Klimawechsel gibt Gletschermumie „Ötzi“frei
Der Klimawandel ist derzeit ein Thema, das viel diskutiert wird. Was aber sind natürliche Gründe für Klimaveränderungen? Welche sind von Menschen gemacht? Und gibt es wechselseitige Auswirkungen von Corona-Pandemie und Klimawandel? Ein Blick in die Geschichte soll diese Fragen beantworten.
An dieser Stelle müssen wir uns näher mit dem Kohlenstoffkreislauf im Erdsystem beschäftigen. Kohlenstoff ist der grundlegende Baustein des Lebens und durchläuft einen globalen Kreislauf. Pflanzen beispielsweise nehmen Wasser und Kohlendioxid auf und nutzen Sonnenenergie für die Photosynthese, mittels derer sie die für ihr Wachstum benötigten Moleküle aufbauen. Einige Pflanzenarten werden von Tieren gefressen. Wann immer Pflanzen oder Tiere sterben, zersetzen sie sich, und Kohlenstoff wird wieder freigesetzt, wobei dies bei dem größten Teil in Form von Gas geschieht. Sterben diese Organismen jedoch, ohne sich zu zersetzen, bleibt der Kohlenstoff gebunden. Über Photosynthese und Atmung steht das Kohlendioxid in der Luft also mit dem organischen Kohlenstoff in Lebewesen in Verbindung. Ähnliches gilt für den organischen Kohlenstoff im Boden: Er besteht zum größten Teil aus totem Pflanzenmaterial; durch den Abbau wird er in Kohlendioxid umgewandelt und gelangt so wieder in die Luft. Der Kohlenstoffgehalt von Böden kann je nach Boden und Klima sehr unterschiedlich sein. In Wüsten gibt es kaum Kohlenstoff im Boden, in sommergrünen Wäldern dagegen relativ viel, in tropischem Klima wieder eher weniger, da dort die Abbauvorgänge viel schneller vor sich gehen.
Über einen Zeitraum von etwa 350 Millionen Jahren – wobei der Schwerpunkt vor allem im Karbonzeitalter vor 359 bis 299 Millionen Jahren lag – starben Pflanzen und kleine Meeresorganismen, die unter Sedimenten zerdrückt und begraben wurden. Aus ihnen entstanden unsere fossilen Energieträger wie Öl, Kohle und Erdgas, deren Nutzung im großen Maßstab mit der Industriellen Revolution einsetzte. Ab diesem Zeitpunkt wurde dieser zuvor der Atmosphäre entzogene Kohlenstoff wieder freigesetzt und trägt folglich ganz wesentlich dazu bei, dass die Temperaturen auf unserem Planeten steigen.
Der Mensch verändert den Kohlenstoffkreislauf also tiefgreifend, wenn er etwa fossile Treibstoffe verbrennt und Wälder rodet. Das hat gravierende Folgen für die Bewohnbarkeit unseres Planeten. Die dabei ablaufenden Prozesse und Wechselwirkungen zu verstehen, ist entscheidend dafür, den Klimawandel in akzeptablen Grenzen zu halten. Als Kohlenstoffkreislauf bezeichnen Forscher den Weg, den der Kohlenstoff durch das Erdsystem nimmt. Dabei durchläuft er diverse Stationen zu Land, zu Wasser, in der Luft und in der Biosphäre. Einige Komponenten des Erdsystems, wie das Land oder der Ozean, fungieren als Kohlenstoffspeicher, die das Element eine gewisse Zeit speichern und dann wieder in die Atmosphäre abgeben. Vom Menschen verursachte Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan verändern diesen natürlichen Kreislauf tiefgreifend. Genauer zu verstehen, wie der Kohlenstoffzyklus in all seiner Komplexität funktioniert, ist deshalb heute dringlicher denn je.
Seit dem Beginn der industriellen
Revolution gelangten durch die Aktivitäten des Menschen große Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre. Durch das Verbrennen fossiler Treibstoffe sowie die großflächige Abholzung von Wäldern stieg die Konzentration kohlenstoffhaltiger Verbindungen wie Kohlendioxid und Methan in der Luft soweit an wie nie zuvor in den letzten Jahrtausenden. Jedoch bleiben nur etwa 40 Prozent des Kohlenstoffs, der in Form von Kohlendioxid freigesetzt wird, in der Atmosphäre. Den Rest nehmen die Ozeane und die Landbiosphäre auf.
