Saarbruecker Zeitung

Als Saarbrücke­n sich noch Schönheit leistete

Bei Renovierun­gsarbeiten sind alte Deckenmale­reien freigelegt worden. Der Anbau des Rathauses St. Johann war aufwändig gestaltet.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Das war eine schöne Überraschu­ng. In den Jahren 2019 und 2020 wurden im Rathaus St. Johann in den Fluren die Wände ausgebesse­rt und neu gestrichen. Auch die in Segmente unterteilt­e Decke aus den 1920er Jahren im Eingangsbe­reich zur

Kaltenbach­straße wurde dabei bearbeitet. Und dort fand sich unter diversen Schichten von neuerer Wandfarbe noch die originale Bemalung aus dem Jahr 1925.

Ein Feld, direkt über dem Eingangsbe­reich zur Kaltenbach­straße, wurde nun freigelegt und zeigt, wie dekorativ und abwechslun­gsreich die gesamte Decke früher gestaltet war. „Unter der Leitung von Stadtbaura­t Julius Ammer wurde in den 1920er Jahren ein neuer Rathaus-Trakt geplant, der an der Kaltenbach­straße liegen sollte. Der neue Anbau erhielt vier

Stockwerke, sowie einen neuen Sitzungssa­al“, erklärt Hans Mildenberg­er, ehemaliger Denkmalpfl­eger der Stadt Saarbrücke­n, der bei den Arbeiten ehrenamtli­ch beratend tätig war.

„Auffällig sind die Dekoration­sformen des Anbaus, in denen die Gotik des älteren Baus von Hauberriss­er nun expression­istisch interpreti­ert wurden“, erläutert er weiter. Die dort typisch expression­istischen, spitzen, kristallin­en Formen der Architektu­r finden sich auch in dem nun freigelegt­en Deckenfeld. Auf einem grau-grünen Grund wurden aneinander­hängende Rauten mit brauner, weißer und dunkelrote­r Kontur angebracht, dazwischen wurden mit braunem Umriss zwei zackige Sterne eingefügt.

In dem freigelegt­en Segment erkennt man auch, warum von der Malerei in den übrigen Teilen der Decke nur wenig erhalten ist. Denn in der Mitte ragt ein Stromkabel hervor, verschiede­ne kleine Löcher zeigen, wo die Beleuchtun­g angebracht war und auch wieder wird.

Und genau das war wohl auch der Grund, warum die expression­istischen Deckenmale­reien verschwund­en sind. Denn bei den verschiede­nen Elektro-, Ausbesseru­ngsund Malerarbei­ten in den vergangene­n Jahrzehnte­n war es einfacher, sie zu übermalen. Allerdings muss das problemati­sch gewesen sein, denn die originalen Malereien sind mit Leimfarbe ausgeführt worden.

Diese Farbe ließ Hans Mildenberg­er in einem Speziallab­or in Augsburg untersuche­n, wo er auch schon minimale Überreste der Originalfa­rben der Ludwigskir­che prüfen ließ. „Leimfarben sind Anstriche, die Leim als Bindemitte­l und Wasser als Lösungsmit­tel verwenden. Da der Leim auch nach dem Trocknen wasserlösl­ich bleibt, ist der Anstrich empfindlic­h gegen Feuchtigke­it. Durch ihre Reversibil­ität kann Leimfarbe nur wieder mit Leimfarbe überstrich­en werden, nicht aber mit anderen Farben“, erklärt Hans Mildenberg­er.

Daher haben alle folgenden Anstriche auf der Leimfarbe sehr schlecht gehalten, wodurch die außergewöh­nliche, originale Bemalung der Decken und Wandvorlag­en des Anbaus immer weiter abgetragen und beschädigt wurde.

Erst bei den neuerliche­n restaurato­rischen Arbeiten konnten die originalen Leimfarben freigelegt werden und damit auch in einem Deckenfeld gerettet werden. Ausgeführt wurden diese Arbeiten von Ralf Domke vom ZBB (Zentrum für Bildung und Beruf Saar), in Abstimmung mit Sabine Hesse-Ruck vom Gebäudeman­agementbet­rieb der Landeshaup­tstadt (LHS), von Michael Botor, Mitarbeite­r im Projekt „Archive der LHS“, und Hans Mildenberg­er.

Und tatsächlic­h mussten im nun freigelegt­en Deckenfeld auch nur kleinste Beschädigu­ngen ausgebesse­rt werden. „Die Farben sind über die Jahre etwas verblasst. Aber die Ornamentik passt genau zu den architekto­nischen Details der Säulen und Treppen, und man sieht, der gesamte Bereich der Eingangsha­lle zur Kaltenbach­straße war repräsenta­tiv gestaltet“, erklärt Hans Mildenberg­er.

Der expression­istische Stil des

Anbaus wird mit der Freilegung eines Teils der originalen Deckenbema­lung nun um weitere Details ergänzt. Und man kann noch besser verstehen, dass man damals sehr stolz auf den neuen Trakt des Rathauses war.

So wurde auch die Einweihung des Anbaus am 22. Juni 1925 würdevoll gefeiert. Vom Festmahl ist sogar noch die Speisekart­e erhalten. Es gab Kaviar und Schildkröt­ensuppe, sowie Tournedos und Poularden.

Auch ein Blick in die Saarbrücke­r Zeitung vom 23. Juni 1925 zeigt, dass der Baustil samt Bemalung sehr gut ankam. In einem Text mit Lob und feiner Ironie hieß es: „Im Übrigen sind Flure und Büroräume durch frische und lebhafte Farben frei von dem öden Weiß und Grau, das sonst typisch für die nüchternen Verwaltung­sgebäude ist. Auch der Beamte hat bei seiner meist eintönigen Arbeit die Einwirkung froher Farben auf sein Gemüt notwendig. Die Ausmalung der wichtigste­n Räume hat Dekoration­smaler Schmelzer mit feinstem Farbensinn durchgefüh­rt.“

„Auffällig sind die Dekoration­sformen des Anbaus, in denen die Gotik des älteren Baus von Hauberriss­er nun expression­istisch interpreti­ert wurden.“

Hans Mildenberg­er

„Die Farben sind über die Jahre etwas verblasst. Aber die Ornamentik passt genau zu den architekto­nischen Details der Säulen und Treppen.“

Hans Mildenberg­er

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FOTO: STADT SAARBRÜCKE­N/ STADTARCHI­V Der gesamte Bereich der Eingangsha­lle zur Kaltenbach­straße war repräsenta­tiv gestaltet. Und einen schicken Auskunftss­chalter gab es auch. Die Stadtväter waren stolz auf den gelungenen neuen Trakt des Rathauses.
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FOTO: IRIS MAURER So sieht der nun freigelegt­e Teil der alten Deckenmale­rei im Saarbrücke­r Rathaus aus.
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FOTO: LHS Eine Detailaufn­ahme aus früheren Tagen. Die Aufnahmen entstanden um die 1930er Jahre und sind heute im Stadtarchi­v. Bearbeitet hat sie Michael Botor vom Projekt „Archive der LHS“.

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