Was Fridays for Future im Saarland in diesem Jahr plant
Gezielte Gespräche und Aktionen statt Massenprotesten: Was Fridays for Future Saarland im Jahr der Bundestagswahl vor hat.
Als verlorenes Jahr betrachtet Lara Wörner das krisengeschüttelte 2020 für die Klimabewegung Fridays for Future (FFF) nicht. Auch wenn deren bislang schärfstes Schwert, der Massenprotest, in den vergangenen Monaten wegen der Corona-Pandemie kaum zum Einsatz gekommen ist. „Wir wollen Corona ernst nehmen, auf die Wissenschaft hören und natürlich keine Menschenleben gefährden“, sagt Wörner, die Mitglied von FFF Saarland ist. Deshalb brauche es in Zukunft noch andere Strategien und Wege, um auf die Klimaschutz-Ziele aufmerksam zu machen.
Den Erfolg der Klimabewegung nur daran zu messen, wie viele Leute zu Protesten kommen, findet die Computer-Linguistik-Studentin generell falsch. „Er misst sich vielmehr daran, welche Maßnahmen umgesetzt werden und inwiefern ein Umdenken in Politik und Gesellschaft stattfindet.“Da habe die Initiative seit ihrer Entstehung schon einiges erreicht. Klimakrise und Klimagerechtigkeit seien zu zentralen Themen geworden. Auch im Hinblick auf die Bundestagswahl im September sei das wichtig. „ Wir haben es geschafft, dass die Parteien Klimaschutz in ihrem Programm haben müssen“, sagt Wörner.
Im September 2020 legte FFF Saarland pünktlich zum globalen Klimastreik, der mit Abstand und Masken bei fast flohmarktähnlicher Atmosphäre auch in Alt-Saarbrücken begangen wurde, einen überaus ambitionierten Forderungskatalog vor. Die Umsetzung dieser Visionen – etwa der der Klimaneutralität Saarbrückens bis 2035 oder einer autofreien Innenstadt bis 2025 – seien im neuen Jahr im Fokus, sagt Wörner. Gespräche mit einzelnen Stadtratsfraktionen und Stadtverwaltungen habe es bereits gegeben. Die Kontakte sollen in den nächsten Monaten noch vertieft werden, um aus den Ideen konkrete Anträge zu entwickeln. „Wie und wann wir wieder auf die Straße gehen können, dazu gibt es noch keine genauen Pläne. Wir müssen abwarten, wie sich die Pandemie entwickelt.“
Einige Medien stimmten im Sommer schon den Abgesang auf FFF an. „Wir sind immer noch da und haben auch das ganze Jahr über Aktionen gemacht“, erklärt die Studentin. Als Beispiel nennt sie den Protest im Juni vor dem Landtag, bei dem einige Mitglieder von FFF Saarland die Politik mit Plakaten zum Handeln aufforderten und ihre Forderungen via Live-Stream verbreiteten (wir haben berichtet). Zudem habe es zwei Aktionen zum Kohlegesetz gegeben. Dass das Gesetz durchgekommen ist, in dem der Kohleausstieg erst für das Jahr 2038 festgeschrieben wurde, sei ein Rückschlag für die Klimaschützer. „Aber wir werden weiterhin daran festhalten, den Ausstieg schon bis 2030 zu fordern“, sagt Wörner. Neben solch öffentlich wirksamen Protestaktionen habe die Bewegung im vergangenen Jahr zudem mehr Bildungsarbeit geleistet.
Ein kurzes Tief am Anfang des Jahres
gesteht die 23-Jährige ein. „Wir hatten groß für den Klima-Streik am 24. April geplant. Und dann gemerkt, dass die Arbeit, die da bis Mitte März reingeflossen ist, umsonst war.“Wegen Corona seien Massenproteste unmöglich gewesen. Stattdessen habe die Initiative im Saarland einen zehnstündigen Livestream organisiert und mit vielen Akteuren gesprochen.
Dass Corona derzeit viel Platz in der öffentlichen Wahrnehmung einnimmt, kann Wörner verstehen. „Es ist ganz normal, dass sich die Menschen nicht mit so vielen Krisen
gleichzeitig beschäftigen können und die größte Sorge erstmal Corona ist“, sagt die Saarbrückerin. Gleichzeitig seien Corona- und Klima-Krise miteinander verbunden. „Die Naturzerstörung, die mit unserem momentanen System einhergeht, ist eine Krise hinter der Corona-Krise. Immer mehr Arten müssen auf engerem Raum zusammenleben. Auch die Abnahme der Artenvielfalt trägt dazu bei, dass sich Viren schneller zwischen den Tieren ausbreiten und dann auch leichter auf den Menschen überspringen können. Wenn wir weitere Pandemien vermeiden wollen, müssen wir weg von einem System, das auf der Ausbeutung von Natur und anderen Menschen beruht, und unsere Ökosysteme schützen“, erklärt Wörner.
Die Abnahme von CO2-Emissionen aufgrund der coronabedingten Lockdowns ist für Lara Wörner kein Grund zu feiern. „Klar sehen wir einen kurzfristigen Rückgang der Emissionen, aber das ist auf keinen Fall, was wir als Klimabewegung wollen. Zum einen sind Menschenleben der Preis dafür und zum anderen ist es auch nicht sozial gerecht. Im Gegenteil: Die Krise verschärft die Ungerechtigkeiten noch. Wir wollen aber Klimagerechtigkeit und mehr Gerechtigkeit unter den Menschen insgesamt.“Damit nicht in Kürze die Emissionen wieder ansteigen, dürfe es kein Zurück zur Normalität geben, so der Appell der 23-Jährigen. Nur wenn die Umbruchzeit genutzt werde, um die Wirtschaft umzubauen, könne Corona dem Klima vielleicht noch einen Dienst erweisen.