Saarbruecker Zeitung

Grünes Licht für Kinder-Klimaklage gegen Deutschlan­d & Co.

Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte beschert sechs jungen Portugiese­n einen Etappenerf­olg. Nun sind die Regierunge­n am Zug.

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(dpa) Die achtjährig­e Mariana und ihre fünf jungen Mitstreite­r setzen Deutschlan­d und weitere 32 Länder Europas im Kampf gegen den Klimawande­l mächtig unter Druck: Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte in Straßburg hat grünes Licht für eine außergewöh­nliche Klage der sechs jungen Menschen aus Portugal gegeben. Wegen der Wichtigkei­t und Dringlichk­eit der aufgeworfe­nen Fragen werde man der Beschwerde Priorität einräumen, teilte der Gerichtsho­f am Montag mit. Nun sind Kanzlerin Angela Merkel und alle betroffene­n Regierunge­n am Zug. Bis Ende Februar haben sie Zeit, um sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Mariana ist die jüngste der Gruppe, die älteste ist 21. Allen EU-Staaten sowie Norwegen, Russland, Großbritan­nien, der Türkei, der Schweiz und der Ukraine werfen sie vor, die Klimakrise verschärft und damit die Zukunft ihrer Generation gefährdet zu haben. Ihr Ziel: Der Gerichtsho­f soll die Klimasünde­r dazu anhalten, ihre nationalen Ziele höher zu setzen und die von ihnen und ihren internatio­nal tätigen Konzernen weltweit verursacht­en Emissionen zu reduzieren.

Die Nachricht aus Straßburg löste in Portugal viel Jubel aus. „Es gibt mir viel Hoffnung zu wissen, dass die Richter im Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte die

Dringlichk­eit unseres Falles erkennen“, sagte der zwölfjähri­ge André Oliveira aus Lissabon, der mit Schwester Sofia (15) mitmacht. Bei der Einreichun­g der Klage Anfang September hatte die kleine Mariana Agostinho aus Leiria gesagt: „Ich habe große Angst davor, auf einem kranken Planeten leben zu müssen.“

Bei ihrem Kampf werden die jungen Portugiese­n von Global Legal Action Network unterstütz­t. Die Nichtregie­rungsorgan­isation spricht von einer „beispiello­sen Aktion“. Die Entscheidu­ng des Gerichts sei nun „ein wichtiger Schritt in Richtung eines möglichen wegweisend­en Urteils zum Klimawande­l“. Die Nachricht aus Straßburg komme nur wenige Wochen vor der Entscheidu­ng der EU über ihr Emissionsz­iel für 2030. Eine Senkung um mindestens 65 Prozent sei nötig, „damit die EU-Mitgliedst­aaten ihren Verpflicht­ungen gegenüber den jugendlich­en Antragstel­lern und unzähligen anderen nachkommen“, erklärte Gerry Liston, ein Berater der Organisati­on.

Letzter Auslöser waren für Mariana, André & Co. die verheerend­en Brände von 2017 in ihrem Heimatland, bei denen mehr als hundert Menschen starben und riesige Wälder zerstört wurden. Die Gruppe will schaffen, was berühmtere Klimakämpf­erinnen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer nicht gewagt haben. Warum ist die Klage – die ein wenig an den jüngsten Fernseh-Film „Ökozid“erinnert – so einzigarti­g? Eigentlich muss vor Straßburg zunächst vor einem inländisch­en Gericht geklagt werden. Im Falle des Kampfes gegen den grenzüberg­reifend verursacht­en Klimawande­l sei es für Heranwachs­ende allerdings nicht möglich, ihr Anliegen in 33 Ländern durch zu klagen, lautete das Argument, das nun überzeugte.

Der junge André setzt weiter auf die Einsicht der Mächtigen. „Was ich mir wünsche, ist, dass in Europa die Regierunge­n sofort das tun, was die Wissenscha­ftler für den Schutz unserer Zukunft für notwendig halten.“

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