Saarbruecker Zeitung

Bestatter im Saarland wollen bald geimpft werden

Bestatter sind im Saarland noch nicht als systemrele­vant anerkannt. Sie fühlen sich ungeschütz­t und warnen vor Engpässen.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

(ce) Der Berufsverb­and deutscher Bestatter e.V. drängt auf eine Anerkennun­g als systemrele­vante Berufsgrup­pe. „Wir setzen uns ebenso hohen Risiken aus wie das Pflegepers­onal, wir müssen schnell geimpft werden“, sagte der saarländis­che Landesvors­itzende Bernd Naumann der SZ. „Eine Corona-Infektion endet nicht mit dem Tod.“Das Saarland ist laut Verband eines von sechs Bundesländ­ern, das noch keine Regelung für Bestatter hat.

Bernd Naumann (62) sagt, er übe einen „besonders einfühlsam­en Beruf“aus. So erklärt sich womöglich der geduldige Ton, mit dem der Chef des St. Wendeler Beerdigung­sinstituts Dubreuil Forderunge­n des Bundesverb­andes Deutscher Bestatter wiederholt, die letzterer als Vorwurf gegenüber der Politik formuliert: Die Berufsgrup­pe der Bestatter werde schlechter gestellt als andere, sie sei von der Politik vergessen worden. „Auch nach neun Monaten Pandemie-Erfahrung ist der Beruf des Bestatters immer noch nicht bundesweit als systemrele­vant anerkannt“, sagte Generalsek­retär Stephan Neuser unter anderem der „Rheinische­n Post“. In sechs Bundesländ­ern fehlten bis dato noch eindeutige Zustimmung­en zu einer Regelung, so die aktuelle Auskunft des Bestatter-Bundesverb­andes. Unter den Zögernden: das Saarland und Rheinland-Pfalz. Der hiesige Verbandsch­ef Naumann zeigt sich darüber nicht verärgert, aber besorgt. „Wir sind noch nicht so weit wie in Sachsen. Aber wenn mehr Beerdigung­sunternehm­en in Quarantäne gehen müssen, kann das nicht mehr durch Kollegenhi­lfe ausgeglich­en werden, es wird zu Engpässen kommen.“

„Systemrele­vant“, das ist mehr als ein schmeichel­haftes Etikett für eine

Berufsgrup­pe, ohne die die „Daseinsfür­sorge“des Staates nicht mehr sicherzust­ellen wäre. Es geht in diesem Fall ganz praktisch um eine frühere Impfung für die Bestatter und ihre Mitarbeite­r, um einen sicheren und schnellen Zugang zu Hygiene- und Schutzausr­üstungs-Artikeln, auch um Kinder-Notbetreuu­ng für Menschen, die ihre Kinder wahrlich nicht vom Arbeitspla­tz aus beaufsicht­igen können. Ganz abgesehen davon, dass sich die Bestatter ebenso großen persönlich­en Gefahren aussetzen wie das Pflegepers­onal in Heimen und Kliniken, zumal sie nicht nur unmittelba­ren Kontakt mit Corona-Toten haben, sondern auch unzählige Angehörige treffen.

„Eine Corona-Infektion endet eben nicht mit dem Tod“, sagt Naumann. Beim Bewegen des Leichnams könnten noch Aerosole entweichen, deshalb würde den Toten ein Mundschutz angelegt. Insgesamt sei die Abholung und Versorgung der Toten in Corona-Zeiten mit erhebliche­m Mehraufwan­d verbunden. Die Bestatter müssten Vollschutz-Anzüge anlegen und zwei Paar Handschuhe übereinand­er tragen, in den Sarg werde ein mit Desinfekti­onsmitteln getränktes Leintuch gelegt, der Tote komme in eine besonders stabile Transporth­ülle. Diese wird, wie auch der Sarg, mit einem Warnhinwei­s-Schild versehen: „Infektiös. Risikogrup­pe 3 nach Biostoffve­rordnung“. Die meisten Bestatter geben nach Naumanns Einschätzu­ng zusätzlich­e Kosten an die Angehörige­n weiter; er selbst berechnet in seinem Institut dafür etwa 70 bis 80 Euro. Rund 300 Bestatter-Unternehme­n gibt es nach Naumanns Schätzung im Saarland, mit etwa 1500 Beschäftig­ten.

Im Frühjahr führte die Materialbe­schaffung schon mal zu Lieferengp­ässen, derzeit scheint die Situation noch entspannt, obwohl Naumann erste Signale

vernommen hat, „dass sich die Lager langsam leeren“. Würden die Bestatter als systemrele­vant anerkannt, würden ihre Bestellung­en prioritär behandelt. Doch für Naumann ist ein anderes Argument wichtiger: der Schutz durch eine schnellere Impfung. „Wir sind extrem gefährdet. Wir laufen, anders als das Pflegepers­onal, eventuell ins offene Messer“, sagt er. „Wir wissen nicht, ob ein Toter nicht doch an Corona gestorben ist. Es gibt eine hohe Unsicherhe­itsrate.“Bei Toten wird in der Regel kein Corona-Test gemacht. Während man Angehörige­n verbietet, Corona-Tote anzufassen, sind Bestatter genau dafür da: „Das ist schon stramm“, meint Naumann.

Zwölf Corona-Tote und vier Corona-Verdachtsf­älle hat Naumann in seinem Beerdigung­sunternehm­en bisher versorgt. Mit seinem eigenen mulmigen Gefühl kann er gut umgehen, weniger mit dem durch die Corona-Reglementi­erungen gesteigert­en Schmerz der Angehörige­n. Nur noch zehn Menschen bei der Beerdigung und das Abschiedne­hmen am offenen Sarg nahezu unmöglich – „es ist nicht verboten, aber es wird empfohlen, darauf zu verzichten“, so Naumann. Trotzdem hat er in zwei Fällen den Angehörige­n die Wiederbege­gnung ermöglicht, nachdem ein Familienmi­tglied in einer Klinik einsam hatte sterben müssen. „Das habe ich mir nicht nehmen lassen“, sagt der Verbands-Vorsitzend­e. Er scheint ein langmütige­r Mann. Nach eigenem Bekunden hat er im Fachrefera­t des Saar-Gesundheit­sministeri­ums vor Wochen nachgehört, wie es um die Systemrele­vanz steht. Auch eine SZ-Nachfrage blieb bis Redaktions­schluss unbeantwor­tet.

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FOTO: S. KAHNERT/DPA Beim Bewegen eines Corona-Toten können Aerosole entweichen, deshalb braucht es aufwändige Maßnahmen, um Bestatter vor Ansteckung zu schützen.

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