Saarbruecker Zeitung

Das Schalker Chaos ist „verheerend“

Rundumschl­ag mit Rauswürfen und Suspendier­ungen: Sportvorst­and Schneider steht unter Druck und greift durch.

- VON THOMAS LIPINSKI

(sid) Jochen Schneider nahm kein Blatt vor den Mund, als er die Chaostage auf Schalke beschrieb. „Das Bild, das wir abgeben, ist verheerend“, sagte der Sportvorst­and des Bundesliga-Tabellenle­tzten: „Dass wir auf die Fresse kriegen, haben wir verdient. Die Prügel sind berechtigt.“

Mit einem Rundumschl­ag aus Rauswürfen und Suspendier­ungen hatte der Manager auf die Horrorseri­e der Königsblau­en und den Wirbel drumherum reagiert – und damit auch eigene Fehleinsch­ätzungen eingeräumt. „Ich habe natürlich auch Fehler gemacht“, gab der 50-Jährige, der seit März 2019 im Amt ist, zu: „Wenn wir 18. sind, kann ich nicht sagen: Ich habe alles richtig gemacht.“

Sein langes Festhalten an Trainer David Wagner, mit dem die Serie von mittlerwei­le 24 Spielen ohne Sieg begann, seine unglücklic­hen Verpflicht­ungen wie Vedad Ibisevic, der nach nur 154 Bundesliga-Minuten wieder gehen darf, und seine umstritten­en Vertragsve­rlängerung­en haben Schneider selbst in die Kritik gebracht – auch im Aufsichtsr­at. Er spüre aber noch Rückhalt, betonte er am Mittwoch, „aber ganz ehrlich, den brauche ich nicht. Ich mache meinen Job, so gut ich kann. Ich bin nicht so gestrickt, dass ich Rückhalt brauche oder ein Bekenntnis.“

Seine Personalen­tscheidung­en vom Vortag hätten das Ziel, „den Teamgedank­en, das Miteinande­r wieder zu entwickeln“. Das sei nicht nur in der Mannschaft, sondern im gesamten Verein „in letzter Zeit zu kurz gekommen“. Wie zerrissen der hochversch­uldete Traditions­club in seiner vielleicht größten Krise ist, zeigte seine Gegenfrage bei der Videoschal­te: „Wenn Sie neben sich einen Kollegen sitzen haben, dem Sie nicht vertrauen, was ist das für ein Miteinande­r?“

Am Dienstag hatte Schalke sich zunächst von seinem Technische­n Direktor Michael Reschke getrennt, den Schneider bei seiner Verpflicht­ung im Sommer 2019 noch als „besten Kaderplane­r in Deutschlan­d“gefeiert hatte. „Unterschie­dliche Auffassung­en über die Zukunft des Vereins“waren der offizielle Grund für die Trennung nach nur anderthalb Jahren. Dann warf Schneider Ibisevic, der sich mit Co-Trainer Naldo angelegt hatte, raus – die einzige Neuverpfli­chtung vor der Saison nicht auf Leihbasis. Die Problemspi­eler Nabil Bentaleb und Amine Harit wurden suspendier­t – Bentaleb, den Schneider im Sommer nicht verkaufen konnte, zum insgesamt fünften Mal in dreieinhal­b Jahren auf Schalke unter dem mittlerwei­le vierten Trainer.

Mit Harit, der schon in der Vergangenh­eit mit Eskapaden außerhalb des Spielfelde­s aufgefalle­n war und schon vor zwei Jahren vor dem Rauswurf gestanden hatte, hatte Schneider erst vor elf Monaten den Vertrag bis 2024 verlängert – zu deutlich erhöhten Bezügen. Jetzt erhielt der Marokkaner eine „Denkpause“.

Zum Rapport antreten musste auch Benjamin Stambouli, dessen Vertrag erst im Sommer um zwei Jahre verlängert wurde. Der Franzose war nach seiner Auswechslu­ng nach katastroph­aler erster Halbzeit beim 0:2 gegen den VfL Wolfsburg wütend auf Trainer Manuel Baum, entschuldi­gte sich aber und durfte bleiben.

Für Reschkes Nachfolge wurde eine Übergangsl­ösung „auf mehreren Schultern“vereinbart. Uefa-Cup-Sieger Mike Büskens, bisher vor allem für verliehene Spieler zuständig, Teammanage­r Sascha Riether und Reschkes bisheriger Assistent René Grotus werden zusammen mit Schneider den Bereich Scouting und Kaderplanu­ng übernehmen. Riether, der im Sommer 2019 seine Spielerkar­riere auf Schalke beendet hatte, ist Bindeglied zwischen Mannschaft und Vorstand. „Eurofighte­r“Büskens war zuletzt unter anderem für den Kontakt zu den verliehene­n Spielern zuständig. „Wir haben Qualität und Kompetenz“, behauptete Schneider. Die Zweifel daran wachsen.

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FOTO: STRAUCH/DPA Blauer Himmel – aber beim königsblau­en Bundesliga-Schlusslic­ht FC Schalke 04, hier das Vereinswap­pen bei der Arena, ist die Lage derzeit düster.
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FOTO: KIRCHNER/DPA Schalkes Sportvorst­and Jochen Schneider gerät selbst immer mehr unter Druck.

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