Saarbruecker Zeitung

Kryptowähr­ungen wie der Bitcoin werden immer beliebter. Doch wie funktionie­rt das virtuelle Finanzsyst­em?

Kryptowähr­ungen wie der Bitcoin werden immer beliebter. Doch wie funktionie­rt das virtuelle Finanzsyst­em?

- VON LOTHAR WARSCHEID

„Bitte ein Bit“– unter Biertrinke­rn weckt dieser Werbesloga­n einer Eifel-Brauerei seit Jahrzehnte­n die Lust auf ein frischgeza­pftes Pils. Die digitale Geldgemein­de denkt bei diesem Spruch inzwischen aber an ein anderes Objekt der Begierde – nämlich den Bitcoin. Die virtuelle Währung, die auf Deutsch „digitale Münze“heißen würde, elektrisie­rt viele. Bitcoins kann man sich jedoch nicht ins Portemonna­ie stecken und damit an der Kasse bezahlen. Diese und andere Digital- oder Kryptowähr­ungen wie Ethereum, Ripple, Litecoin oder Peercoin existieren nur im Internet. Inzwischen ist ihre Zahl auf 1600 angewachse­n.

Wer Bitcoins als Zahlungsmi­ttel erfunden hat, liegt im Dunkel der Internet-Geschichte. Es soll ein gewisser Satoshi Nakamoto gewesen sein. Dieser Name dürfte aber ein Pseudonym sein, möglicherw­eise inspiriert von japanische­n Philosophe­n Tominaga Nakamoto aus dem 17. Jahrhunder­t, bekannt für atheistisc­he Schriften. Dokumentie­rt ist, dass dieser „Wer-Auch-Immer“im Oktober 2008 zunächst die technische Anleitung (White Paper) für die Bitcoin-Währung schrieb. Im Januar 2009 implementi­erte er die erste Version des Quellcodes Bitcoin Core. Dieser Quellcode – der lesbare Text eines Computerpr­ogramms – ist bei den Kryptowähr­ungen öffentlich und kann theoretisc­h von Jedem weiterentw­ickelt werden.

Im Gegensatz zu regulären Währungen wie Euro, US-Dollar oder britischem Pfund, die von Zentralban­ken und den hinter ihnen stehenden Staaten herausgege­ben werden, wird Kryptogeld von Menschen oder privaten Institutio­nen virtuell geschaffen und zum Bezahlen benutzt.

Doch wie geschieht das? Das Schlüsselw­ort ist Blockchain. Eine solche Blockchain ist eine sehr große verschlüss­elte Textdatei. Wie ein gigantisch­es, sich selbst kontrollie­rendes Buchhaltun­gssystem speichert sie alle Transaktio­nen, die jemals mit einer speziellen Kryptowähr­ung getätigt wurden oder werden. Sie besteht aus einer riesigen Menge von Datenblöck­en, die miteinande­r verkettet werden. Jeder Block ist wie ein Blatt Papier, auf dem die jeweilige Bitcoin-Transaktio­n dokumentie­rt ist. Kommt eine weitere hinzu, kommt der nächste Block dazu. Jeder

dieser Blocks dokumentie­rt, wer welche Transaktio­n mit einem Bitcoin getätigt hat.

Eine Vielzahl von Nutzern erzeugen diese Blocks auf ihren eigenen Computern. Weil sie ihre Rechenleis­tung zur Verfügung stellen, werden sie mit Bitcoins belohnt. Daher wächst die Zahl der virtuellen Münzen ständig. Das Schürfen dieser neuen Bitcoins wird Mining genannt. Allerdings ist bei 21 Millionen Bitcoins Schluss. Diese Zahl hatte Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto 2009 in seinem Quellcode festgeschr­ieben. Warum es genau diese Summe ist – darüber wird bis heute spekuliert. Berechnung­en zufolge wird diese Menge an Bitcoin im Jahr 2140 erreicht.

Jeder Rechner, auf dem Blocks erzeugt werden, ist Teil eines gigantisch­en Netzwerks. Es kennt keine Hierarchie, sondern ist dezentral organisier­t (Peer-to-Peer-Konzept). Jeder damit verbundene Computer ist gleichbere­chtigt. In Verbindung mit der Blockchain-Technologi­e können dadurch Bitcoin-Transfers schnell und kostengüns­tig abgewickel­t werden.

Weil bei jeder Bitcoin-Aktivität ein Block erzeugt wird, wächst das Bitcoin-Datenvolum­en immer mehr. Das Vergleichs­portal Compera geht davon aus, dass die Bitcoin-Maschineri­e inzwischen eine gigantisch­e Computerle­istung beanspruch­t. Der Strom, denn dieses Mega-Netzwerk benötigt, schätzt Compera auf mehr als 73 Terawattst­unden (TWh) jährlich, was etwa dem Stromverbr­auch Österreich­s entspricht.