Atmosphäre, Ozeane, Vegetation und Böden tauschen auf Zeitskalen von Minuten bis zu Tausenden von Jahren über eine Vielzahl physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse riesige Mengen an Kohlenstoff aus. Erwärmt sich das Klima, führen viele dieser Prozesse entweder zu verlangsamter oder zu beschleunigter Anreicherung von Treibhausgasen in der Luft. Damit bewirken sie negative oder positive Rückkopplungen zwischen dem globalen Kohlenstoffkreislauf und dem Klima. So können höhere Temperaturen an Land zum Beispiel die Atmung des Bodens intensivieren, wodurch mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Umgekehrt verlängert eine Erwärmung in nördlichen Breiten die Wachstumsperiode und sorgt so dafür, dass Pflanzen vermehrt Kohlendioxid in Sauerstoff umwandeln.1
Der Ansicht, dass die weiter vorstehend zitierte neue Studie der Forscher des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) aus dem Jahr 2016 keineswegs eine exakte Klimavorhersage darstelle, sind auch Forscher der Columbia University in den USA. Diese sagen auch, dass die Hauptaussage von der unterdrückten Eiszeit dennoch plausibel sei, das Ergebnis sogar „einen bedeutenden Schritt vorwärts“darstelle. Die Menschheit würde demnach sogar eine Art Klimawandel-Pointe schaffen. Zwar sagen die Forscher aufgrund des starken Treibhausgasausstoßes negative Umweltfolgen für die kommenden Jahrhunderte voraus. Demgegenüber würde die Menschheit jedoch eine andere Klimakatastrophe in der ferneren Zukunft vermeiden, nämlich die gefährliche Eiszeit.2
Stehen wir dennoch vor einer Kleinen Eiszeit? Um zu verdeutlichen, wie komplex und undurchsichtig die Diskussion an dieser Stelle für diejenigen im Grunde genommen wird, die sich nicht besonders intensiv, sondern nur am Rande mit der Materie der Erderwärmung beschäftigen, soll eine relativ neue
Studie von US-Forschern angeführt werden. Darin sehen diese Wissenschaftler der University of California in San Diego eine Mini-Eiszeit heraufziehen, in der sie Parallelen zu der sogenannten Kleinen Eiszeit vom 15. bis 19. Jahrhundert zu erkennen glauben. Bevor wir auf diese Kleine Eiszeit näher eingehen, muss festgehalten werden, dass das Klima während unseres derzeitigen Interglazials, das heißt in den letzten 10 000 Jahren, keineswegs ununterbrochen gleich war, sondern vielmehr immer wieder bedeutenden Schwankungen unterworfen war. Paläoklimatische Zeugnisse lassen zum Beispiel vermuten, dass schon das frühe Holozän wärmer als das 20. Jahrhundert war. So gab es während des gesamten Holozäns Jahrtausende umfassende Klimaereignisse, sogenannte Bond-Zyklen, die sich unter anderem durch lokale Abkühlungen um zwei Grad Celsius bemerkbar machten und für den Fall, dass sie wieder eintreten sollten, auch für uns heute durchaus schwerwiegende Folgen haben können.
So gestaltete sich schon der Übergang vom Spätglazial in unser heutiges Zeitalter, das Holozän, ab 10 200 Jahre vor heute, unstetig und in globalem Maßstab nicht völlig synchron. Bereits am Ende dieses Spätglazials kam es, nachdem es zunächst zunehmend wärmer geworden war, in der sogenannten Jüngeren Dryas, die vor circa 11 000 Jahren vor heute begann, zu einer knapp 1000-jährigen Rückkehr eiszeitlicher Bedingungen.
Nach diesem drastischen Rückfall in eiszeitliche Klimaverhältnisse begann ab 10 200 Jahre vor heute, wie bereits gesagt, unser heutiges Interglazial, das Holozän, in dem wir aktuell immer noch leben. Wie ebenfalls schon erwähnt, gilt das Klima des Holozäns im Grunde genommen als ausgesprochen stabil. Betrachtet man die Klimaentwicklung allerdings in hoher zeitlicher Auflösung und achtet auch auf schwächere Schwankungen, so sind dennoch „signifikante Instabilitäten“ausfindig zu machen.
An das Ende der 1000-jährigen Rückkehr eiszeitlicher Bedingungen in der „Jüngeren Dryas“schloss sich zu Beginn des Holozäns das „Postglaziale Wärmeoptimum“an, das die beiden Klimastufen des Boreal und des Atlantikums umfasste und sich auf den Zeitraum von ca. 9000 bis 5500 Jahren vor heute erstreckte. In dieser Phase erhöhter Feuchte lag die globale Durchschnittstemperatur zwei bis zweieinhalb Grad Celsius über der heutigen, was auf die Konstellation der Erdbahnparameter in dieser Zeit der Erdgeschichte zurückzuführen ist. Die Sahara war zu jener Zeit eine begrünte Savannenlandschaft, die Namibwüste in Südwestafrika bedeutend kleiner als heute. Der Eishaushalt der Erde erreichte in der Klimastufe des Atlantikums sein Minimum und nach heutiger Erkenntnis waren die Alpen zu dieser Zeit weitestgehend eisfrei. In diese Phase klimatischer Gunst fällt auch die „neolithische Revolution“mit dem Sesshaftwerden der Menschen.
