Als Saarbrücken sich noch Schönheit leistete
Bei Renovierungsarbeiten sind alte Deckenmalereien freigelegt worden. Der Anbau des Rathauses St. Johann war aufwändig gestaltet.
Das war eine schöne Überraschung. In den Jahren 2019 und 2020 wurden im Rathaus St. Johann in den Fluren die Wände ausgebessert und neu gestrichen. Auch die in Segmente unterteilte Decke aus den 1920er Jahren im Eingangsbereich zur
Kaltenbachstraße wurde dabei bearbeitet. Und dort fand sich unter diversen Schichten von neuerer Wandfarbe noch die originale Bemalung aus dem Jahr 1925.
Ein Feld, direkt über dem Eingangsbereich zur Kaltenbachstraße, wurde nun freigelegt und zeigt, wie dekorativ und abwechslungsreich die gesamte Decke früher gestaltet war. „Unter der Leitung von Stadtbaurat Julius Ammer wurde in den 1920er Jahren ein neuer Rathaus-Trakt geplant, der an der Kaltenbachstraße liegen sollte. Der neue Anbau erhielt vier
Stockwerke, sowie einen neuen Sitzungssaal“, erklärt Hans Mildenberger, ehemaliger Denkmalpfleger der Stadt Saarbrücken, der bei den Arbeiten ehrenamtlich beratend tätig war.
„Auffällig sind die Dekorationsformen des Anbaus, in denen die Gotik des älteren Baus von Hauberrisser nun expressionistisch interpretiert wurden“, erläutert er weiter. Die dort typisch expressionistischen, spitzen, kristallinen Formen der Architektur finden sich auch in dem nun freigelegten Deckenfeld. Auf einem grau-grünen Grund wurden aneinanderhängende Rauten mit brauner, weißer und dunkelroter Kontur angebracht, dazwischen wurden mit braunem Umriss zwei zackige Sterne eingefügt.
In dem freigelegten Segment erkennt man auch, warum von der Malerei in den übrigen Teilen der Decke nur wenig erhalten ist. Denn in der Mitte ragt ein Stromkabel hervor, verschiedene kleine Löcher zeigen, wo die Beleuchtung angebracht war und auch wieder wird.
Und genau das war wohl auch der Grund, warum die expressionistischen Deckenmalereien verschwunden sind. Denn bei den verschiedenen Elektro-, Ausbesserungsund Malerarbeiten in den vergangenen Jahrzehnten war es einfacher, sie zu übermalen. Allerdings muss das problematisch gewesen sein, denn die originalen Malereien sind mit Leimfarbe ausgeführt worden.
Diese Farbe ließ Hans Mildenberger in einem Speziallabor in Augsburg untersuchen, wo er auch schon minimale Überreste der Originalfarben der Ludwigskirche prüfen ließ. „Leimfarben sind Anstriche, die Leim als Bindemittel und Wasser als Lösungsmittel verwenden. Da der Leim auch nach dem Trocknen wasserlöslich bleibt, ist der Anstrich empfindlich gegen Feuchtigkeit. Durch ihre Reversibilität kann Leimfarbe nur wieder mit Leimfarbe überstrichen werden, nicht aber mit anderen Farben“, erklärt Hans Mildenberger.
Daher haben alle folgenden Anstriche auf der Leimfarbe sehr schlecht gehalten, wodurch die außergewöhnliche, originale Bemalung der Decken und Wandvorlagen des Anbaus immer weiter abgetragen und beschädigt wurde.
Erst bei den neuerlichen restauratorischen Arbeiten konnten die originalen Leimfarben freigelegt werden und damit auch in einem Deckenfeld gerettet werden. Ausgeführt wurden diese Arbeiten von Ralf Domke vom ZBB (Zentrum für Bildung und Beruf Saar), in Abstimmung mit Sabine Hesse-Ruck vom Gebäudemanagementbetrieb der Landeshauptstadt (LHS), von Michael Botor, Mitarbeiter im Projekt „Archive der LHS“, und Hans Mildenberger.
Und tatsächlich mussten im nun freigelegten Deckenfeld auch nur kleinste Beschädigungen ausgebessert werden. „Die Farben sind über die Jahre etwas verblasst. Aber die Ornamentik passt genau zu den architektonischen Details der Säulen und Treppen, und man sieht, der gesamte Bereich der Eingangshalle zur Kaltenbachstraße war repräsentativ gestaltet“, erklärt Hans Mildenberger.
Der expressionistische Stil des
Anbaus wird mit der Freilegung eines Teils der originalen Deckenbemalung nun um weitere Details ergänzt. Und man kann noch besser verstehen, dass man damals sehr stolz auf den neuen Trakt des Rathauses war.
So wurde auch die Einweihung des Anbaus am 22. Juni 1925 würdevoll gefeiert. Vom Festmahl ist sogar noch die Speisekarte erhalten. Es gab Kaviar und Schildkrötensuppe, sowie Tournedos und Poularden.
Auch ein Blick in die Saarbrücker Zeitung vom 23. Juni 1925 zeigt, dass der Baustil samt Bemalung sehr gut ankam. In einem Text mit Lob und feiner Ironie hieß es: „Im Übrigen sind Flure und Büroräume durch frische und lebhafte Farben frei von dem öden Weiß und Grau, das sonst typisch für die nüchternen Verwaltungsgebäude ist. Auch der Beamte hat bei seiner meist eintönigen Arbeit die Einwirkung froher Farben auf sein Gemüt notwendig. Die Ausmalung der wichtigsten Räume hat Dekorationsmaler Schmelzer mit feinstem Farbensinn durchgeführt.“
„Auffällig sind die Dekorationsformen des Anbaus, in denen die Gotik des älteren Baus von Hauberrisser nun expressionistisch interpretiert wurden.“
Hans Mildenberger
„Die Farben sind über die Jahre etwas verblasst. Aber die Ornamentik passt genau zu den architektonischen Details der Säulen und Treppen.“
Hans Mildenberger