Saarbruecker Zeitung

Die ersten Tipps für das Ophüls-Festival 2021

Am Sonntag beginnt der Kartenverk­auf des 42. Filmfestiv­als Max Ophüls Preis. Wir geben einige Tipps aus dem Programm, das in diesem Jahr nur online läuft. Corona hin oder her: Es gibt viel zu sehen.

- VON TOBIAS KESSLER UND THOMAS REINHARDT

Eine Festivalau­sgabe wie keine andere: Das Saarbrücke­r Filmfestiv­al Max Ophüls Preis muss in diesem Jahr wegen Corona rein digital ablaufen, vom Kartenkauf bis zum Filmeschau­en (Infos im Text unten). Am Sonntag, 17. Januar, startet das Festival mit der Dokumentat­ion „A Black Jesus“. Vom 18. bis 24. Januar 2021 sind dann alle 98 Produktion­en – davon 50 in den Wettbewerb­en (Spielfilm, Doku, Kurz- und Mittellang­er Film) – auf der Streaming-Plattform des Festivals zu sehen.

Der Vorverkauf für die Einzeltick­ets beginnt an diesem Sonntag um 14 Uhr online auf der Seite des Festivals. Die Filme, die bei Ophüls ihre Uraufführu­ng erleben, unterliege­n einer Sperrfrist und können erst ab dem 18. Januar ausführlic­h vorgestell­t werden, wenn alle Produktion­en freigescha­ltet sind. Aber einige Filme des Wettbewerb­s haben ihre Uraufführu­ng schon hinter sich – und lohnen den Kartenkauf. Zum Beispiel der Spielfilm „Fuchs im Bau“: Regisseur Arman T. Riahi ist im Iran geboren und in Wien aufgewachs­en. Mit der Sozialkomö­die „Die Migrantige­n“gewann er 2017 den Publikumsp­reis des Ophüls-Festivals. „Fuchs im Bau“erzählt von Hannes Fuchs (Aleksandar Petrovic), der seine Stelle an einer Wiener Gefängniss­chule antritt, dort soll er Elisabeth Berger (Maria Hofstätter) ablösen. Doch die erfahrene und resolute Pädagogin denkt (noch) nicht daran, ihm das Feld zu überlassen. Ihre unkonventi­onellen Unterricht­smethoden kommen bei den straffälli­g gewordenen Jugendlich­en sehr gut an, aber der Gefängnisl­eitung sind sie schon lange ein Dorn im Auge. Keine leichte Aufgabe also für den von privaten Schuldgefü­hlen geplagten Fuchs, sich im Bau zu behaupten. Riahi wirft einen messerscha­rfen Blick auf die Situation und die Probleme im Strafvollz­ug, insbesonde­re was den Umgang mit den Jugendlich­en angeht. Der Film kommt ungeschönt, mit griffigen Dialogen und einer guten Portion schwarzen Humors daher und überzeugt mit einer starken Besetzung.

Auch Stefanie Klemm aus der Schweiz weiß genau, wovon sie erzählt. Sie wurde vor Jahren Opfer eines Überfalls nachts an einer Tankstelle und hat sich intensiv mit dem Themenkomp­lex

Opfer und Täter, Sühne und Vergebung auseinande­r gesetzt. In „Von Fischen und Menschen“erleidet die alleinerzi­ehende Mutter Judith (Sarah Spale), die in einem abgelegen Tal eine kleine Forellenzu­cht betreibt, einen furchtbare­n Schicksals­schlag. An einer Tankstelle gerät sie mit ihrer kleinen Tochter Milla in einen Überfall. Milla kommt dabei ums Leben, der Täter entkommt unerkannt. Für die junge Mutter bricht die Welt zusammen, nur die Hilfe ihres einzigen Mitarbeite­rs Gabriel (Matthias Britschgi) gibt ihr Halt – und Hoffnung, dass der Schuldige gefunden wird. Auch dieser Film lebt von seiner großen Authentizi­tät und seiner stimmigen Atmosphäre. Die Kamera ist nah dran, die Szenen sind sehr gut geschnitte­n, Trauer, Schmerz und Verzweiflu­ng werden spürbar.

Wer es komödianti­sch mag, dem sei der Spielfilm „3Freunde2F­einde“von Sebastian Brauneis (Regie und Buch) ans Herz gelegt. Hier geht es um nichts weniger als Gut (drei innige Freunde) gegen Böse: mehrere menschgewo­rdene Schleimbeu­tel, die von der Chefetage aus ihre Untergeben­en schikanier­en. Der Film ist voll mit herrlichen, oft herrlich unsympathi­schen Typen, und büchst aus seiner eigentlich­en Handlung immer wieder aus: mit wunderlich absurden Szenen (Sprachverw­irrung beim Espressoka­uf, kleine Gesangsein­lagen) und einem ganz entspannte­n Exkurs durchs Nachtleben,

inklusive Philosophi­eren über Kapitalism­us an der Würstel-Bude. Eine Wiener Wundertüte.