Der Tod des „Ötzi“(rund 5300 Jahre vor heute) dokumentiert und bestätigt einen sprunghaften Klimawechsel, der das „Postglaziale Wärmeoptimum“schlagartig beendete. „Ötzi“starb auf einem eisfreien Joch und wurde anschließend von einer Schneedecke konserviert und von einem sich in den folgenden Jahrtausenden bildenden Gletscher bedeckt, der ihn erst Ende des 20. Jahrhunderts wieder freigab. Der angesprochene sprunghafte Klimawechsel führte auch zur Austrocknung der Sahara und zur Verwandlung von einer damals besiedelten grünen Savanne mit offenen Wasserflächen in eine Wüste. Bedingt war dieser Wandel aller Wahrscheinlichkeit nach durch die veränderte Monsunzirkulation und -intensität. Nach der Bronzezeit, die in Mitteleuropa etwa den Zeitraum von 2200 bis 800 v. Ch. umfasste, vollzog die Temperaturentwicklung in Europa ein zyklisches Auf und Ab im Abstand von einigen Hundert Jahren.
Weltweit beobachten kann man in vielen Fällen den Aufstieg und
Fall von Hochkulturen, die in Verbindung mit Klimaänderungen stehen, so zum Beispiel die mykenische Kultur in Griechenland, die 1200 vor Christus unterging. Im Römerzeitlichen Klimaoptimum, das sich auf den Zeitraum von circa 300 vor Christus bis 400 nach Christus erstreckte, war es schätzungsweise ein bis eineinhalb Grad Celsius wärmer als heutzutage. So war zu dieser Zeit Weinbau in England möglich, und die Gletscher zogen sich zurück. Auf das Römische Klimaoptimum folgte ein Klimapessimum, das bis ins achte Jahrhundert andauerte. Ab 300 nach Christus setzte neben einer allmählichen Abkühlung auch eine zunehmende Trockenheit ein, wobei die Temperaturen ein bis eineinhalb Grad Celsius unter den heutigen Durchschnittstemperaturen lagen. Die Menschen waren häufigen Kälteeinbrüchen, Überschwemmungen und Missernten ausgesetzt. Im Gegensatz dazu entwickelte sich die Mayakultur in Mittelamerika ab 300 nach Christus zur Hochkultur und florierte gerade zur Zeit des europäischen Klimapessimums. Hinsichtlich der Frage nach dem Auslöser der großen europäischen Völkerwanderung zu dieser Zeit ist sich die Forschung uneinig, ob der beschriebene Klimawandel in Europa tatsächlich als primäre Ursache dieser Völkerwanderung anzusehen ist.
Auf das „Pessimum der Völkerwanderungszeit“in Europa folgte eine Phase klimatischer Gunst, das „Mittelalterliche Klimaoptimum“, mit Temperaturen von geschätzt eineinhalb bis zwei Grad Celsius über den heutigen in Europa. Hierbei ist jedoch zu betonen, dass das Klima in einigen anderen Erdregionen zu dieser Zeit deutlich kälter war.
Die Hochphase des Optimums lag im Zeitraum 1000 bis 1300 nach
Christus. So wurde zu dieser Zeit wieder in England und sogar in Norwegen Weinbau betrieben, Island war bewaldet, und es wurde dort Getreide angebaut. Seit dieser Zeit werden auch die Zeugnisse der klimatischen Begebenheiten häufiger und vor allem präziser. Die guten klimatischen Bedingungen schlugen sich auch in den Siedlungstätigkeiten nieder: Die Wikinger besiedelten im Hochmittelalter beispielsweise die Shetlandinseln und die Hebriden. Im Jahr 865 nach Christus wurde erstmals versucht, Island zu besiedeln, neun Jahre später hatten die Wikinger schließlich Erfolg. Im Jahr 982 fand die Landnahme Grönlands statt. In dieser hochmittelalterlichen Warmperiode erlebte Island dann seine „Blütezeit“. Dieser schloss sich aus Sicht der Isländer allerdings ein „Jahrtausend des Elends“an.
Der Mensch verändert den Kohlenstoffkreislauf also tiefgreifend, wenn er etwa fossile Treibstoffe verbrennt und Wälder rodet. Das hat gravierende Folgen für die Bewohnbarkeit
unseres Planeten. Die dabei ablaufenden
Prozesse und Wechselwirkungen zu verstehen, ist entscheidend dafür, den Klimawandel in akzeptablen
Grenzen zu halten.