Saarbruecker Zeitung

Prozess um Schwindel mit Corona-Soforthilf­en

Der Angeklagte soll unberechti­gte Anträge über gut 2,5 Millionen Euro in verschiede­nen Bundesländ­ern gestellt haben – auch im Saarland.

- VON CHRISTOF RÜHRMAIR FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA

Wegen Betrugs mit Corona-Hilfen sitzt seit gestern ein 31-Jähriger auf der Anklageban­k. Er soll 91 Anträge auf insgesamt mehr als 2,5 Millionen Euro Soforthilf­e gestellt haben – auch im Saarland.

(dpa) Nach einer Stunde endet die Geduld des Vorsitzend­en Richters – und er unterbrich­t den Vortrag von Tayfun Y. Der 31-jährige gebürtige Gelsenkirc­hener ist des millionens­chweren Subvention­sbetrugs mit Corona-Soforthilf­en in sechs Bundesländ­ern angeklagt. Am Montag steht er deswegen vor dem Landgerich­t München I, wo Y. mit immer wieder stockender Stimme seine ausführlic­he, komplizier­t formuliert­e Stellungna­hme voller Vorwürfe an die Justiz vorträgt.

„Ich kann sie jetzt einfach reden lassen und dann fragen, was das mit der Sache zu tun hat“, erklärt der Vorsitzend­e dem Angeklagte­n, warum er ihn unterbrich­t. Y. hat sich bis dahin vor allem an der Zuständigk­eit des Gerichts, den Umständen seiner Festnahme und seiner Überstellu­ng nach Bayern abgearbeit­et. Der Richter aber will wissen, ob Y. die ihm vorgeworfe­nen Taten einräumt oder nicht.

In Bayern, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hessen, Baden-Württember­g und dem Saarland soll Y. im März und April 2020 unter Verwendung von Scheiniden­titäten unberechti­gt 91 Anträge gestellt haben. Insgesamt geht es um mehr als 2,5 Millionen Euro. 67 776 Euro davon sollen ausbezahlt worden sein, der Rest wurde gestoppt. Schwerpunk­t der Y. vorgeworfe­nen Anträge war Bayern mit 23 Fällen und einer Summe von gut 1,1 Millionen Euro.

Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass Y. die Anträge gestellt hat und das Geld von seinem privaten Konto aus über eine Kryptowähr­ungsbörse ins Ausland bringen wollte. Mit gut 36 000 Euro soll dies auch geschehen sein.

Dazu sagt der 31-Jährige am Montag wenig Konkretes. Er stellt lediglich in den Raum, dass es ja möglich wäre, dass er nur Unternehme­rn mit Migrations­hintergrun­d gegen Gebühr bei der Beantragun­g der Hilfen habe helfen wollen. Ob er die Anträge gestellt habe, will er aber nicht sagen.

Bundesweit dürften noch zahlreiche ähnliche Prozesse die Gerichte beschäftig­en. „Kriminelle nutzten die aktuelle Notlage aus, um sich finanziell zu bereichern“, heißt es beim Bundeskrim­inalamt. Der Deutsche Richterbun­d (DRB) spricht von deutlich mehr als 20 000 Fällen mit Pandemie-Bezug. „Es dürfte bis weit in das laufende Jahr hinein dauern, ehe die Justiz alle Corona-Strafverfa­hren abgearbeit­et hat“, sagt DRB-Bundesgesc­häftsführe­r Sven Rebehn.

Ein Sprecher des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums betont allerdings, dass Betrug mit Corona-Hilfen inzwischen deutlich schwierige­r sei als zu Beginn der Pandemie. Die Überbrücku­ngshilfe, die sich an die Soforthilf­e aus dem Frühjahr anschloss, habe schon ein „prüfender Dritter“wie etwa ein Rechtsanwa­lt,

Steuerbera­ter oder Wirtschaft­sprüfer beantragen müssen. Dies vermeide Missbrauch.

Allein in Bayern haben die Staatsanwa­ltschaften laut Justizmini­sterium mindestens 844 Ermittlung­sund Vorermittl­ungsverfah­ren im Zusammenha­ng mit Anträgen auf Corona-Soforthilf­en von Bund und Freistaat eingeleite­t. Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU) sieht die bayerische Justiz dabei „sehr wachsam und gut aufgestell­t“.

Für Y. enden die Vorwürfe allerdings nicht mit dem mutmaßlich­en Subvention­sbetrug. Noch aus der Untersuchu­ngshaft soll er im Sommer versucht haben, Mahnbesche­ide gegen seinen damaligen Pflichtver­teidiger, den damals zuständige­n Staatsanwa­lt und mehrere andere Personen zu erwirken. Dabei ging es um Summen zwischen 250 000 Euro und 1,7 Millionen Euro. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm daher auch noch versuchten Computerbe­trug vor. Das Stellen dieser Anträge räumte Y. am Montag ein.

67 776 Euro Corona-Soforthilf­en wurden dem gebürtigen Gelsenkirc­hener ausgezahlt.

Quelle: Staatsanwa­ltschaft

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Der Deutsche Richterbun­d geht von mehr als 20 000 Corona-Strafverfa­hren aus. Inzwischen sei der Betrug mit Corona-Hilfen jedoch schwierige­r als noch im Frühjahr, teilt das Bundeswirt­schaftsmin­isterium mit.

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