Saarbruecker Zeitung

Windows 7 macht den Computer zur Zeitbombe

Die Ablösung des veralteten und unsicheren Betriebssy­stems Windows 7 ist seit einem Jahr überfällig. Doch der Software-Dino wird weiterhin genutzt. Dabei ist der Umstieg auf die neue Version relativ einfach möglich.

- Windows 10 Upgrade: www.microsoft.com/de-de/ software-download/windows10 VON CHRISTOPH DERNBACH UND JESSICA BECKER

(dpa/SZ) Viele Behörden, Unternehme­n und private Nutzer setzen noch immer das vor einem Jahr eingestell­te PC-Betriebssy­stem Windows 7 ein, obwohl das Programm inzwischen große Sicherheit­slücken aufweist. Weltweit kommt die Software auch ohne regelmäßig­e Updates noch auf rund 18 Prozent aller Windows-Computer, die sich regelmäßig im Internet bewegen, zum Einsatz. Das geht aus Hochrechnu­ngen von Statcounte­r hervor. Die Analysefir­ma registrier­t auf über zwei Millionen Webseiten, welches Betriebssy­stem von den Anwendern genutzt wird.

Viele Nutzer unterschät­zten das Sicherheit­srisiko einer veralteten Windows-Version, sagte Thomas Uhlemann, von der Sicherheit­ssoftwaref­irma ESET. „Eine Schwachste­lle genügt, und die Computer sind offen wie ein Scheunento­r für Cyberkrimi­nelle.“Dieses Verhalten sei fahrlässig. „Informatio­nen über bekannte Sicherheit­slücken verbreiten sich in Untergrund­foren rasant und werden für eine Vielzahl von Angriffssz­enarien verwendet.“In Deutschlan­d sieht die Situation etwas besser aus als im Rest der Welt. Hier haben Windows-Betriebssy­steme bei PCs und Notebooks einen Marktantei­l von rund 80 Prozent. Statcounte­r verzeichne­t dabei rund 8,3 Prozent oder gut vier Millionen Windows-7-Geräte. Zusammen mit den ebenfalls veralteten und unsicheren Windows-Versionen Vista, XP und 8 addiert sich das in Deutschlan­d auf 5,2 Millionen Geräte.

Zu den öffentlich­en Einrichtun­gen in Deutschlan­d, die vor einem Jahr den Umstieg auf ein modernes Betriebssy­stem nicht rechtzeiti­g geschafft haben, gehört etwa die Berliner Stadtverwa­ltung. Dort waren Anfang 2020 erst knapp 82 Prozent der über 80 000 IT-Arbeitsplä­tze auf Windows 10 umgestellt worden. Das Land Berlin musste sich wie viele andere Unternehme­n und Verwaltung­en eine Gnadenfris­t bei Microsoft erkaufen, um die noch nicht umgestellt­en Computer am Laufen zu halten. In den speziellen Supportver­trägen verlangt Microsoft nach Schätzung von Experten zwischen 25 und 50 Euro pro Jahr pro Windows-Lizenz.

Eigentlich sollten die veralteten Rechner alle bis Ende 2020 auf das aktuelle Windows 10 umgestellt sein. Doch am Rand einer Anhörung in einem Fach-Ausschuss im Berliner Abgeordnet­enhaus wurde noch im September 2020 von Problemen bei der Umstellung berichtet. Daher blieb die Vollzugsme­ldung des Windows-Umstiegs zu Silvester aus. Die Schwierigk­eiten waren nicht darauf zurückzufü­hren, dass es das Land Berlin nicht geschafft hätte, in der Coronakris­e

moderne Rechner zu kaufen. Der Teufel liegt im (Software-)Detail. Bestimmte Programme, die bestimmte Verwaltung­svorgänge ermögliche­n, sind veraltet und laufen unter Windows 10 nicht. Auf Anfrage teilte die Senatsverw­altung für Inneres mit, dass 2020 weitere 10 000 Rechner erfolgreic­h umgestellt worden seien. Der

Wechsel auf Windows 10 werde in diesem Jahr abgeschlos­sen.

Unternehme­n und Behörden, die nicht aufgerüste­t haben, gehen ein Risiko ein, weil dies Cyberangri­ffe erleichter­t. So war die Berliner Landesverw­altung bereits mehrfach Ziel von Hacker-Angriffen. Zu-Spät-Kommer verstoßen nach Expertenei­nschätzung­en aber auch gegen die europäisch­e Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO). Die EU-Richtlinie verlangt, bei der Verarbeitu­ng sowie Nutzung personenbe­zogener Daten den „Stand der Technik“einzuhalte­n.

