Wenn die Quote den Unterschied macht
Die schwarz-rote Koalition will, dass die Vorstände großer Unternehmen weiblicher werden. Die Auswirkung wäre groß, zeigt eine neue Studie.
(dpa) Wenn die Frauenquote kommt, entsteht in ziemlich vielen Chefetagen Handlungsbedarf. Denn fast die Hälfte der börsennotierten Unternehmen, für die künftig eine Quote im Vorstand gelten soll, hat bislang keine Managerin in ihrem Führungsgremium. Genau sind es 44 Prozent, wie aus einer aktuellen Auswertung der Organisation Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte) hervorgeht. Darunter sind bekannte Unternehmen wie der Sportartikelhersteller Adidas, der Chemiekonzern Bayer und der Energieriese Eon.
Nicht nur Fidar sieht den Handlungsbedarf bereits seit Langem. Auch die schwarz-rote Koalition hatte sich vergangene Woche grundsätzlich darauf geeinigt, dass den Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern spätestens ab einer Neubesetzung eine Frau angehören muss. Der Studie zufolge betrifft das 73 börsennotierte Konzerne, bei 32 sitzt bislang keine weibliche Führungskraft in der Topetage.
„Freiwillig tut sich nichts. Mit der Mindestbeteiligung für Vorstände machen wir Schluss mit frauenfreien Vorstandsetagen in großen Unternehmen“, sagte Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD). Der Fidar-Studie zufolge liegt der Anteil der Managerinnen in den Führungsgremien von insgesamt 190 börsennotierten Unternehmen bei 11,8 Prozent. Ausgewertet wurden für die Untersuchung die Konzerne in den Börsenindizes Dax, MDax und SDax sowie die aktuell 30 im regulierten Markt an der Börse
notierten, voll mitbestimmten Unternehmen.
Siemens-Chef Joe Kaeser begrüßte die Initiative der Koalition. „Wenn es die deutsche Wirtschaft über Jahrzehnte nicht geschafft hat, mehr Frauen in den Vorständen zu etablieren, dann muss der Gesetzgeber den Rahmen eben enger fassen“, sagte Kaeser der Augsburger Allgemeinen. „Die Wirtschaft hatte ihre Chance, hat sie aber nicht ausreichend genutzt.“Mit Argumenten, dass nicht ausreichend Frauen als Führungskräfte zur Verfügung stünden, mache es sich die Wirtschaft zu einfach, befand der Konzernchef. Im siebenköpfigen Siemens-Vorstand ist derzeit Personalchefin Judith Wiese die einzige Frau.
Für Aufsichtsräte gibt es bereits eine Quote: Nach dem Gesetz von 2015 müssen Firmen ab in der Regel 2000 Beschäftigten frei werdende Posten in dem Kontrollgremium mit
Joa Kaeser
Frauen neubesetzen, bis mindestens ein Anteil von 30 Prozent erreicht ist. Für rund 4000 weitere Firmen ist vorgesehen, sich selbst Zielgrößen zu geben. Oft wurde dort jedoch die „Zielgröße Null“festgelegt.
Bei den Kontrollgremien selbst stieg der Frauenanteil der Studie zufolge in den 190 untersuchten Konzernen zufolge leicht auf zuletzt 32,7 Prozent. Das sei ein Zuwachs von 0,5 Prozentpunkten im Vergleich zum Frühjahr. Bei den aktuell 107 Firmen, die der Quote unterliegen, erreichte der Anteil der Managerinnen im Aufsichtsrat einen Höchststand von 35,4 Prozent. Die 83 nicht der Quote unterliegenden Firmen kamen lediglich auf 24,4 Prozent. Die Zahlen zeigten deutlich, welchen Unterschied die verbindliche Frauenquote mache, sagte Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow.
Mit den Auswirkungen der nun geplanten Quote für Vorstände beschäftigen sich auch andere: Nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group, die am Freitag bekanntgeworden war, beträfe die Neuregelung fast ein Drittel der 100 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland. 29 davon haben demnach mehr als drei Mitglieder im Vorstand, aber keinen Posten mit einer Frau besetzt. Entsprechend würden mit dem Gesetzesvorschlag der Bundesregierung 29 Frauen neu in die Vorstände einziehen. Demgegenüber könnten 27 Firmen der Top 100 nach Börsenwert demnach weiter einen rein männlichen Vorstand führen, da diese weniger als drei Mitglieder haben. Und in 44 Konzernen sitzt bereits mindestens eine Frau im Vorstand.
„Die Wirtschaft hatte ihre Chance, hat sie aber nicht ausreichend
genutzt.“
Siemens-Chef