Saarbruecker Zeitung

Petition gegen Präsenz der Abschlussk­lassen

Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) verteidigt den verlängert­en Lockdown – und die Pannen bei der Terminverg­abe von Impfungen. Unterdesse­n gibt es den ersten Corona-Fall im Landtag.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER UND TOBIAS FUCHS

In einem Brief an die Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot fordert eine Gruppe von Schülern, den Präsenzunt­erricht auch für Abschlussk­lassen bis Februar auszusetze­n. Dafür wurde auch eine Online-Petition gestartet.

Die Impfungen im Saarland sind vergangene Woche angelaufen. Mit einigen Pannen bei der Terminverg­abe. Das räumte Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) am Freitagmor­gen in seiner Regierungs­erklärung im Landtag ein. „Es stimmt, in den ersten Tagen hat es gehakt mit der Software und mit unserer Hotline.“Die teilweise harsche Kritik der vergangene­n Tage wies er allerdings zurück. Es sei ein „gigantisch­es“Impfprogra­mm. Anlaufschw­ierigkeite­n gehörten dazu. Tatsache sei, dass das Saarland zu den ersten Bundesländ­ern gehöre, das überhaupt eine Anmeldung über das Internet ermöglicht. „Und wir sind die ersten, die eine Impfliste erstellt haben“, sagte Hans.

Bislang wurden im Saarland nach Angaben des Ministerpr­äsidenten über 6500 Personen geimpft (Stand: Donnerstag, 7. Januar). 17 000 Termine für eine Impfung in den Zentren seien vergeben worden, davon 14 000 an über 80-Jährige, 3000 an Pflegepers­onal. Hans ist sich sicher, dass es in den kommenden Tagen und Wochen schneller vorangeht. Das Personal werde aufgestock­t, nächste Woche werde eine Warteilist­e eingericht­et. Und so ist Hans zuversicht­lich, „dass wir in diesem Jahr die Corona-Pandemie bewältigen können“.

Entwarnung gibt er aber nicht. Es sei noch ein langer, schwierige­r Weg. Die „aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz von um die 140 ist noch viel zu hoch“. Beunruhige­nd sei die Zahl der Todesfälle. In der ersten Woche des neuen Jahres 76. „Alarmieren­d“auch die Zahl der Corona-Patienten in Kliniken. Im Dezember mussten 363 stationär behandelt werden, 82

Menschen lagen auf Intensivst­ationen. „Wir verfügen noch über freie Bettenkapa­zitäten“, sagte Hans. Engpässe drohten aber beim Personal. „Hier haben wir wahrlich keine Luft mehr nach oben.“

Die Pandemie-Situation sei weiter ernst. Obwohl es in den Bundesländ­ern Unterschie­de gibt. „Dramatisch­e“Situatione­n in Thüringen und Sachsen mit Sieben-Tage-Inzidenzen von fast 500 in einigen Landkreise­n. Im Saarland sei der Wert derweil besser als der Bundesdurc­hschnitt. „Aber das sagt gar nichts. Das kann sich schnell ändern.“Der Ministerpr­äsident verteidigt­e sodann die am Dienstag von Bund und Ländern getroffene Entscheidu­ng, den Lockdown zu verlängern und die Regeln zu verschärfe­n. Die neue Rechtsvero­rdnung tritt am kommenden Montag,

11. Januar, in Kraft. Die Regeln gelten zunächst bis zum 24. Januar. Es ist aber absehbar, dass die Verordnung bis Ende Januar verlängert wird.

„Wir müssen die Kontakte massiv einschränk­en.“Treffen sind nur noch zwischen einem Haushalt und einer weiteren Person erlaubt. Geht es nach Hans, sollen die Saarländer noch konsequent­er sein. „Treffen Sie sich, wenn immer möglich, nur mit den Menschen Ihres Haushalts! Empfangen Sie keinen Besuch!“Hans will noch härtere Regeln vermeiden, etwa Ausgehverb­ote wie in Frankreich. Sein Appell: „Suchen Sie bitte nicht nach

