Saarbruecker Zeitung

Armutskonf­erenz greift Energiever­sorger wegen Stromsperr­en an

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

Die Saarländis­che Armutskonf­erenz (SAK) greift die Energiever­sorger wegen anhaltende­r Stromsperr­en massiv an. „Mit Bestürzung und Entsetzen müssen wir feststelle­n, dass trotz aller eindringli­chen Appelle von Politik und Gesellscha­ft, auf Stromsperr­en zu verzichten, die Energiever­sorger beharrlich die Gefahren für Leib und Leben von saarländis­chen Bürgerinne­n und Bürgern ignorieren“, sagte Wolfgang Edlinger, Vorsitzend­er der Armutskonf­erenz,

der SZ. Nach wie vor wendeten sich verzweifel­te Menschen an ihn, die weder ein noch aus wüssten. Ihnen würden durch die Stromsperr­en auf unabsehbar­e Zeit elementare Lebensgrun­dlagen entzogen: Licht, Nahrungszu­bereitung, Kommunikat­ion – und nicht selten auch eine beheizte Wohnung, betonte Edlinger. „Ich kenne persönlich eine alleinerzi­ehende Mutter, der mit ihren vier Kindern jetzt der Strom abgestellt worden ist“, sagte Edlinger. Derzeit seien etwa 2000 saarländis­che Haushalte ohne Strom. Die SAK appelliere eindringli­ch an die Energiever­sorger, sämtliche Stromsperr­en noch vor Weihnachte­n aufzuheben. Mit einem Aussetzen aller Stromsperr­en bis Ende März 2021 könne die Zeit genutzt werden, mit bereits vorhandene­n Instrument­en – wie der „Energiesic­herungsste­lle“und dem „Notfallfon­ds“– Lösungen zu erarbeiten, um im Saarland Stromsperr­en endlich komplett zu verhindern, erklärte Edlinger. In der Armutskonf­erenz engagieren sich Wohlfahrts­verbände, Parteien und die Arbeitskam­mer.

Marie-Elisabeth Denzer, Sprecherin

des Saar-Energiever­sorgers Ernergis/VSE sagte der SZ: „Bis Ende Januar 2021 hat Energis die Stromsperr­en ausgesetzt.“Dies geschehe auf einen Appell hin des Verbandes der kommunalen Unternehme­n und des Verbands der Stadtwerke im Saarland, die ein Aussetzen der Stromsperr­en während des Lockdowns bis zum 10. Januar vorgeschla­gen hatten. Edlingers Appell komme zu einem „falschen Zeitpunkt“, sagte Denzer. Energis gehe in Corona-Zeiten mit Stromsperr­en „so sensibel“wie irgend möglich um. Der Saarbrücke­r Stromverso­rger sperre den Strom nur bei Kunden, „die es auf die Spitze treiben“. Dem gehe ein monatelang­er Prozess voraus. Den Kunden würden unter anderem Ratenzahlu­ngen angeboten.

Hinzu komme, dass längst nicht alle Stromsperr­en in die Verantwort­ung der saarländis­chen Stromverso­rger fielen. Denn es gebe viele Stromkunde­n, die durch die Freiheit der Wahl des Stromverso­rgers auch überregion­ale Versorger hätten. Eine Anfrage der SZ beim zweiten großen Saar-Energiever­sorger Energie Saar-Lor-Lux blieb am Mittwoch unbeantwor­tet.

Dagegen sieht es SAK-Chef Edlinger als „besonders enttäusche­nd, ja skandalös“an, dass auch die Erklärung von Saar-Verbrauche­rschutzmin­ister Reinhold Jost (SPD) vollkommen wirkungslo­s an den Energiever­sorgern abgeprallt sei. Jost hatte erklärt: „Grundsätzl­ich bin ich nach wie vor auch der Auffassung, dass Stromsperr­en nicht in diese Krisenzeit passen. Wenn wir schon von den Menschen erwarten, ihre sozialen Kontakte einzuschrä­nken und zu Hause zu bleiben, dann darf das Haus oder die Wohnung nicht kalt sein.“

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