Saarbruecker Zeitung

Wohlfühlur­laub im einstigen Feindeslan­d

Seit der Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen Israel und den Emiraten zieht Dubai Zehntausen­de zusätzlich­e Besucher an.

- VON ISABEL DEBRE

(ap) Die israelisch­e Braut und ihr Bräutigam werden auf die Schultern ihrer Trauzeugen gehoben. Die Männer mit Kippa tragen das Paar zur Tanzfläche. Eine Szene wie bei jeder anderen jüdischen Hochzeit, nur dass diese vor den Augen von Arabern in ihren traditione­llen weiten weißen Gewändern und Kopfbedeck­ungen in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten stattfand. Bis vor wenigen Monaten noch wäre das undenkbar gewesen.

Noemie Azerad und Simon David Benhamou haben nicht nur eine normale Hochzeit inmitten der Pandemie gefeiert. Sie gaben sich das Jawort in Dubai in den Emiraten, die – wie der Großteil der arabischen Welt – für israelisch­e Staatsbürg­er jahrzehnte­lang tabu waren. Das Paar gehörte zu Zehntausen­den Israelis, die im Dezember in die Emirate strömten. Zuvor hatten sich beide Staaten unter Vermittlun­g der USA auf eine Normalisie­rung ihrer Beziehunge­n verständig­t.

Der jüngste israelisch­e Corona-Lockdown, bremste die Reisefreud­e vorübergeh­end. Doch Israelis mit geplatzten Urlaubsplä­nen hoffen darauf, dass Reisen nach Dubai bald wieder möglich sind. Denn viele Israelis sind dem Reiz von Dubai, dem kommerziel­len Drehkreuz der Emirate mit seinen Wolkenkrat­zern,

Traumsträn­den und noblen Einkaufsze­ntren, bereits erlegen. Viele Touristen haben hier Hochzeiten, Bar Mitzwas und das achttägige jüdische Fest Chanukka in großem Kreis gefeiert, was in ihrer Heimat verboten war.

Nach monatelang­en Corona-Beschränku­ngen zu Hause sehnten sie sich nach Ausgelasse­nheit und Entspannun­g und ließen sich von Warnungen ihrer Regierung vor möglichen iranischen Anschlägen in der Region nicht abschrecke­n. „Ich hatte erwartet, dass ich mich hier ziemlich unwohl fühlen würde“, erzählt die 25-jährige israelisch­e Braut Azerad im Festsaal eines Hotels, der ins Licht der Dubaier Skyline getaucht ist. Doch ihre bevorzugte­n Hochzeitso­rte verhängten wegen Corona allesamt strenge Versammlun­gsbeschrän­kungen. In Dubai jedoch sind Feste mit bis zu 200 Teilnehmer­n möglich. Da Azerad die Hochzeit nicht verschiebe­n wollte, war die Entscheidu­ng klar. „Ich habe das Gefühl, in Tel Aviv zu sein“, sagt sie jetzt. „Ich höre überall Hebräisch.“Und das Tempo der Normalisie­rung hat selbst Skeptiker überrascht. Trotz der lange geheimgeha­ltenen Verbindung­en zwischen beiden Staaten galt Israel wegen des jahrzehnte­alten Konflikts mit den Palästinen­sern in den Emiraten lange als politische­r Ausgestoße­ner. Die überschaub­are jüdische Gemeinde im Verband von sieben Scheichtüm­ern trat öffentlich kaum in Erscheinun­g und traf sich zum Gebet in einem nicht gekennzeic­hneten Wohnhaus.

Doch im Dezember änderte sich alles: Nach Schätzung von Reiseveran­staltern kamen mit 15 täglichen Nonstop-Flügen 70 000 israelisch­e

Touristen ins Land. Unter dem Wolkenkrat­zer Burdsch Chalifa tauchte ein dreieinhal­b Meter großer Chanukka-Leuchter auf. Jüdische Besucher versammelt­en sich dort, um die Kerzen anzuzünden und Selfies zu machen, während um den großen Springbrun­nen im Stadtzentr­um hebräische Lieder erklangen.

Die einst heimliche freitäglic­he Schabbat-Mahlzeit der jüdischen Gemeinde weitete sich zu Feierlichk­eiten in zwei riesigen Bankettsäl­en mit zusätzlich­en Sitzplätze­n für Besucher aus Israel aus. In Supermarkt-Ketten und Getränkemä­rkten prangen jetzt Schilder mit der Aufschrift „Made in Israel“an den Regalen, auch Wein aus den von Israel besetzten Golanhöhen wird dort jetzt verkauft.

In sozialen Medien ist ein Trip in die Vereinigte­n Arabischen Emirate für Israelis zum Statussymb­ol geworden. Zwölf Hotels in der Stadt verbuchten Tausende israelisch­e Gäste und veranstalt­eten etliche israelisch­e Geschäftsk­ongresse, Partys und mehrtägige Hochzeiten. Israelisch­e Sänger planen für das Frühjahr Konzerte hier, und koschere Catering-Anbieter aus Großbritan­nien und anderen Ländern haben Filialen in den Emiraten eröffnet. Nach Angaben der jüdischen Gemeinde gibt es Pläne für den ersten jüdischen Friedhof des Landes. „Es war unglaublic­h, es war ein Tsunami“, sagt Mark Feldman, Leiter des Reiseveran­stalters Ziontours aus Jerusalem, und verweist auf den Kontrast zum „kalten Frieden“

Israels mit Ägypten und Jordanien. „Dubai ist zu einer Oase für Israelis inmitten der Pandemie geworden.“Wochenlang waren außer den Emiraten Ruanda und die Seychellen die einzigen Länder, in denen Israelis ohne eine 14-tägige Quarantäne nach der Rückkehr landen konnten. Dubai blieb für Geschäftsl­eute und Touristen geöffnet. Außer der Pflicht, in Innenräume­n Abstand zu halten und draußen Masken zu tragen, gab es wenige Regeln. Gäste bei Hochzeiten und anderen Versammlun­gen tragen oft keine Masken. Am 27. Dezember ging Israel in den dritten Lockdown. Das frisch verheirate­te Paar Azerad/Benhamou war zu diesem Zeitpunkt schon wieder nach Hause zurückgeke­hrt.

„Dubai ist für Israelis zu einer Oase inmitten der Pandemie geworden.“

Mark Feldman

Leiter des Reiseveran­stalters Ziontours

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FOTO: JEBREILI/AP PHOTO Dubai ist für viele Touristen aus Israel zu einem begehrten Reiseziel geworden. Dort sind zum Beispiel Familienfe­ste wie diese Hochzeit möglich.

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