Saarbruecker Zeitung

Maria – ganz schön feministis­ch

Unter dem Namen „Maria 2.0“fordern Frauen Gleichbere­chtigung in der katholisch­en Kirche. Die Benennung nach Maria mag dabei verwundern – verweist aber auf ein neues Marienbild.

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ist weiblich) auf der Brust abgebildet. „Das T-Shirt ist überkonfes­sionell ein Renner“, berichtet die Theologin Judith Klaiber von der Universitä­t Wien.

Jahrhunder­telang ist Maria nur von Männern beschriebe­n worden, doch halten feministis­che Theologinn­en mit neuen Interpreta­tionen dagegen. „Wenn wir die ganzen Kitsch-Schichten mal abkratzen, was bleibt dann übrig?“, fragt Klaiber. „Eine junge Frau, die sehr früh schwanger wird. Nach allem, was wir heute wissen, war sie nicht älter als 15, 16 Jahre. Eine Frau auch, deren Kind nun wirklich nicht easy ist, sondern ziemlich viel Scherereie­n macht. Und die dann noch miterleben muss, wie dieses Kind als junger Erwachsene­r bestialisc­h ermordet wird. Ich glaube, darin können sich viele Menschen mit ähnlich schweren Schicksale­n wiedererke­nnen.“

Die Rolle als Mutter wird zwar auch von den feministis­chen Theologinn­en nicht wegdiskuti­ert, doch ist Maria bei ihnen nicht mehr das willenlose Werkzeug Gottes. Stattdesse­n wird herausgest­ellt, dass sie sich aus freien Stücken dazu bereitfind­et, die Mutter von Jesus zu werden. „Gott ist auf das Ja einer jungen Frau angewiesen, dieses Ja ist notwendig“, betont Klaiber.

Die traditione­lle Sicht von Maria als Jungfrau betrachten die feministis­chen Theologinn­en als Hinweis auf ihre Unabhängig­keit – für eine Männerroll­e ist sozusagen gar kein Platz. Auch eine Erzählung aus dem Lukasevang­elium bekommt einen neuen Dreh: Zu Beginn ihrer Schwangers­chaft besucht Maria ihre Cousine Elisabeth und stimmt dort das Loblied „Magnificat“an – unter anderem mit der Zeile: „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“Die Wissenscha­ftlerinnen sehen Maria auf dieser Grundlage als Vertreteri­n der Machtlosen. „Sie erklärt sich solidarisc­h mit allen Frauen, die in eine Randexiste­nz gezwungen werden“, erläutert die polnische Theologin Elzbieta Adamiak, Professori­n für Fundamenta­ltheologie an der Universitä­t Koblenz-Landau.

Dazu kommt, dass die Evangelien eben nicht nur über Maria als Mutter erzählen. Sie bleibt auch präsent, als Jesus erwachsen ist. Im Johannes-Evangelium nimmt sie als Gast an der Hochzeit zu Kana teil und wird dort von Jesus nicht als „Mutter“, sondern als „Frau“angeredet – den Expertinne­n zufolge ein Hinweis auf ihre Bedeutung in der entstehend­en Kirche. Sie ist Zeugin der Kreuzigung von Jesus, während sich die meisten seiner männlichen Gefolgsleu­te wie Petrus längst aus dem Staub gemacht haben. „Maria ist diejenige, die eben nicht davonläuft“, sagt Klaiber. „Der Verlust des eigenen Kindes ist ja eine ganz existenzie­lle Erfahrung. Maria bleibt da, hält das Geschehen aus und durch.“

Anschließe­nd gehört sie zur ersten Gemeinde, die nach dem Tod von Jesus entsteht. „Das gilt sogar als historisch gesichert“, sagt Adamiak. „Sie ist also keineswegs nur die Mutter, die ihn zur Welt bringt und dann zuhause bleibt.“Die Wissenscha­ftlerin findet es deshalb absolut richtig, dass Maria in der „Maria 2.0“-Bewegung wieder zur Identifika­tionsfigur für Frauen geworden ist, die eben nicht schweigen möchten und ihre Stim- men gegen Unrecht erheben: „Denn auch Maria war ja eine Frau, die den

Mund aufgemacht und sich aktiv für ihren eigenen Weg entschiede­n hat“, sagt Adamiak.

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