Bestatter im Saarland wollen bald geimpft werden
Bestatter sind im Saarland noch nicht als systemrelevant anerkannt. Sie fühlen sich ungeschützt und warnen vor Engpässen.
(ce) Der Berufsverband deutscher Bestatter e.V. drängt auf eine Anerkennung als systemrelevante Berufsgruppe. „Wir setzen uns ebenso hohen Risiken aus wie das Pflegepersonal, wir müssen schnell geimpft werden“, sagte der saarländische Landesvorsitzende Bernd Naumann der SZ. „Eine Corona-Infektion endet nicht mit dem Tod.“Das Saarland ist laut Verband eines von sechs Bundesländern, das noch keine Regelung für Bestatter hat.
Bernd Naumann (62) sagt, er übe einen „besonders einfühlsamen Beruf“aus. So erklärt sich womöglich der geduldige Ton, mit dem der Chef des St. Wendeler Beerdigungsinstituts Dubreuil Forderungen des Bundesverbandes Deutscher Bestatter wiederholt, die letzterer als Vorwurf gegenüber der Politik formuliert: Die Berufsgruppe der Bestatter werde schlechter gestellt als andere, sie sei von der Politik vergessen worden. „Auch nach neun Monaten Pandemie-Erfahrung ist der Beruf des Bestatters immer noch nicht bundesweit als systemrelevant anerkannt“, sagte Generalsekretär Stephan Neuser unter anderem der „Rheinischen Post“. In sechs Bundesländern fehlten bis dato noch eindeutige Zustimmungen zu einer Regelung, so die aktuelle Auskunft des Bestatter-Bundesverbandes. Unter den Zögernden: das Saarland und Rheinland-Pfalz. Der hiesige Verbandschef Naumann zeigt sich darüber nicht verärgert, aber besorgt. „Wir sind noch nicht so weit wie in Sachsen. Aber wenn mehr Beerdigungsunternehmen in Quarantäne gehen müssen, kann das nicht mehr durch Kollegenhilfe ausgeglichen werden, es wird zu Engpässen kommen.“
„Systemrelevant“, das ist mehr als ein schmeichelhaftes Etikett für eine
Berufsgruppe, ohne die die „Daseinsfürsorge“des Staates nicht mehr sicherzustellen wäre. Es geht in diesem Fall ganz praktisch um eine frühere Impfung für die Bestatter und ihre Mitarbeiter, um einen sicheren und schnellen Zugang zu Hygiene- und Schutzausrüstungs-Artikeln, auch um Kinder-Notbetreuung für Menschen, die ihre Kinder wahrlich nicht vom Arbeitsplatz aus beaufsichtigen können. Ganz abgesehen davon, dass sich die Bestatter ebenso großen persönlichen Gefahren aussetzen wie das Pflegepersonal in Heimen und Kliniken, zumal sie nicht nur unmittelbaren Kontakt mit Corona-Toten haben, sondern auch unzählige Angehörige treffen.
„Eine Corona-Infektion endet eben nicht mit dem Tod“, sagt Naumann. Beim Bewegen des Leichnams könnten noch Aerosole entweichen, deshalb würde den Toten ein Mundschutz angelegt. Insgesamt sei die Abholung und Versorgung der Toten in Corona-Zeiten mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Die Bestatter müssten Vollschutz-Anzüge anlegen und zwei Paar Handschuhe übereinander tragen, in den Sarg werde ein mit Desinfektionsmitteln getränktes Leintuch gelegt, der Tote komme in eine besonders stabile Transporthülle. Diese wird, wie auch der Sarg, mit einem Warnhinweis-Schild versehen: „Infektiös. Risikogruppe 3 nach Biostoffverordnung“. Die meisten Bestatter geben nach Naumanns Einschätzung zusätzliche Kosten an die Angehörigen weiter; er selbst berechnet in seinem Institut dafür etwa 70 bis 80 Euro. Rund 300 Bestatter-Unternehmen gibt es nach Naumanns Schätzung im Saarland, mit etwa 1500 Beschäftigten.
Im Frühjahr führte die Materialbeschaffung schon mal zu Lieferengpässen, derzeit scheint die Situation noch entspannt, obwohl Naumann erste Signale
vernommen hat, „dass sich die Lager langsam leeren“. Würden die Bestatter als systemrelevant anerkannt, würden ihre Bestellungen prioritär behandelt. Doch für Naumann ist ein anderes Argument wichtiger: der Schutz durch eine schnellere Impfung. „Wir sind extrem gefährdet. Wir laufen, anders als das Pflegepersonal, eventuell ins offene Messer“, sagt er. „Wir wissen nicht, ob ein Toter nicht doch an Corona gestorben ist. Es gibt eine hohe Unsicherheitsrate.“Bei Toten wird in der Regel kein Corona-Test gemacht. Während man Angehörigen verbietet, Corona-Tote anzufassen, sind Bestatter genau dafür da: „Das ist schon stramm“, meint Naumann.
Zwölf Corona-Tote und vier Corona-Verdachtsfälle hat Naumann in seinem Beerdigungsunternehmen bisher versorgt. Mit seinem eigenen mulmigen Gefühl kann er gut umgehen, weniger mit dem durch die Corona-Reglementierungen gesteigerten Schmerz der Angehörigen. Nur noch zehn Menschen bei der Beerdigung und das Abschiednehmen am offenen Sarg nahezu unmöglich – „es ist nicht verboten, aber es wird empfohlen, darauf zu verzichten“, so Naumann. Trotzdem hat er in zwei Fällen den Angehörigen die Wiederbegegnung ermöglicht, nachdem ein Familienmitglied in einer Klinik einsam hatte sterben müssen. „Das habe ich mir nicht nehmen lassen“, sagt der Verbands-Vorsitzende. Er scheint ein langmütiger Mann. Nach eigenem Bekunden hat er im Fachreferat des Saar-Gesundheitsministeriums vor Wochen nachgehört, wie es um die Systemrelevanz steht. Auch eine SZ-Nachfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.