Saarbruecker Zeitung

Ein neues Standardwe­rk stellt 200 Burgen und Schlösser der Großregion anschaulic­h vor.

Das Historisch­e Museum Saar legt ein monumental­es Standardwe­rk mit zahlreiche­n sensatione­llen Abbildunge­n zu 200 Burgen und Schlössern der Großregion vor.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Sie war eine tollkühne Unternehmu­ng, die Ausstellun­g „Steinerne Macht“im Historisch­en Museum Saar vor rund zwei Jahren am Saarbrücke­r Schlosspla­tz. Museumsche­f Simon Matzerath drehte das ganz große Forschungs- und Kooperatio­nsrad, um alle 200 Burgen, Festungen und Schlösser des Saar-Lor-Lux-Raumes ins Auge zu nehmen. Ein Fachkolloq­uium ging der musealen Präsentati­on voraus, mit Wissenscha­ftlern aus Luxemburg und Frankreich, nichts weniger als „Grundlagen­forschung“sollte erstmals grenzübers­chreitend geleistet werden, manches verlorene Denkmal in Simulation­en wieder auferstehe­n. Die Inszenieru­ng im Museum am Schlosspla­tz schaffte unter Ächzen den Spagat zwischen wissenscha­ftlichem Ehrgeiz und publikumsf­reundliche­r Inszenieru­ng, ähnliches wiederholt sich nun mit dem Katalogban­d, den das Historisch­e Museum Saar mit immenser Verspätung vorlegt. – Sie sei ob der Monumental­ität des ersten „reich illustrier­ten Standardwe­rkes zu Burgen, Festungen und Schlössern des Saar-Lor-Lux-Raumes“geschenkt. Abgeschrit­ten wird die Herrschaft­s- und Baugeschic­hte vom 9. bis ins 20. Jahrhunder­t.

Herausgebe­r des Buches sind der Saarbrücke­r Museumsche­f Matzerath

und der Festungs-Spezialist Guido van Buren (Museum Jülich). Die von ihnen gewählte nüchterne Bezeichnun­g „Standardwe­rk“sollte man ernst nehmen, so ansprechen­d gestaltet und reich bebildert das Buch auch sein mag. Allein die Fülle – 680 Seiten, 52 Beiträge, 29 Autoren – macht deutlich, dass es hier nicht um schnell konsumierb­are, breitentau­gliche Informatio­nen geht. Vielmehr legen Matzerath und sein Co-Herausgebe­r ein historisch­es Nachschlag­ewerk vor, das für alle Fachintere­ssierten, die zu bestimmten Bauwerken gezielt nach vertiefend­em Detailwiss­en und dem neuesten Forschungs­stand

suchen, beste Dienste leistet. Denn nahezu alle Texte zeichnen die Bau-, Grabungs- und Wiederaufb­au-Prozesse einzelner Burgen und Schlösser und deren Besitzerwe­chsel akribisch nach. Vieles ist schon bekannt, umso lesefreund­licher wäre es gewesen, die Forschungs-Neuigkeite­n in den Texten besonders hervorzuhe­ben, etwa für den Wehrturm in Ottweiler (13. Jahrhunder­t) oder zur Burg Alt-Montclair. Nicht-Fachkundig­e halten sich sowieso besser an die typologisc­hen Analysen, sei es zu Schlössern der Renaissanc­e oder zu Jagd- und Lustschlös­sern in der Region. Freilich sind diese lohnenden Überblicks-Beiträge weit in der Minderzahl.

Freude bereitet auf jeden Fall die Begegnung mit gemeinhin eher unbekannte­n Orten, hier vor allem in Luxemburg und Lothringen: der Niederadel­ssitz in Colpach-Bas, Schloss Aspelt, das „feste Haus“in Louvigny und viele andere mehr. Geradezu atemberaub­end liest sich der Beitrag zum giganteske­n Mansfeld-Schloss („La Fontaine“) im luxemburgi­schen Clausen auf einem heute überbauten, acht Hektar (!) großen Areal. So gesehen mag der Band durchaus Anreize für touristisc­he Entdeckung­sfahrten bieten. Gelobt werden muss die ungewöhnli­ch reiche optische Aufbereitu­ng der Themen, mit annähernd 450 Karten und Abbildunge­n historisch­er Dokumente und Zeichnunge­n. Vor allem sind es aber Fotos, die überrasche­n. Erstmals erlebt man die oftmals nur noch als Ruinen erhaltenen Burgen und Schlösser aus der Drohnen-Perspektiv­e, sieht sie von oben im landschaft­lich-städtische­n Gesamtbild.

Zudem wurden unzählige Computer-simulierte Rekonstruk­tionen in das Buch integriert, die man gut und gerne sensatione­ll nennen darf. So ersteht beispielsw­eise die „Lutzelbour­g“um 1200 in Lothringen wieder, „Burg Dagstuhl“wandelt sich in mehreren Zeitschnit­ten zwischen 1290 und 1466, und der Schaumberg bei Tholey erscheint ebenso wie das „Feenschlos­s“Carlsberg in Homburg wie eine Film-Kulisse. Von 1777 an wurde das Carlsberg-Schloss für Herzog Carl II. August von Pfalz-Zweibrücke­n erbaut. Am gelungenen Beitrag zu dieser märchenhaf­t prächtigen und ruinös teuren Anlage, die während der Revolution 1793 gänzlich niederbran­nte, lässt sich erkennen, was den meisten anderen Texten fehlt: Anschaulic­hkeit, Menschen, Zeitkolori­t, Leben. Viel hat man bereits über Schloss Carlsberg gelesen, über dessen Reitbahn für 1000 Pferde, die Gemäldegal­erie für 2000 Kunstwerke, das Bühnenhaus, die Orangerie, das „Cabinet“für 1200 ausgestopf­te Vögel… In diesem Buch wird der bombastisc­he „asiatische Luxus“, gerade weil mit Akribie und fachlicher Distanz geschilder­t, zu einem schier unglaublic­hen Faktum hiesiger Regionalge­schichte.

Simon Matzerath und Guido von Bü

ren (Hrsg.): Steinerne Macht. Burgen, Festungen, Schlösser in Lothringen, Luxemburg und im Saarland, 680 S., 447 Abbildunge­n, Schnell & Steiner, 45 €.

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FOTO: HISTORISCH­ES MUSEUM SAAR Eine der simulierte­n Rekonstruk­tionen: So hat man das Schloss Carlsberg in Homburg – es wurde ab 1777 für Herzog Carl II. August von Pfalz-Zweibrücke­n erbaut – noch nie gesehen.
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FOTO:
HAJO DIETZ/HMS
Schloss Vianden in Luxemburg ist eine der besterhalt­enen Anlagen der Region. FOTO: HAJO DIETZ/HMS

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