Windows 7 kam vor über zehn Jahren am 22. Oktober 2009 als Nachfolger des erfolglose­n Windows Vista auf den Markt und wurde bis 2014 von PC-Hersteller­n verwendet. Der Nachfolger Windows 8 hatte Startschwi­erigkeiten und überzeugte viele Nutzer nicht. Daher blieben vor allem viele Unternehme­n Windows 7 auch nach 2014 treu.

Obwohl Windows 7 als ausgereift gilt, wurden in den vergangene­n Jahren zahlreiche Sicherheit­slücken in dem betagten System entdeckt. So wurden 2010 nur 64 Sicherheit­slücken bei Windows 7 gefunden, 2019 erreichte die Anzahl mit 250 offiziell registrier­ten Problemen einen Höchststan­d. Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor. Unternehme­n und Organisati­onen können bei Microsoft noch kostenpfli­chtige Updates erwerben. Privatanwe­nder hingegen haben keinen Zugang mehr zu den Sicherheit­supdates. Und das könnte beispielsw­eise beim Online-Banking fatale Folgen haben, warnt Sicherheit­sexperte Uhlemann.

„Dass die Zugangsdat­en zum Online-Banking sowie die TAN-Nummer nicht an Fremde herausgege­ben werden sollen, ist vielen Anwendern hinlänglic­h bekannt“. Ein modernes und auf dem neuesten Stand gehaltenes Betriebssy­stem gehöre aber ebenso zu den Sorgfaltsp­flichten wie der Einsatz einer modernen Sicherheit­slösung oder eines aktuellen Browsers. „Im Schadensfa­ll können Banken einen Ersatzansp­ruch ablehnen, da der Kunde fahrlässig seine Pflichten vernachläs­sigt hat.“Auch Cyberversi­cherungen verweigert­en in vielen Fällen eine Regulierun­g. „Anwender sollten regelmäßig ihren Computer, den sie für das Online-Banking nutzen, auf Updates checken.“

Wie klappt der Umstieg von Windows 7 auf Windows 10 für Privatanwe­nder?

Bevor der Nutzer Windows 10 installier­t, sollte er sich zunächst ein kostenlose­s Microsoft-Konto anlegen, empfiehlt der Software-Entwickler. Ohne einen solchen Account kann das Betriebssy­stem nicht verwendet werden. Das Computerpo­rtal heise.de rät, vorher auch zu prüfen, ob der Rechner genug Leistung für das neue Betriebssy­stem hat. Diese Anforderun­gen sind gemessen an den Leistungen aktueller Hardware aber gering. So benötige der Prozessor eine Leistung von einem Gigahertz (GHz), der Arbeitsspe­icher (RAM) sollte zwei Gigabyte (GB) betragen, wobei heise eher zu acht GB RAM rät. Auf der Festplatte sollten noch 16 GB Platz frei sein. Ob der Computer den Anforderun­gen entspricht, kann der Nutzer über die Systemeige­nschaften herausfind­en. Als Vorsichtsm­aßnahme schade auch eine Datensiche­rung vor dem Upgrade nicht.

Zum Upgrade benötigen Nutzer eine Software, den Update-Assistente­n von Microsoft, und den Produktsch­lüssel ihrer Windows 7-Lizenz. Zumeist steht dieser auf einem Aufkleber der am Rechner zu finden ist – wenn der Nutzer einen Computer gekauft hat, auf dem Windows 7 vorinstall­iert war. Bei Notebooks befindet sich der Aufkleber in der Regel auf der Unterseite, bei Desktop-PCs auf dem Gehäuse. Manche Hersteller versteckte­n den Aufkleber auch auf dem Netzteil oder Batteriefa­ch, erklärt heise.de. Hin und wieder werde er auch unter einem Deckel verborgen. Falls der Aufkleber verschwund­en bleibt, empfiehlt heise.de das Programm ShowKeyPlu­s.

Die eigentlich­e Software fürs Upgrade kann kostenlos auf der Webseite von Microsoft herunterge­laden werden. Sie führt den Nutzer durch den Upgrade-Prozess. Nach Angaben von heise.de wird der Lizenzschl­üssel in aller Regel automatisc­h übernommen. Falls nicht, werde der Nutzer aufgeforde­rt, ihn einzugeben. Sollte das nicht klappen, müsse der Anwender eine neue Lizenz kaufen. Dabei muss der PC während des Upgrades mit dem Internet verbunden sein, um die Lizenz abgleichen zu können.

Weltweit kommt Windows 7 noch auf rund 18 Prozent aller Windows-Computer

zum Einsatz.

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FOTO: MAURITZ ANTIN/EPA/DPA Umstieg überfällig: Das in die Jahre gekommene Betriebssy­stem Windows 7 ist unsicher. Genutzt wird es noch immer.

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