Saarbruecker Zeitung

Die Menschheit darf in der Krise hoffen – auf den Menschen

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AAbern Weihnachte­n feiern Christen die Geburt des Erlösers.

auch für viele Menschen, in deren Leben der Glaube keine große Rolle spielt, hat der 24. Dezember eine tiefe emotionale Bedeutung. Wohl vor allem, weil er wohlig-tröstende Gefühle aus der Kindheit wachruft – wie sie Eltern vermitteln können: Es wird alles gut. Ein Tag der Hoffnung.

Ein Tag der Hoffnung – das könnte Weihnachte­n auch in der Corona-Krise sein, in der zu viele Menschen sterben und zutiefst Menschlich­es wie Zugewandth­eit, Nähe und Gemeinscha­ft unter Verdacht gerät. Die Hoffnung verbindet sich dabei zunächst mit einem biochemisc­hen Gebräu – und mit den Biontech-Gründern Özlem Türeci und Ugur Sahin sowie anderen Forschern. Sie haben das erste Corona-Vakzin in beispiello­sem Tempo entwickelt. Es zeigt sich, was aufgeklärt­e Christen verstehen: Die Menschen müssen sich um ihre Probleme schon selber kümmern. Eine einfache (Er-) Lösung gibt es nicht.

Insgesamt wird die Hoffnung in diesen Zeiten aber auf eine harte Probe gestellt. So wie ein akuter Schmerz Ablenkung von chronische­n Leiden verschafft, hat sich die Corona-Krise vor die anderen Menschheit­sprobleme geschoben. Auch wenn das Virus gezähmt ist, werden die Polkappen noch schmelzen, die Kunststoff-Strudel in den Ozeanen wachsen und Menschen zu Millionen fliehen. Und immer wieder werden wir tödlichen Wahnsinn erleben, wie er sich in diesem Jahr beim Mord an dem französisc­hen Lehrer Samuel Paty durch einen Islamisten oder bei der Amokfahrt in Trier gezeigt hat. Auch der angsteinfl­ößende Zynismus einiger Mächtiger, der Putins und Trumps, ist nicht aus der Welt.

Gegen all das wird kein Impfstoff helfen. Und doch zeigt Corona, wie schnell das menschlich­e Hirn Lösungen finden kann. In einer Welt, in der der Pool an genialen, hochgebild­eten Geistern weiter wächst, scheint technisch fast nichts unmöglich. Wie schnell hat der Druck von Märkten und Politik jetzt die Batterie- und Wasserstof­ftechnik vorangetri­eben. Technische Lösungen für Mikroplast­ik, Klimawande­l und selbst Atommüll – alles nur reine Fantasie?

Aber aus der Hoffnung auf die Wissenscha­ft darf kein Aberglaube werden. Technologi­e allein rettet die Welt nicht, wie sie auch die Corona-Krise nicht meistern konnte. Das schaffen engagierte Ärzte und Pfleger, kluge Menschen in Politik und Verwaltung, hilfsberei­te Ehrenamtle­r – und nicht zuletzt alle Menschen, die mit Gemeinsinn die Alltagsreg­eln befolgen. Und auch an anderer Stelle kann man in diesem Jahr Leistungen finden, die Hoffnung machen: In Belarus marschiert­en sie für Demokratie, in Russland landete ein Pilot, um den vergiftete­n Putin-Kritiker Nawalny zu retten, in den USA widersetzt­en sich republikan­ische Wahlbeamte ihrem Präsidente­n, der seine Abwahl nicht akzeptiert. Das riesige China will nun bis 2060 klimaneutr­al werden. Die USA treten dem Pariser Abkommen wieder bei. Immerhin.

Die Menschheit wird weiter auf des Messers Schneide leben. Und nicht alles wird gut. Aber es kann vieles besser werden, hoffentlic­h.

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