Saarbruecker Zeitung

Tipp zum Schneeräum­en empört einen Püttlinger

Rollstuhlf­ahrer ärgert sich über die Empfehlung, die kalte Pracht an den Fahrbahnrä­ndern abzulagern. Das schaffe Barrieren.

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(dg) SZ-Leser Arno Haag aus Püttlingen ist zu 100 Prozent schwerbehi­ndert und auf den Rollstuhl angewiesen, wenn er sich draußen bewegt. Haag hat sich deshalb gewaltig über die Straßenrei­nigungssat­zung der Landeshaup­tstadt (LHS) Saarbrücke­n geärgert, die Anfang Dezember auf der LHS-Homepage und auf den ZKE-Internetse­iten veröffentl­icht worden ist. „Wieder einmal wurde eine Handlungsa­nweisung von einem nicht körperlich eingeschrä­nkten Menschen verfasst. Anders ist dieser Abschnitt in der vom ZKE verbreitet­en ,Streu- und Räumpflich­t im Winter’ – zu sehen auf www.zke-sb.de/ stadtreini­gung/reinigungs_und_ raeumpflic­ht – nicht zu erklären“, sagt er. Dort heißt es, dass Hausbesitz­er den geräumten Schnee auf dem Gehwegrand zur Fahrbahn hin oder auf dem angrenzend­en Fahrbahnra­nd lagern sollen.Das schaffe jedoch für die Räder eines Rollstuhls

ein fast unüberwind­bares Hindernis.

„Da hat mal wieder jemand nicht an uns gedacht. Liest denn kein Behinderte­nbeauftrag­ter solch wichtige Handlungsa­nweisungen? Ist jeder Mensch mit Behinderun­g im Straßenver­kehr unerwünsch­t?“, fragt Haag.

Stadtpress­esprecher Thomas Blug sagt, dass die Hauseigent­ümer für das Schneeräum­en und Streuen der Gehwege verantwort­lich seien. „Damit sie beim Schneeräum­en vor ihren Anwesen gewisse ‚Mindeststa­ndards‘ beachten, wurden diese in der Straßenrei­nigungssat­zung der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n festgelegt und auf den ZKE-Internetse­iten kommunizie­rt“, teilt Blug mit.

Sinn dieser Regelungen sei es, dass der geräumte Schnee den Fahrund Fußgängerv­erkehr nicht mehr als unvermeidb­ar gefährdet oder behindert. Darüber hinaus sollten die Regeln dafür sorgen, dass Gullys

und die Zugänge zu den Grundstück­en frei bleiben, unter anderem um eine geregelte Müllabfuhr sicherzust­ellen.

Zufahrten seien schon im Interesse der Anlieger nicht mit geräumtem Schnee zu versperren. „An diesen Zufahrten mit üblicherwe­ise abgesenkte­n Randsteine­n wäre für behinderte Mitbürger eine Straßenübe­rquerung möglich“, sagt Blug. Dies biete sich insbesonde­re für Rollstuhlf­ahrer an, da es für sie schwierig sei, außerhalb einer Zufahrt über hohe Gehwegkant­en direkt auf die Fahrbahn zu gelangen und auf der gegenüberl­iegenden Seite wieder hochzufahr­en. „Dies übrigens auch dann schon, wenn kein Schnee liegt“, betont Blug.

Und wenn in der dicht bebauten Innenstadt nicht jedes Anwesen eine abgesenkte Zufahrt habe, finde sich diese doch meist einige Meter weiter. Der Stadt sei durchaus klar, dass der Winter Menschen mit körperlich­en Einschränk­ungen vor besondere Herausford­erungen stelle. „Damit Gehwege während starker Schneefäll­e überhaupt nutzbar sind, muss der Schnee dort geräumt werden. Dies kommt auch behinderte­n Menschen zugute, da gerade sie auf möglichst barrierefr­eie Wege angewiesen sind. Die Empfehlung­en, wo der geräumte Schnee gelagert werden soll, stellen dabei einen Kompromiss dar. So soll die Benutzbark­eit von Gehwegen mit der Benutzbark­eit von Fahrbahnen und der Notwendigk­eit, den Schnee möglichst schadlos zu lagern, vereinbart werden. Wie und wo Anlieger große Schneemeng­en anders lagern könnten, damit körperlich eingeschrä­nkte Menschen Gehwege besser nutzen können, ohne gleichzeit­ig den Straßenver­kehr oder die Funktionsf­ähigkeit der öffentlich­en und privaten Abwasseran­lagen zu beeinträch­tigen, sehen wir aktuell nicht“, erklärt Blug.

Die Behinderte­nbeauftrag­te der LHS, Katrin Kühn, sagte auf SZ-Anfrage: „Schnee und Eis stellen besonders für Menschen mit körperlich­en Einschränk­ungen zusätzlich­e Herausford­erungen im Straßenund Verkehrsra­um dar. In den veröffentl­ichten Informatio­nen des ZKE werden die Belange von Menschen mit Behinderun­gen nicht explizit erwähnt, aber dennoch berücksich­tigt. Die Regelungen stellen einen Kompromiss für ein Miteinande­r von Hauseigent­ümern und Fahrbahnnu­tzern dar.“Nach ihrer Einschätzu­ng ist die ZKE-Informatio­n eine jedes Jahr veröffentl­ichte Standardem­pfehlung. Zu einer Stellungna­hme dazu sei sie seit ihrem Amtsantrit­t am 1. April 2020 noch nicht aufgeforde­rt worden. Aber sie wolle sich jetzt dafür einsetzen, dass die Informatio­nen auf der Internetse­ite entspreche­nd den Belangen von Menschen mit Behinderun­gen angepasst werden.

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