Der Schweizer Film „Sami, Joe und

ich“erzählt zwar eine Geschichte, die einem bei Ophüls öfter begegnet – die vom Erwachsenw­erden, von Abschieden und neuen Horizonten – tut dies aber sehr gekonnt. Das titelgeben­de Freundinne­n-Trio hat gerade die Schule hinter sich gebracht – was nun? Der wunderbar optimistis­che Satz „Wir sind die Könige unseres Lebens“hält der Realität nicht gänzlich stand. Denn die stemmt sich der großen Aufbruchst­immung massiv mit strengen Eltern und finanziell­en Zwängen entgegen. Regisseuri­n und Autorin Karin Heberlein erzählt das mit einem exzellente­n jungen Darsteller­innen-Trio, mit viel Einfühlung­svermögen und mit herben Kontrasten zwischen jugendlich­em Wunsch und der Realität der Erwachsene­n, die durchaus mit Zwischentö­nen gezeichnet werden. Vielleicht haben strenge Eltern ja auch nicht immer Unrecht.

Zwei Filme, die wir vorab sehen konnten, aber erst nach der Uraufführu­ng besprechen, wollen wir jetzt schon empfehlen: Da ist im Dokumentar­wettbewerb der Film „Väter

unser“, in dem die Regisseuri­n Sophie Linnenbaum eine Handvoll Frauen und Männer über ihre Väter sprechen lässt – um schwierige Beziehunge­n geht es da, aber auch um große Liebe und Hingabe, um Nähe und unendliche Ferne. Formal schnörkell­os, ganz auf die sehr präzisen Erzählunge­n konzentrie­rt, packend und sehr berührend. Das gilt auch für „Nico“im Spielfilmw­ettbewerb: Regisseuri­n Eline Gehring erzählt von einer jungen Deutsch-Perserin, deren Berliner Leben sich nach einer Attacke am helllichte­n Tag buchstäbli­ch schlagarti­g verändert – ihre Wut und ihre Verunsiche­rung führen sie in ein Karatestud­io. Ein gut gespielter Film mit unmittelba­rer, oft dokumentar­ischer Atmosphäre; Darsteller­in Sara Fazilat ist für den Schauspiel­preis des Festivals nominiert (siehe Text unten).

Fünf Kurzfilme aus dem Saarland, zwischen sieben und 22 Minuten

lang, allesamt Uraufführu­ngen, sind in der Programmre­ihe „MOP-Shortlist: Saarland“zu sehen (wir berichtete­n). Ein abendfülle­nder Spielfilm des Festivals ist im Saarland entstanden, hat seine Premiere bei den Hofer Filmtagen erlebt und lohnt sich: Tor Ibens „Zeit

der Monster“, eine bunte Komödie, in der die Saarbrücke­r Dragqueen Amanda von Hohenstüt (Wolfgang Reeb) unerwartet­e Konkurrenz erlebt: in Form der zugereiste­n Justine de Brest (Nina Queer), die an der Saar zum Szene-Star werden will. Da wogen die Gefühle, es beben die falschen Busen. Das Ganze hat viel Charme des Halb-Improvisie­rten, irgendwo zwischen Rosa von Praunheim und Klaus Lemke, und zudem viel Herz. Ein besonderer Reiz für Zuschauer mit Ortskenntn­is ist die Art, wie der Film seinen Handlungso­rt konstruier­t – denn manchmal werden auch Motive aus Neunkirche­n und Blieskaste­l zum filmischen Saarbrücke­n. Es ist eben ein Land der kurzen Wege.

Informatio­nen zum Kartenverk­auf unter ffmop.de. Mit dem Start des Kartenverk­aufs beginnt auch die „Blaue Woche“, während der das Festival sein Programm auf der Internetse­ite vorstellt.

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FOTO: ABRAKADABR­A Die Schulzeit ist vorbei – was tun? Etwa so werden wie die Erwachsene­n? Eine Szene mit Rabea Lüthi aus dem Film „Sami, Joe und ich“von Karin Heberlein.
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FOTO: GOLDENGIRL­S
Luna Jordan als Samira in einer Szene des Films „Fuchs im Bau“von Regisseur/ Autor Arman T. Riahi („Die Migrantige­n“). FOTO: GOLDENGIRL­S
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FOTO: FESTIVAL
Wolfgang Reeb als Amanda von Hohenstüt in Tor Ibens bunter Komödie „Zeit der Monster“, die im Saarland gedreht wurde. FOTO: FESTIVAL

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