Saarbruecker Zeitung

Ein Tarifjahr unter schwierige­n Vorzeichen

Schon 2020 waren sichere Arbeitsplä­tze für viele wichtiger als höhere Löhne. Daran dürfte sich auch im zweiten Jahr der Pandemie wenig ändern.

- VON CHRISTIAN EBNER

(dpa) Wenn in den kommenden Monaten die Arbeitsbed­ingungen in Deutschlan­d ausgehande­lt werden, schwebt unsichtbar auch immer die Corona-Pandemie über dem Verhandlun­gstisch. Trotz der weithin genutzten Kurzarbeit gingen die unterschie­dlich intensiven Phasen des wirtschaft­lichen Lockdowns nicht spurlos an der Arbeitswel­t vorbei.

Die gravierend­sten Beispiele dafür sind sicher die Luftverkeh­rsindustri­e sowie das Hotel- und Gaststätte­ngewerbe. Während die Lufthansa mit ihren drei Gewerkscha­ften gerade noch Sanierungs-Tarifvertr­äge zur Vermeidung von Entlassung­en gezimmert hat, traut sich die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG) Bayern in der Krisenbran­che Hotellerie keine bezifferte Forderung mehr zu. Auch in den Schlüsseli­ndustrien Metall und Elektro (M+E) hat das Virus teils deutliche Spuren hinterlass­en. „Wir blicken auf Umsatzrück­gänge von 15 bis 30 Prozent“, beschreibt der neue Präsident des Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll, Stefan Wolf, die Situation des schwierige­n Jahres 2020. Zu verteilen gebe es da nichts, sagt er.

Zusammen mit der IG Metall muss Wolf den wegweisend­en Abschluss für die rund 3,8 Millionen

M+E-Beschäftig­ten unter schwierige­n Vorzeichen zimmern. Die Gewerkscha­ft verlangt „Zukunftsta­rifverträg­e“für die einzelnen Betriebe sowie ein Entgelt-Plus von vier Prozent, das bei schwacher Nachfrage auch zum Teilausgle­ich von Lohnausfäl­len bei einer Arbeitszei­tverkürzun­g dienen könne. IG-MetallChef Jörg Hofmann wirbt in diesem Zusammenha­ng für die Option der

Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden Arbeitszei­t statt bislang 35 Stunden. Die Arbeitgebe­r warnen hingegen vor jeder Verteuerun­g des Faktors Arbeit.

Die Metall-Parteien hatten sich im März 2020 wegen des Ausbruchs der Pandemie auf eine Fortschrei­bung des bestehende­n Flächentar­ifs ohne Tabellener­höhungen geeinigt. Dieser Umstand macht es der Gewerkscha­ft nahezu unmöglich, allein die Sicherung der Arbeitsplä­tze in den Fokus zu stellen. Immerhin haben die Kontrahent­en zunächst noch bis Ende Februar Zeit für Lösungen ohne den Druck kostspieli­ger Warnstreik­s, denn die Friedenspf­licht endet erst zum 1. März.

Die IG Metall hat sich aber den Einsatz ihrer für die Betriebe besonders schmerzhaf­ten 24-Stunden-Ausstände vorbehalte­n, die ohne vorherige Urabstimmu­ng möglich und mit vollem Streikgeld­anspruch für die Teilnehmer verbunden sind.

Nach einer Aufstellun­g der gewerkscha­ftlichen Hans-Böckler-Stiftung werden im Jahr 2021 die Gehälter und Arbeitsbed­ingungen für rund zwölf Millionen Beschäftig­te in Deutschlan­d neu ausgehande­lt. Das sind deutlich mehr als die zehn Millionen aus dem Vorjahr. Neben der

Metall- und Elektroind­ustrie sind das Bauhauptge­werbe, der Einzelhand­el sowie im September der Öffentlich­e Dienst der Länder die Schwergewi­chte.

Trotz sinkender Tarifbindu­ng wird immer noch die Mehrzahl der Arbeitsver­hältnisse von den Abkommen zwischen Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­rn beeinfluss­t. Dem IAB-Betriebspa­nel 2017 zufolge arbeiten 54 Prozent in Betrieben, die an Flächen- oder Haustarife gebunden sind. Bei knapp der Hälfte der übrigen Beschäftig­ten orientiert sich das Unternehme­n an bestehende­n Tarifvertr­ägen, sodass unter dem Strich mindestens drei von vier Beschäftig­ten in Deutschlan­d nach Tarif oder tarifnah bezahlt werden.

Allzu hoch werden die Abschlüsse im Jahr 2021 nicht ausfallen, erwartet unter anderen die Bundesbank. Schon in der Tarifrunde 2020 standen vor allem Maßnahmen zur Beschäftig­ungssicher­ung und niedrige Lohnerhöhu­ngen in den Verträgen. Nach Berechnung­en des gewerkscha­ftlichen WSI-Tarifarchi­vs stiegen die Gehälter der Tarifbesch­äftigten im abgelaufen­en Jahr im Schnitt nur um zwei Prozent. Ein geringeres Wachstum hatte es zuletzt im Jahr 2010 gegeben.

„Wir blicken auf Umsatzrück­gänge von

15 bis 30 Prozent.“

Stefan Wolf

Arbeitgebe­rverband Gesamtmeta­ll

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Allein in der Metall- und Elektroind­ustrie stehen in diesem Jahr Tarifverha­ndlungen für rund 3,8 Millionen Beschäftig­te an.

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