Wohlfühlurlaub im einstigen Feindesland
Seit der Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Emiraten zieht Dubai Zehntausende zusätzliche Besucher an.
(ap) Die israelische Braut und ihr Bräutigam werden auf die Schultern ihrer Trauzeugen gehoben. Die Männer mit Kippa tragen das Paar zur Tanzfläche. Eine Szene wie bei jeder anderen jüdischen Hochzeit, nur dass diese vor den Augen von Arabern in ihren traditionellen weiten weißen Gewändern und Kopfbedeckungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfand. Bis vor wenigen Monaten noch wäre das undenkbar gewesen.
Noemie Azerad und Simon David Benhamou haben nicht nur eine normale Hochzeit inmitten der Pandemie gefeiert. Sie gaben sich das Jawort in Dubai in den Emiraten, die – wie der Großteil der arabischen Welt – für israelische Staatsbürger jahrzehntelang tabu waren. Das Paar gehörte zu Zehntausenden Israelis, die im Dezember in die Emirate strömten. Zuvor hatten sich beide Staaten unter Vermittlung der USA auf eine Normalisierung ihrer Beziehungen verständigt.
Der jüngste israelische Corona-Lockdown, bremste die Reisefreude vorübergehend. Doch Israelis mit geplatzten Urlaubsplänen hoffen darauf, dass Reisen nach Dubai bald wieder möglich sind. Denn viele Israelis sind dem Reiz von Dubai, dem kommerziellen Drehkreuz der Emirate mit seinen Wolkenkratzern,
Traumstränden und noblen Einkaufszentren, bereits erlegen. Viele Touristen haben hier Hochzeiten, Bar Mitzwas und das achttägige jüdische Fest Chanukka in großem Kreis gefeiert, was in ihrer Heimat verboten war.
Nach monatelangen Corona-Beschränkungen zu Hause sehnten sie sich nach Ausgelassenheit und Entspannung und ließen sich von Warnungen ihrer Regierung vor möglichen iranischen Anschlägen in der Region nicht abschrecken. „Ich hatte erwartet, dass ich mich hier ziemlich unwohl fühlen würde“, erzählt die 25-jährige israelische Braut Azerad im Festsaal eines Hotels, der ins Licht der Dubaier Skyline getaucht ist. Doch ihre bevorzugten Hochzeitsorte verhängten wegen Corona allesamt strenge Versammlungsbeschränkungen. In Dubai jedoch sind Feste mit bis zu 200 Teilnehmern möglich. Da Azerad die Hochzeit nicht verschieben wollte, war die Entscheidung klar. „Ich habe das Gefühl, in Tel Aviv zu sein“, sagt sie jetzt. „Ich höre überall Hebräisch.“Und das Tempo der Normalisierung hat selbst Skeptiker überrascht. Trotz der lange geheimgehaltenen Verbindungen zwischen beiden Staaten galt Israel wegen des jahrzehntealten Konflikts mit den Palästinensern in den Emiraten lange als politischer Ausgestoßener. Die überschaubare jüdische Gemeinde im Verband von sieben Scheichtümern trat öffentlich kaum in Erscheinung und traf sich zum Gebet in einem nicht gekennzeichneten Wohnhaus.
Doch im Dezember änderte sich alles: Nach Schätzung von Reiseveranstaltern kamen mit 15 täglichen Nonstop-Flügen 70 000 israelische
Touristen ins Land. Unter dem Wolkenkratzer Burdsch Chalifa tauchte ein dreieinhalb Meter großer Chanukka-Leuchter auf. Jüdische Besucher versammelten sich dort, um die Kerzen anzuzünden und Selfies zu machen, während um den großen Springbrunnen im Stadtzentrum hebräische Lieder erklangen.
Die einst heimliche freitägliche Schabbat-Mahlzeit der jüdischen Gemeinde weitete sich zu Feierlichkeiten in zwei riesigen Bankettsälen mit zusätzlichen Sitzplätzen für Besucher aus Israel aus. In Supermarkt-Ketten und Getränkemärkten prangen jetzt Schilder mit der Aufschrift „Made in Israel“an den Regalen, auch Wein aus den von Israel besetzten Golanhöhen wird dort jetzt verkauft.
In sozialen Medien ist ein Trip in die Vereinigten Arabischen Emirate für Israelis zum Statussymbol geworden. Zwölf Hotels in der Stadt verbuchten Tausende israelische Gäste und veranstalteten etliche israelische Geschäftskongresse, Partys und mehrtägige Hochzeiten. Israelische Sänger planen für das Frühjahr Konzerte hier, und koschere Catering-Anbieter aus Großbritannien und anderen Ländern haben Filialen in den Emiraten eröffnet. Nach Angaben der jüdischen Gemeinde gibt es Pläne für den ersten jüdischen Friedhof des Landes. „Es war unglaublich, es war ein Tsunami“, sagt Mark Feldman, Leiter des Reiseveranstalters Ziontours aus Jerusalem, und verweist auf den Kontrast zum „kalten Frieden“
Israels mit Ägypten und Jordanien. „Dubai ist zu einer Oase für Israelis inmitten der Pandemie geworden.“Wochenlang waren außer den Emiraten Ruanda und die Seychellen die einzigen Länder, in denen Israelis ohne eine 14-tägige Quarantäne nach der Rückkehr landen konnten. Dubai blieb für Geschäftsleute und Touristen geöffnet. Außer der Pflicht, in Innenräumen Abstand zu halten und draußen Masken zu tragen, gab es wenige Regeln. Gäste bei Hochzeiten und anderen Versammlungen tragen oft keine Masken. Am 27. Dezember ging Israel in den dritten Lockdown. Das frisch verheiratete Paar Azerad/Benhamou war zu diesem Zeitpunkt schon wieder nach Hause zurückgekehrt.
„Dubai ist für Israelis zu einer Oase inmitten der Pandemie geworden.“
Mark Feldman
Leiter des Reiseveranstalters Ziontours