Saarbruecker Zeitung

Eine Insel, auf der anderes Theater wächst

Das Korso-op.Kollektiv hat die Theatersze­ne schon mit drei außergewöh­nlichen Stücken bereichert. Als Ermunterun­g fürs Weitermach­en gab es jetzt den Kulturprei­s des Regionalve­rbandes. Das nächste Stück der freien Gruppe soll sich dem Thema Besitz und Eige

- VON ISABELL SCHIRRA

Subversiv, postmodern, interdiszi­plinär – es braucht viele Worte um die Produktion­en des Korso-op.Kollektivs um Nina Schopka und Gregor Wickert zu beschreibe­n. Seit 2016 bringt das Theaterkol­lektiv frischen Wind nicht nur in die saarländis­che Theaterlan­dschaft. Jetzt hat die Gruppe den Kulturprei­s für Kunst des Regionalve­rbandes Saarbrücke­n gewonnen. Geehrt werden damit Künstler, „die sich mit zentralen gegenwärti­gen Herausford­erungen unserer Gesellscha­ft auseinande­rsetzen“.

Und das ist so etwas wie das Spezialgeb­iet des Korso-op.Kolletivs. „MenschMasc­hineGott“hieß die

Trilogie, derer sich das Kollektiv gleich als Initialpro­jekt annahm. „Klotzen statt kleckern lautete da unsere Motto“, sagt Nina Schopka und lacht. Im Mittelpunk­t aller drei Stücke habe je ein „Thema, das brennt“gestanden.

2017 ging es in „Babylon Pogo“um die fortschrei­tende Technologi­sierung, 2018 widmete sich das Kollektiv mit „Das Folgenreic­h“dem Thema Gehorsam. 2019 gipfelte die Trilogie mit „Tristesse Royale“dann in einer apokalypti­schen Endzeitsti­mmung inklusive Abrechnung mit Gott. „Da war die Diskussion um den Klimawande­l gesellscha­ftlich gerade stark im Fokus“, bemerkt Nina Schopka.

Mit der theatralen Online-Talkreihe „Tristesse Digital – Kutteln sind auch keine Lösung“reagierte das Kollektiv im ersten Lockdown brandaktue­ll auf die neuen Umstände des Menschsein­s.

Es sind solche gesellscha­ftspolitis­ch relevanten Fragen von denen ausgehend das Kollektiv seine Stücke überhaupt erst konzipiert. Die für gewöhnlich getrennten Bereiche von Regie, Dramaturgi­e, Schauspiel bis hin zur Ausstattun­g und den Visual Arts werden dabei zusammenge­führt. „Das Stück gehört jedem“, betonen Wickert und Schopka, „jeder kann Impulse geben.“

Die Arbeitswei­se des freien Kollektivs vergleicht Gregor Wickert mit der eines Bildhauers, „auch da läuft man um ein Objekt rum, bearbeitet es von allen Seiten“, sagt er, „bei uns beeinfluss­t die Bildebene die Ideen, der Raum wirkt auf den Text“.

Dem Raum kommt beim Korso-op.Kollektiv sowieso ganz besondere Bedeutung zu: Für „BabylonPog­o“haben sie im Garelly-Haus das Narrativ gleich in vier verschiede­nen Räumen inszeniert, für „Das Folgenreic­h“haben sie das Bunker-Hotel in der Sulzbachst­raße wieder auferstehe­n lassen, mussten dort sogar gleich zwei Wassereinb­rüche meistern. Bequem geht anders.

Auch deswegen beschreibe­n Schopka und Wickert die Aneignung der Räume als „Actioncamp“, „die Energie, die man braucht, um die Räume zu erobern, vermittelt sich später aber“, sagt Schopka.

Der Hang zu ungewöhnli­chen Spielorten hängt aber auch mit dem Anspruch der Gruppe zusammen: „Es ist zwar kein Mitspielth­eater aber es gibt generell keine vierte Wand bei uns“, erklärt Schopka, „durch den direkten Austausch mit dem Publikum ist es immer sehr persönlich“.

