Kramp-Karrenbauer räumt Fehler ein
Die scheidende CDU-Chefin spricht über ihre persönliche Bilanz, ihren Nachfolger und die Kanzlerkandidatur.
Zwei Jahre wird sie im Amt gewesen sein, wegen Corona und deshalb verschobener Parteitage länger als gedacht. Ihren Rückzug erklärte Annegret Kramp-Karrenbauer bereits im Februar letzten Jahres, nachdem sie die Thüringer Liaison von CDU und AfD nicht in den Griff bekam. Eine Woche vor dem CDU-Parteitag zieht die scheidende Vorsitzende im Gespräch mit unserer Redaktion ihre persönliche Bilanz. Und sie hat einige Ratschläge für ihren Nachfolger parat.
Frau Kramp-Karrenbauer, wenige Tage noch, dann geben Sie ihr Amt als CDU-Chefin tatsächlich ab. Wehmut oder Erleichterung, wie ist ihre Gefühlslage?
KRAMP-KARRENBAUER Vor allem bin ich sehr gespannt, ob unser digitaler Wahlparteitag, der ja eine echte Deutschlandpremiere ist, gut über die Bühne geht. Das hat es so noch bei keiner Partei gegeben. Wenn wir das gemeistert haben, werde ich sicherlich erleichtert sein.
Empfinden Sie ihren Rückzug auch als ein Scheitern?
KRAMP-KARRENBAUER Mein Rückzug ist das Ergebnis langer und reiflicher Überlegungen gewesen. Es war konsequent und richtig und bleibt es, nicht mehr als Parteivorsitzende anzutreten.
Sie mussten wegen Corona länger Vorsitzende bleiben als gewollt. Hat das die Führung der Partei erschwert?
KRAMP-KARRENBAUER Die Zeit als CDU-Vorsitzende war intensiv. Unter dem Druck von Corona haben wir aber auch einen Schub bekommen, beispielsweise was die Digitalisierung der Parteiarbeit angeht. Worüber wir vorher jahrelang in Reformkommissionen diskutiert haben, wurde auf einmal in Lichtgeschwindigkeit umgesetzt. Daneben war es eine Herausforderung, die offene Personalfrage zu händeln, damit am Ende kein ruinöser Wettbewerb entsteht.
Und ist ihnen das gelungen?
KRAMP-KARRENBAUER Stand jetzt – mit Ausnahme des einen Ausrutschers im Oktober – war das insgesamt ein fairer Wettbewerb. Auch die
Kandidaten waren diszipliniert. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das auf den letzten Metern bis zum Parteitag so bleibt.
Mitunter hat die CDU aber im Umgang mit der Corona-Pandemie den Eindruck eines Hühnerhaufens hinterlassen. Gab es nicht doch einen Autoritätsverlust?
KRAMP-KARRENBAUER Wir haben wie andere auch intensiv über den Umgang mit Corona diskutiert. Die CDU trägt im Bund und in vielen Ländern Verantwortung. Insofern haben sich die Debatten in den Ministerpräsidentenkonferenzen auch in der Partei widergespiegelt.
Insgesamt waren Sie zwei Jahre im Amt. Welche Verdienste schreiben Sie sich zu?
KRAMP-KARRENBAUER Mir etwas selbst zuzuschreiben, ist nicht meine Sache. Aber objektiv betrachtet haben wir jetzt einen klaren Bundesvorstandsbeschluss zur Frauenquote und Parität, über den der nächste Präsenzparteitag entscheiden wird. Das ist für mich ein großer Erfolg. Die CDU ist moderner geworden, die Partei kann programmatisch bei Klimaschutz und Digitalisierung mithalten oder sogar das Tempo bestimmen. Ich bin froh, dass es gelungen ist, CDU und CSU zu versöhnen nach dem schrecklichen Streit um die Flüchtlingsfrage. Überhaupt ist die Verkrampfung, was dieses Thema Migration angeht, durch das Werkstattgespräch gelöst. Unter aktiver Beteiligung ist die Rohfassung eines neuen Grundsatzprogramms entstanden. Der neue Vorsitzende
kann also auf einer guten Basis aufbauen.
Was würden Sie in der Rückschau anders machen?
KRAMP-KARRENBAUER Ich bin oft gefragt worden, ob ich mir mehr Unterstützung und Solidarität gewünscht hätte. Man kann sich aber nur das wünschen, was man selbst in der Hand hat. Ich wünschte mir, ich selbst hätte weniger Fehler gemacht. Insofern habe ich meinen eigenen Anteil daran, dass die Zeit als Vorsitzende nun früher endet als gedacht. Aber aus Fehlern lernt man.
Sie sind auch über die indirekte Kooperation der CDU in Thüringen mit der AfD gestolpert. In anderen Ostländern bröckelt die Abgrenzung ebenso. Wie sollte der künftige Vorsitzende damit umgehen?
KRAMP-KARRENBAUER Die AfD ist in den ostdeutschen Ländern eine andere Herausforderung als im Westen. Alles, was wir an der Kante im Ungefähren lassen, schadet der CDU. Ich kann dem neuen Vorsitzenden nur raten, die harte Linie weiterzufahren. Die klare Abgrenzung nach rechts darf nicht aufgegeben werden.
Muss der neue CDU-Chef denn der Kanzlerkandidat werden?
KRAMP-KARRENBAUER Der neue CDU-Vorsitzende ist sicher ein potenzieller Kanzlerkandidat. Ob er es dann wird, entscheidet sich im Frühjahr. Dazu wird es Gespräche geben zwischen dem CDU- und dem CSU-Vorsitzenden. Dann werden wir schlauer sein.
Halten Sie es für möglich, dass noch ein anderer als die beiden Parteichefs für die Kanzlerkandidatur in Frage kommt?
KRAMP-KARRENBAUER Möglich ist alles. Es bleibt klug, sich die Situation im Frühjahr genau anzuschauen. Ob der neue Parteivorsitzende in Rücksprache mit der Partei die Option dann für sich zieht oder ob er zu anderen Entscheidungen gelangt, werden wir sehen.
Auf wen sollte sich ihr Nachfolger als Hauptgegner bei der Bundestagswahl einstellen?
KRAMP-KARRENBAUER Ich sage lieber Konkurrent statt Gegner. Hauptkonkurrent werden die Grünen sein. Schaut man sich das gesamte Wählerspektrum an, gibt es einen großen Teil von Menschen, die wertebasiert sind. Diese Wähler können sich sowohl vorstellen CDU, als auch Grüne zu wählen. Darauf müssen wir uns im Wahlkampf einstellen.
Nehmen Sie die SPD nicht mehr ernst?
KRAMP-KARRENBAUER Ich nehme jede Partei ernst. Aber klar ist doch: Wenn es für eine Regierung ohne Beteiligung der Union reichen sollte, wird es sie auch geben. Grün-RotRot oder Rot-Rot-Grün würden Deutschland nicht voranbringen. Die SPD hat anscheinend den Weg der Vernunft verlassen. Inmitten der
Pandemie macht sie mit der Debatte um das Impfen Wahlkampf. Das hilft ihr nicht, schadet aber bei der Bekämpfung von Corona, weil es die Verunsicherung schürt. Es wäre gut, wenn die SPD sich wieder auf ihre Verantwortung fürs Land konzentrieren würde. So, wie wir es als Union immer tun.