Abschied und Willkommen!
Glanzlos wie selten zuvor vollzogen wir den Wechsel vom problembeladenen Jahr 2020 zum Nachfolger. Ihm unbeschwert entgegenzugehen fällt schwer wegen der Altlasten, mit denen unser Gemüt noch beladen ist.
Die Kirchturmglocke schlägt zwölfmal Bumm. Das alte Jahr ist wieder mal um“, bedichtete Joachim Ringelnatz die Neujahrsnacht. Endlich mal um, finden wir ja eher: Der Wechsel ist vollbracht, wir sind drin! Im neuen Jahr angekommen, tatsächlich eher reingerutscht als reingerauscht, von Übermut in den Gassen ist heuer nichts zu spüren. Eben war noch 2020, jetzt ist 2021, ganz ohne Pomp und Glamour hat dieser Wandel stattgefunden. Weder Goldflitter noch Feuerwerkslichter haben wir 2020 hinterhergeworfen, sondern es wie einen unliebsamen Verwandten verabschiedet, x-mal auf die Uhr geschaut, den leidigen Verweiler ein bisschen geschoben, leicht gedrückt und von uns weggestupst, schnell die Tür zugemacht und gehofft: Der kommt so bald nicht wieder. Scheiden tut nicht immer weh. Noch sind wir unentschieden, wie sich 2021 anfühlt, und gespannt, ob wir mit dem Neuen besser zurechtkommen werden als mit dem Alten.
Einfach Tabula rasa machen, geht aber schwerlich, wir stecken viel zu tief drin in alledem, was wir mitgeschleppt haben aus 2020. Was alles, will ich hier gar nicht aufzählen, das weiß eh jeder. Jedenfalls lässt es sich nicht einfach so erledigen wie nebenher in den ersten Kalenderwochen, hopp und fertig. Obschon wir einiges wirklich sinnvoller und -suchender angehen könnten. Der Mensch sei vernunftbegabt, heißt es. Nur neigt er dazu, nicht jede wertvolle Begabung, die er möglicherweise besitzt, auch gerne und oft zu nutzen. Andere hingegen tun oder taten das so ausgiebig, als müssten sie die Trägheit ihrer Zeitgenossen alleine ausgleichen.
Einer dieser geistig Umtriebigen war der Aufklärer, Schriftsteller, Physiker, Naturforscher, kurz auf vielen wissenschaftlichen und kulturellen Gebieten versierte Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799). Vermutlich dachte Lichtenberg nicht an den seltsamem Jahreswechsel irgendwelcher Nachfahren, als er folgende Sentenz in seine Sudelbücher niederschrieb, dennoch, sie wäre nicht das schlechteste Motto für unser 2021: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“