Saarbruecker Zeitung

Armutsgefa­hr für Alleinlebe­nde in Deutschlan­d wächst

- VON STEFAN VETTER

In Deutschlan­d gibt es rund 17,6 Millionen Alleinsteh­ende. Tendenz stetig steigend. Ohne Partner ist allerdings auch die Gefahr des sozialen Abstiegs überdurchs­chnittlich groß. Lebte im Jahr 2006 noch gute jeder fünfte Ein-Personen-Haushalt an der Armutsschw­elle oder darunter, so war es 2019 schon mehr als jeder Vierte. Das zeigt eine aktuelle Datenübers­icht der Bundesregi­erung, die unserer Redaktion vorliegt.

Ende 2019 waren den Angaben zufolge 26,5 Prozent der Alleinlebe­nden

von Armut bedroht. Im Jahr 2006 waren es noch 21,7 Prozent gewesen. Besonders drastisch hat sich seitdem die Armutsgefä­hrdungsquo­te unter den alleinsteh­enden Rentnern im Alter von über 65 Jahren erhöht – sie stieg von 15,1 auf 24 Prozent Zum Vergleich: Die Armutsgefä­hrdungsquo­te der Gesamtbevö­lkerung in Deutschlan­d ist zwischen 2006 und 2019 nur moderat von 14 auf 15,9 Prozent gestiegen.

Als armutsgefä­hrdet gilt nach der Definition in der Europäisch­en Union, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinko­mmens der

Gesamtbevö­lkerung im jeweiligen Nationalst­aat auskommen muss. Für Ein-Personen-Haushalte in Deutschlan­d lag diese Schwelle 2019 bei 1176 Euro im Monat. Darin eingerechn­et sind auch alle staatliche­n Transfers wie zum Beispiel Hartz IV oder

Wohngeld. 2019 lag der Anteil der Alleinlebe­nden an allen Einwohnern in Deutschlan­d bei 21 Prozent und damit deutlich über dem europäisch­en Durchschni­tt. Er betrug 15,2 Prozent.

Durch die Corona-Pandemie werde sich die Lage für Alleinsteh­ende weiter verschärfe­n, erklärte die Sozialexpe­rtin der Linken, Sabine Zimmermann, im Gespräch mit unserer Redaktion. Deshalb müsse die Bundesregi­erung hier einen „absoluten Schwerpunk­t“für das neue Jahr setzen und mit einem umfassende­n Konzept gegensteue­rn. Zu den aus ihrer Sicht notwenigen Maßnahmen zählte Zimmermann die Zurückdrän­gung prekärer Beschäftig­ung, eine Anhebung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro pro Arbeitsstu­nde sowie eine Aufstockun­g des Kurzarbeit­ergeldes auf 90 Prozent des entgangene­n Nettolohns und im Fall des Mindestloh­nbezugs auf 100 Prozent. Zudem müsse Hartz IV durch eine sanktionsf­reie Mindestsic­herung ersetzt werden, „die wirklich vor Armut schützt“, forderte Zimmermann.

Auch die SPD will Hartz-IV-Empfänger künftig besser stellen. Dazu plant ihr Arbeitsmin­ister Hubertus Heil aktuell ein Reformgese­tz. Eine

Abschaffun­g der Sanktionen etwa wegen Terminvers­äumnissen beim Jobcenter ist darin aber nicht vorgesehen. Mit der Forderung nach einer sanktionsf­reien und deutlich höher bemessenen Grundsiche­rung wollen neben der Linksparte­i auch die Grünen in den Bundestags­wahlkampf ziehen. Entspreche­nde Eckpunkte für eine sogenannte Garantiesi­cherung hatte die Partei in der vergangene­n Woche vorgelegt.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Sabine Zimmermann, Sozialexpe­rtin der Linken

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