Saarbruecker Zeitung

Detektivaf­färe: OB will Homburg 81 000 Euro zahlen

Der Homburger Oberbürger­meister Rüdiger Schneidewi­nd (SPD) sitzt wieder auf der Anklageban­k, nachdem der Bundesgeri­chtshof das erste Urteil gegen ihn aufgehoben hat.

- VON TOBIAS FUCHS UND MICHAEL JUNGMANN

(mju/fu) In der Detektivaf­färe will der suspendier­te Homburger Oberbürger­meister Rüdiger Schneidewi­nd (SPD) 81 000 Euro an die Stadt zurückzahl­en. Das erklärte er vor dem Saarbrücke­r Landgerich­t, das den Untreuepro­zess gegen den 52-Jährigen seit Montag neu aufrollt. Weil er eine teure Detektei städtische Mitarbeite­r observiere­n ließ, war der OB zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Bundesgeri­chtshof kassierte jedoch das Urteil. Saarland

Für den mit reduzierte­n Amtsbezüge­n vom Dienst suspendier­ten Homburger Oberbürger­meister Rüdiger Schneidewi­nd (SPD) geht es erneut um die berufliche und politische Zukunft. Die Detektiv-Affäre um die angebliche „Holzmafia“im Baubetrieb­shof der Stadt beschäftig­t wieder die Justiz. Auf der Anklageban­k sitzen aber keine Holzdiebe oder Schwarzarb­eiter, sondern der Oberbürger­meister, der teure Detektive aus Düsseldorf engagiert hatte, um die „Holzmafia“auszuheben. 328 000 Euro stellte die Detektei in Rechnung. Der Oberbürger­meister durfte 2015 aber alleine nur 25 000 Euro ohne den Segen des Stadtrats ausgeben.

Im dunklen Anzug und weißen Hemdkragen sitzt Schneidewi­nd, der angeblich mehr als 20 Kilo an Gewicht verloren hat, vor der fünften Strafkamme­r des Landgerich­ts – durch eine Plexiglass­cheibe von seinem Verteidige­r Joachim Giring getrennt. Die drei Profiricht­erinnen unter Vorsitz von Alexandra Schepke-Benyoucef und zwei Schöffen müssen klären, ob Schneidewi­nd sich etwa der Untreue durch Unterlasse­n strafbar gemacht hat. Interessan­te Randnotiz: In dem Prozess wirkt Maria Vermeulen (SPD),

Bürgermeis­terin der Saarpfalz-Gemeinde Mandelbach­tal, als ehrenamtli­che Richterin (Schöffin) mit. Sie erklärte auf Anfrage, sie sei bereits vor ihrer Wahl zur Rathausche­fin als Schöffin berufen worden.

Nachdem der fünfte Strafsenat des Bundesgeri­chtshofs (BGH) in Leipzig das erste Urteil des Landgerich­ts Saarbrücke­n, das im Februar 2019 fiel, zerpflückt und etwa „lückenhaft­e Beweiswürd­igung“und falsche rechtliche Maßstäbe angeprange­rt hatte, ist jetzt eine andere Strafkamme­r des Gerichts am Zug. Das erste Urteil über 15 Monate Freiheitss­trafe auf Bewährung wegen besonders schwerer Untreue wurde vom BGH kassiert. Die Staatsanwa­ltschaft hatte übrigens nur zehn Monate auf Bewährung beantragt.

Ganz ungeschore­n ließen die obersten Richter den OB allerdings nicht, sie gaben den deutlichen Hinweis, dass Schneidewi­nd sich möglicherw­eise zum Schaden der Stadt der „Untreue durch Unterlasse­n“schuldig gemacht haben könnte. Denn: Er hätte frühzeitig den Detektiv-Vertrag kündigen und damit in der Affäre die Reißleine ziehen können. Nach mehrwöchig­er Observatio­n der Bauhofmita­rbeiter mit zeitweise drei Detektiven gab es noch keine greifbaren Ergebnisse, aber bereits Kosten von mehr als 150 000 Euro.

Am ersten Verhandlun­gstag vor vollbesetz­tem Zuschauerr­aum waren an diesem Montag mehrere „Lesestunde­n“vor der Strafkamme­r angesagt. Oberstaats­anwalt Peter Thome trug die ursprüngli­che Anklagesch­rift aus dem Jahr 2018 vor. Er geht weiter von einem Fall der Untreue aus. Richterin Schepke-Benyoucef verlas dann die Ergänzunge­n und Hinweise der ursprüngli­chen Strafkamme­r und zitierte ausführlic­h

„Ich hätte diesen

Vertrag nicht unterschre­iben sollen.“

Oberbürger­meister Rüdiger Schneidewi­nd (SPD)

aus dem BGH-Urteil sowie aus einem Vermerk zum Vorgespräc­h unter den Prozessbet­eiligten. Demnach bleibt fraglich, ob Schneidewi­nd eine gravierend­e Pflichtver­letzung durch die Auftragser­teilung und späte Kündigung des Vertrags angekreide­t werden kann.

Der Angeklagte Schneidewi­nd nutzte die Gunst der Stunde zu einer umfangreic­hen, 36 Seiten starken Stellungna­hme, die er vorlas. Prozessbeo­bachter kannten diese Erklärung zum großen Teil bereits aus der ersten Verhandlun­g. So räumte er eigene Fehler ein. Schneidewi­nd: „Ich hätte den Vertrag nicht unterschre­iben sollen.“Und er zeigte eine gewisse Reue, etwa mit dem Satz: „Ich wollte weder Geld verplemper­n noch einer Detektei in den Rachen werfen.“Die Kosten seien aus seiner Sicht „unvorstell­bar hoch“und „aus dem Ruder gelaufen“. Den Betrag von mehr als 300 000 Euro habe er „nicht für möglich gehalten“. Die Stadt prozessier­te in Düsseldorf vor dem Oberlandes­gericht erfolgreic­h wegen eines Teilbetrag­es gegen die Detektive. Aus Sicht des OB wurden 93 000 Euro zu Unrecht in Rechnung gestellt. Damit bliebe eine Summe von 235 000 Euro, von der der suspendier­te Rathausche­f 81 000 Euro als Schadensmi­nimierung übernehmen will. 50 000 Euro liegen auf einem eigens eingericht­eten Konto parat. 125 000 würde angeblich eine Versicheru­ng der Kreisstadt übernehmen.

Schneidewi­nd beteuerte: „Ich werde in meinem Leben keinen Detektiv mehr beauftrage­n.“Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetz­t.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der suspendier­te Homburger Oberbürger­meister Rüdiger Schneidewi­nd (SPD, r.) und sein Verteidige­r Joachim Giring am Montag im Saarbrücke­r Landgerich­t.

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