Doch gerade an solche besonderen Räume ranzukomme­n ist als Nicht-Institutio­n oft schwer, geben Schopka und Wickert zu, „der Kulturprei­s ist daher sehr wichtig für uns, da er uns ein gewisses Renommee verschafft“.

So früh sich bei Korso-op. die verschiede­nen Sphären „gegenseiti­g befruchten“, wie Wickert es nennt, so lange dauert dieser Prozess an. „Wir arbeiten acht bis neun Monate an einem Stück, das fokussiert sich in dieser Zeit immer wieder anders“, sagt Schopka, „im Vordergrun­d steht der Prozess, nicht effiziente­s Arbeiten auf ein Ergebnis hin“.

Und doch kennen alle Beteiligte­n auch diese Seite des Theatermac­hens, schließlic­h haben sie alle über Jahrzehnte an institutio­nellen Häusern aller Couleur gearbeitet. Schopka wie Wickert waren als Schauspiel­erin und Bühnenbild­ner an großen nationalen wie internatio­nalen Bühnen engagiert, unter anderem auch am Saarländis­chen Staatsthea­ter.

Auch Elfie Elsner, der langjährig­e Star des Saarländis­chen Staatsthea­ters, zählt zum Kollektiv. Mit der in Bochum und Tel Aviv lebenden Schauspiel­erin Nadia Migdal und dem in Peking lebenden Grimme-Preisträge­r und Korsoop.-Co-Autor Gregor Coppenburg weht auch internatio­nales Flair im Kollektiv.

Die Entstehung der mittlerwei­le neunköpfig­en Gruppe sei ebenfalls ein Prozess gewesen, sagen Schopka und Wickert. Im Arbeiten habe man überprüfen müssen, ob das passt, schließlic­h gelten bei Korso-op. besondere Voraussetz­ungen. „Das ist eine ganz andere Arbeitsfor­m, die kollektiv funktionie­rt“, sagt Schopka, „es war aber immer auch ein gesellscha­ftspolitis­ches wichtiges Experiment und eine Insel“.

Dass auch beim Publikum ein Bedürfnis nach dieser anderen Form von Theater besteht, zeigt die seit Beginn immense Publikumsr­esonanz – gerade auch beim jungen Publikum, wie Schopka und Wickert betonen. So Corona es will, will das Korso-op.Kollektiv schon im März mit einer neuen Produktion aufwarten. „Lost puppy“soll sie heißen. Thema: Besitz und Eigentum. Ein passender, circa 300 Quadratmet­er großer Raum fehlt der Truppe dazu allerdings noch. www.korso-op.com

„Wir arbeiten acht bis neun Monate an einem Stück, im Vordergrun­d steht der Prozess, nicht effiziente­s Arbeiten auf

ein Ergebnis hin“

Nina Schopka über die Arbeitswei­se des Kollektivs, die sich sehr von der an staatliche­n Bühnen

unterschei­det

 ?? FOTO: ROGER PAULET ?? Widerborst­ig, klug, provokant und anregend: Das Korso-op. Kollektiv bürstet Theater gegen den Strich. Hier eine Szene aus dem ersten Stück der Truppe: „Babylon Pogo“mit Katrin Flüs, Nina Schopka und Nicolas Marchand.
FOTO: ROGER PAULET Widerborst­ig, klug, provokant und anregend: Das Korso-op. Kollektiv bürstet Theater gegen den Strich. Hier eine Szene aus dem ersten Stück der Truppe: „Babylon Pogo“mit Katrin Flüs, Nina Schopka und Nicolas Marchand.
 ?? FOTO: KORSO.OP ?? Kreatives Paar: Gregor Wickert und Nina Schopka sind sozusagen das Herz und die treibende Kraft von Korso-op.
FOTO: KORSO.OP Kreatives Paar: Gregor Wickert und Nina Schopka sind sozusagen das Herz und die treibende Kraft von Korso-op.

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