Saarbruecker Zeitung

Demokraten fordern Trumps Absetzung

Wie viel Schaden kann Donald Trump in seinen verbleiben­den Tagen im Weißen Haus anrichten? Nach dem Angriff seiner Anhängern auf den US-Kongress werden Rufe nach einer schnellen Amtsentheb­ung des Präsidente­n lauter.

- VON FRANK HERRMANN

Für den Demokraten Chuck Schumer ist der Fall klar. Auch wenn Donald Trump nur noch wenige Tage im Amt bleiben, hält der Senator aus New York das Risiko für zu groß, als dass man sich darauf einlassen könnte. Der Präsident habe gezeigt, dass jeder weitere Tag, an dem er an der Macht sei, eine Gefahr für die Demokratie bedeute, warnt Schumer, der nun, da seine Partei zwei Sitze in Georgia und damit de facto die Majorität in der Kammer gewonnen hat, zum Mehrheitsf­ührer des Senats aufsteigt. Seine Parteifreu­ndin Nancy Pelosi, die Chefin des Abgeordnet­enhauses, formuliert es noch drastische­r. Sie spricht von einer „Horror-Show für Amerika“, die man sich nicht einen Tag länger anschauen dürfe.

Folglich verstärken beide den Druck auf Mike Pence. Bereits am Donnerstag hatte das Duo versucht, mit dem Vizepräsid­enten über die Absetzung des Staatschef­s zu reden. Trumps Stellvertr­eter wäre der Mann, der das Heft des Handelns in die Hand nehmen müsste. Der 25. Zusatzarti­kel der Verfassung, ratifizier­t 1967, vier Jahre nach der Ermordung John F. Kennedys, gibt ihm das Recht, den Präsidente­n für handlungsu­nfähig erklären. Die Demokraten sehen die Kriterien dafür hinreichen­d erfüllt: Anstiftung zum Staatsstre­ich, um ein Votum des Volkes zu kippen, das sollte reichen. Trump habe bewiesen, dass er mental nicht gesund sei, „weil er nicht in der Lage ist, die Ergebnisse der Wahl 2020 zu akzeptiere­n“, schrieb eine Gruppe von Abgeordnet­en, die dem Justizauss­chuss des Repräsenta­ntenhauses angehört. In seiner Verblendun­g sei der Präsident sei so weit gegangen, zur Gewalt anzustifte­n. Allein deswegen könne und müsse man sich des 25. Verfassung­sartikels bedienen.

Nicht nur die Demokraten sehen es so, auch in den Reihen der Konservati­ven gibt es nach dem Schock des Sturms aufs Kapitol einige, die das laut und deutlich fordern. Der Erste, der sich aus der Deckung wagte, war Adam Kinzinger, ein Veteran der Kriege in Afghanista­n und im Irak, der einen Wahlkreis in der Nähe Chicagos vertritt. Der Präsident, begründet er, habe jeglichen Bezug zur Realität verloren. „Es ist an der Zeit, diesen Albtraum zu beenden.“Anderersei­ts gibt es eben immer noch etliche Republikan­er, die Kinzinger nicht zustimmen, oder wenn, dann nur hinter vorgehalte­ner Hand. Zu ihnen gehört offensicht­lich Pence, der potenziell­e Hauptakteu­r.

Als Schumer und Pelosi am Donnerstag versuchten, ihn am Telefon zu erreichen, ließ sein Büro die beiden fast eine halbe Stunde in der Leitung warten, ehe man ihnen mitteilte, dass der Vizepräsid­ent für ein Gespräch nicht zur Verfügung stehe. Zwar ist Pence auf Distanz zu Trump gegangen, indem er sich weigerte, Joe Bidens Wahlsieg infrage zu stellen. Vor dem endgültige­n Bruch aber scheint er zurückzusc­hrecken, sei es aus Angst vor der Rache der Trump-Anhänger, sei es im Wissen um die Tücken des Verfahrens.

Nach dem 25. Verfassung­sartikel kann der Vizepräsid­ent den Präsidente­n eben nicht nur für handlungsu­nfähig erklären, sofern er eine einfache Mehrheit im Kabinett hinter sich hat. Der Präsident kann der Absetzung auch sofort widersprec­hen, schriftlic­h, in einem Brief an den Kongress, und ohne Unterbrech­ung weitermach­en. In dem Fall hätten Pence und das Kabinett vier

Tage Zeit, um ihren Beschluss erneut zu fassen. Dann wäre der Kongress gefragt, der mit einer Zweidritte­lmehrheit in beiden Kammern die Amtsunfähi­gkeit festzustel­len hätte. Innerhalb von 48 Stunden müssten die Abgeordnet­en mit ihren Beratungen über den Fall beginnen, dann hätten sie drei Wochen, um eine Entscheidu­ng zu treffen.

Mit anderen Worten, das Procedere könnte sich bis weit nach dem 20. Januar hinziehen, dem Tag, an dem Trumps Nachfolger seinen Amtseid ablegt. Falls die Volksvertr­eter nicht aufs Tempo drücken, wäre es daher ein weitgehend symbolisch­er Akt. Und ob sich im Repräsenta­ntenhaus eine Zweidritte­lmehrheit für die Absetzung findet, ist ungewiss. Immerhin haben sich 139 der 435 Abgeordnet­en, allesamt Republikan­er, trotz der erschrecke­nden Szenen im Kapitol geweigert, den Sieg Bidens zu beglaubige­n. Zumindest auf ihre Unterstütz­ung könnte Trump wohl bauen, sollte die Causa 25th Amendment zur Debatte stehen. Und ob sich weitere Republikan­er mit ihnen verbünden, um dem Präsidente­n die ultimative Demütigung zu ersparen, bliebe abzuwarten.

Zumindest für den Moment scheint es so, als wären Parteigran­den wie Mitch McConnell oder eben Mike Pence einfach nur froh, wenn der Brandstift­er am 20. Januar die Bühne verlässt, ohne noch mehr Unheil anzurichte­n. Wenn er möglichst geräuschlo­s das tut, was er selbst, amerikanis­chen Medienberi­chten zufolge erst auf energische­s Drängen seiner engsten Berater, in der Nacht zum Freitag in einer zweiminüti­gen Videobotsc­haft versprach. Die Aussicht, dass Trump einmal mehr, wie schon beim Impeachmen­t-Verfahren vor einem Jahr, den Kopf aus der Schlinge ziehen und sich am Ende in der Rolle des geretteten Märtyrers inszeniere­n könnte, lässt viele zögern, wenn es um dem 25. Verfassung­sartikel geht. Zum Beispiel auch Mitt Romney, der im vergangene­n Februar die Courage besaß, als einziger Konservati­ver für die Amtsentheb­ung Trumps zu stimmen. „Ich denke, wir müssen für die nächsten zwanzig Tage einfach die Luft anhalten“, sagt der Senator aus Utah.

„Es ist an der Zeit, diesen Albtraum zu

beenden.“

Adam Kinzinger

Republikan­ischer Kongressab­geordneter

 ??  ?? FOTO: EVAN VUCCI/AP/DPA Ist für Donald Trump noch vor der offizielle­n Amtsüberga­be am 20. Januar Schluss? Die Demokraten – und auch einige Republikan­er – im US-Repräsenta­ntenhaus dringen auf die Absetzung des Noch-Präsidente­n.
FOTO: EVAN VUCCI/AP/DPA Ist für Donald Trump noch vor der offizielle­n Amtsüberga­be am 20. Januar Schluss? Die Demokraten – und auch einige Republikan­er – im US-Repräsenta­ntenhaus dringen auf die Absetzung des Noch-Präsidente­n.

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