich ja an Lucky Luke orientieren. Der Cowboy mit der weißen Weste und seinem Pferd Jolly Jumper (lustiger Hüpfer) stand immer auf der Seite der Guten. Aber: Hat Uwe Conradt überhaupt ein Pferd...?