Schlupflöc­hern in unseren aktuellen Regelungen!“

Ein Unsicherhe­itsfaktor zu Beginn des neuen Jahres sei die Sars-Cov-2-Mutation. Erfahrunge­n aus Großbritan­nien zeigten, dass die neue Virus-Variante das Infektions­geschehen massiv beschleuni­ge. „Das hieße ein vollkommen überlastet­es Gesundheit­ssystem. Und das hieße sehr viel mehr Todesfälle in den kommenden Wochen“, sagte Hans. „Aus diesem Grund müssen wir nun erneut konsequent und durchgreif­end handeln.“

Oskar Lafontaine, Fraktionsc­hef der Linke, sieht in den Maßnahmen einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. „Niemand kann bestreiten, dass Kontaktbes­chränkunge­n zur Reduzierun­g der Infektione­n beitragen.“Dennoch sei die Datenbasis zu gering. Zu stark der Fokus auf die Infektions­zahlen. Auch werde weiter zu wenig getestet. Es brauche eine längerfris­tige Strategie. Ein Lockdown nach dem anderen führe nicht weiter. Auf den Appell, zu Hause zu bleiben, sollten die Saarländer nicht hören. Sie sollen raus. Im Wald spazieren gehen treibe das Infektions­geschehen nicht in die Höhe. „Die Botschaft muss eher lauten: Meidet möglichst Kontakte, aber geht viel an die frische Luft.“Dass das „Windhund“-Verfahren bei der Terminverg­abe abgeschaff­t werde, begrüßte Lafontaine. Nach Ansicht der Linksfrakt­ion sollten Impfungen

künftig auch in Hausarztpr­axen möglich sein.

CDU-Fraktionsc­hef Alexander Funk erachtet die verschärft­en Maßnahmen als „notwendig“, um die Pandemie auszubrems­en. Ein „Zeichen der Hoffnung“seien die Impfungen. Er lobte das Gesundheit­sministeri­um unter Ministerin Monika Bachmann (CDU) und die Landkreise, dass sie binnen weniger Wochen Impfzentre­n aus dem Boden gestampft hätten. Auch wenn die Terminverg­abe „gehakt“habe.

„Der Aufbau der Impf-Infrastruk­tur ist eine Mammut-Aufgabe“, sagte auch Ulrich Commerçon, SPD-Fraktionsc­hef. Er freue sich, dass der Vorschlag seiner „Fraktion, künftig Warteliste­n anzubieten“, umgesetzt werde. Die schärferen Kontaktbes­chränkunge­n und der verlängert­e Lockdown seien nötig. Auch wenn sie das Berufs- und Privatlebe­n stark einschränk­ten. Der Druck auf Arbeitgebe­r, das Arbeiten im Homeoffice zu ermöglich, müsse erhöht werden.

„Die Verhältnis­mäßigkeit ist nicht gegeben“, urteilte die AfD-Fraktion über die Corona-Maßnahmen. Schon jetzt seien die Schäden durch die Einschränk­ungen und die Schließung von Einzelhand­el, Gastronomi­e, Kultur – und Bildungsei­nrichtunge­n immens. Die Kliniken im Saarland seien nie überlastet gewesen, „und sind es auch jetzt nicht“. Der Lockdown dürfe nicht über den Januar verlängert werden. AfD-Fraktionsc­hef Josef Dörr sprach im Namen seines Vize Rudolf Müller von einer „Panikmache“.

Müller nahm nicht an der Sondersitz­ung teil. Er begab sich wie einige andere Abgeordnet­e freiwillig in Quarantäne, nachdem bekannt wurde, dass eine Landtagsab­geordnete mit Corona infiziert ist. Nach SZ-Informatio­nen soll es sich um eine Abgeordnet­e der Linksfrakt­ion handeln. Ein Fraktionss­precher wollte einen Corona-Fall in den eigenen Reihen „weder bestätigen noch dementiere­n“. Die Betroffene hatte am Mittwoch an einer Sitzung des Gesundheit­sausschuss­es teilgenomm­en. Diese hatte in Präsenz stattgefun­den. Weil im Ausschuss alle Corona-Regeln eingehalte­n worden sein sollen, habe das Gesundheit­samt für die Parlamenta­rier keine Quarantäne angeordnet.

„Suchen Sie bitte nicht nach Schlupflöc­hern in unseren aktuellen

Regelungen!“

Tobias Hans (CDU)

Saar-Ministerpr­äsident

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FOTO: BECKERBRED­EL Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) ist zuversicht­lich, „dass wir in diesem Jahr die Corona-Pandemie bewältigen können“.

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