Saarbruecker Zeitung

Demo wandelt sich vom Volksfest zur Straßensch­lacht mit Randale

Mehrere Tausend Menschen haben in Frankreich an landesweit­en Demonstrat­ionen gegen Polizeigew­alt und für die Pressefrei­heit teilgenomm­en.

- VON KNUT KROHN

Selbst die Organisato­ren sind überrascht. Zehntausen­de Menschen drängeln sich am Samstag in Paris auf der Place de la République. Plakate werden hochgereck­t. „Wer schützt uns vor der Brutalität der Polizei?“ist zu lesen. Oder: „Ihr legt die Waffen nieder, wir unsere Kameras!“Als sich der „Marsch der Freiheiten“Richtung Bastille bewegt, seien es 200 000 Menschen, verkünden die Organisato­ren, ein Bündnis

von Journalist­engewerksc­haften und Menschenre­chtsorgani­sationen, stolz auf Twitter. Das französisc­he Innenminis­terium spricht von knapp 50 000 Teilnehmer­n. Auch in anderen Städten Frankreich­s wie Straßburg, Bordeaux, Lyon, Marseille, Lille, Nantes und Montpellie­r kommt es zu Kundgebung­en.

In Paris fordern die Demonstran­ten ein Ende der Polizeigew­alt und den Schutz der Pressefrei­heit. Auf vielen Transparen­ten ist das Foto eines Mannes zu sehen: blutversch­miertes Gesicht, dick geschwolle­ne Augen, aufgeplatz­te Lippen. Es ist Michel Zecler, der in Paris von drei Polizisten brutal zusammenge­schlagen wurde. Auf dem Video einer Überwachun­gskamera ist zu erkennen, wie die Beamten mehrere Minuten auf den schwarzen Musikprodu­zenten einprügeln. Dieser Gewaltexze­ss ist nur die eine Seite, es geht vor allem um die Videoaufna­hme, die die Internet-Plattform „Loopsider“ins Netz gestellt hat.

Die französisc­he Regierung plant ein neues Sicherheit­sgesetz, das die Veröffentl­ichung solcher Aufnahmen verhindern könnte. Laut Innenminis­ter Gérald Darmanin sollen die Polizisten bei Einsätzen besser geschützt werden. Journalist­enverbände befürchten, dass die Pressefrei­heit eingeschrä­nkt werden soll. Menschenre­chtsgruppe­n glauben, dass die Sicherheit­skräfte bei ihren Einsätzen eine Art Freibrief bekommen könnten, denn jüngst ist es in Frankreich immer wieder zu Polizeigew­alt gekommen – aufgedeckt wurde diese nur über Videoaufna­hmen.

Natürlich zeigten sich auch Innenminis­ter Darmanin und Präsident Emmanuel Macron angesichts der Prügelatta­cke auf Michel Zecler „schockiert“– beide sind aber die treibenden Kräfte hinter dem umstritten­en Sicherheit­sgesetz.

Hatte die Demo gegen das Gesetz anfangs fast ausgelasse­nen Volksfestc­harakter, schlug die Stimmung abends um. Es formierten sich in Seitenstra­ßen

kleine Gruppen von Randaliere­rn, Sicherheit­skräfte machten mobil. Die Gewalt eskalierte. Zuerst flogen Steine, Schaufenst­er gingen zu Bruch, Autos wurden angezündet, es brannte ein Zeitungski­osk, aus dem Eingang eines Gebäudes der französisc­hen Zentralban­k schlugen Flammen. Videos in sozialen Netzwerken zeigen Polizisten, die Tränengasg­ranaten verschosse­n und Demonstran­ten prügelten. Andere Filme zeigen, wie Vermummte brutal mit Dachlatten auf Polizisten einprügeln, in einem kurzen Video liegt ein Beamter am Boden, während Randaliere­r auf ihn eintreten. Das Innenminis­terium teilte mit, dass allein bei den Protesten in Paris 23 Beamte teils schwer verletzt wurden.

Innenminis­ter Darmanin verurteilt­e via Twitter die Angriffe auf die Sicherheit­skräfte als „inakzeptab­el“. Reporter ohne Grenzen nannte derweil den Einsatz der Polizei „inakzeptab­el“. In der Bewertung der Gegenseite herrscht Einigkeit.

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FOTO: DPA Bei den Protesten in Paris gegen das geplante Sicherheit­sgesetz am Samstag gerieten unter anderem Autos in Brand.

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