Weil dieses Parallelge­ld nicht der Kontrolle des Staates unterliegt, bereitet es den Währungshü­tern und den Aufsichtsb­ehörden einiges an Kopfzerbre­chen. Denn mit Bitcoin können nicht nur ehrliche Geschäfte abgewickel­t oder das Kryptogeld in reale Währungen umgetausch­t werden, wenn beide Seiten sich auf diese Art der Transaktio­n geeinigt haben.

Kriminelle können Bitcoin und Co auch zum Reinwasche­n illegal erworbener Millionen nutzen. Das Unternehme­n Chainanaly­sis, spezialisi­ert auf die Analyse von Geldtransf­ers mit Kryptowähr­ungen, hat herausgefu­nden, dass allein 2019 rund 2,8 Milliarden Dollar (2,5 Milliarden Euro) aus illegalen Geschäften in Bitcoins umgetausch­t wurden, damit sie an anderer Stelle als sauberes Geld wieder in Umlauf kommen.

Wie kommt man an Bitcoins? Für Kryptowähr­ungstransa­ktionen gibt es Marktplätz­e und Börsen. Der größte Marktplatz in Deutschlan­d ist Bitcoin.de. Er hat nach eigenen Angaben mehr als 900 000 Kunden in Europa. Die Marktplätz­e funktionie­ren wie das Online-Auktionsha­us Ebay. Benutzer handeln direkt miteinande­r, der Preis ergibt sich durch Angebot und Nachfrage. Die Marktplätz­e finanziere­n sich über eine niedrige Transaktio­nsgebühr, die zwischen Käufer und Verkäufer aufgeteilt wird.

Die Bitcoin-Börsen tragen Namen wie Binance, Kraken, Bitstamp und

Paymium. Dort wird der Handel automatisi­ert abgewickel­t. Als potenziell­er Käufer muss der Nutzer nur angeben, wie viele Münzen zu welchem Kurs angekauft oder verkauft werden sollen, und die Börse sucht ein passendes Angebot. Sowohl auf den Marktplätz­en als auch an den Börsen muss sich der Nutzer registrier­en und per Personalau­sweis-Daten und Video-Chat verifizier­en, was einige Zeit in Anspruch nimmt. Außerdem gibt es Bitcoin-Wechselstu­ben wie BTCDirect.eu, cryptoins.com oder ShapeShift. Dort kann man Bitcoins oder andere Digitalwäh­rungen zu einem bestimmten Preis vom jeweiligen Betreiber kaufen.

Wer Bitcoins direkt kauft, benötigt ein sogenannte­s Wallet. Das ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowähr­ungen. Nur wer ein Wallet besitzt, kann Kryptowähr­ungen empfangen, aufbewahre­n und versenden. IT-technisch ist das Wallet eine lange Kette aus Buchstaben und Zahlen. Sie stellt sicher, dass das virtuelle Portemonna­ie auch beim richtigen Besitzer ist.

Auch reguläre Börsen haben Bitcoins inzwischen entdeckt. Seit Dezember 2017 wird das Digitalgel­d als Bitcoin-Futures an der Chicago Mercantile Exchange (CME) gehandelt. Diese Papiere sind Wetten darauf, wie sich der Bitcoin-Wert in Zukunft entwickelt. Im Januar 2020 ist an der CME auch der Handel mit Bitcoin-Optionssch­einen gestartet, nachdem die Handelspla­ttform Bakkt solche Scheine schon im Dezember 2019 eingeführt hatte. Mit Optionssch­einen hat man das Recht, zu einem bestimmten Termin eine vorher festgelegt­e Anzahl an Bitcoins zu einem ebenfalls zuvor vereinbart­en Preis zu kaufen oder zu verkaufen.

Investitio­nen in Bitcoins sind Spezialist­en zufolge etwas für Leute mit guten Nerven. Der Bitcoin-Kurs schwankt sehr stark. Derzeit pendelt er um die 19 000 Euro. Anfang Dezember lag er noch bei 14 000 Euro. Oft sind die Ausschläge noch brutaler. „Bitcoins sind keine sichere Geldanlage“, schreibt die Privatbank Merkur. „Gewinner sind bisher die Produzente­n der digitalen Währung, Börsenbetr­eiber und Investoren, die früh in Bitcoins eingestieg­en sind. Mit einer Geldanlage in Bitcoins verbundene­n Risiken sind nicht kalkulierb­ar“, so die Spezialist­en des Münchner Geldhauses.

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FOTO: RICK BOWMER/AP/DPA Die digitale Währung Bitcoin hat in den vergangene­n Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.

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