Gedenktag erinnert an Patientenmorde
Ralf Schmitt vom Psychiatrie-Museum Merzig spricht am Mittwoch bei der OnlineGedenkveranstaltung des Landtags.
Das Wort Euthanasie benutzt Dr. Martin Kaiser nicht so gern, wenn es um die NS-Zeit geht. „Das Wort bedeutet ‚der gute Tod‘“, sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und es beschönige, was damals passierte. Als passender empfindet er den Begriff, der auf der Einladung des Präsidenten des Landtags zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus steht: Patientenmorde.
Die Gedenkveranstaltung mit dem kompletten Titel „Die Patientenmorde im Nationalsozialismus und ihre Opfer“soll am Mittwoch, 27. Januar, an ebendiese Opfer erinnern. Ab 18 Uhr gibt es mehrere Beiträge und eine Diskussion zu diesem Thema – alles natürlich aufgrund der aktuellen Situation online (siehe Info). Angeregt hat den gemeinsamen Gedenktag unter diesem Motto die Saarländische Psychiatrie-Stiftung, berichtet Kaiser.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche Menschen mit psychischer Erkrankung oder geistiger Behinderung getötet, erinnert Kaiser, der an der Merziger SHG-Klinik Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik ist. In Merzig selbst seien allerdings keine Patienten umgebracht worden, erzählt er weiter. „Das lag daran, dass die Klinik am 1.
September 1939 evakuiert wurde.“Rund 800 Menschen seien weggebracht worden, darunter solche mit wahnhaften Erkrankungen, mit geistiger Behinderung oder solche, die wegen Verwahrlosung in der Klinik waren. „Nach dem Krieg sind 80 davon zurückgekommen“, sagt Kaiser. Rund 90 Prozent haben die Zeit also nicht überlebt.
An dieses Kapitel der Geschichte soll nun die Gedenkveranstaltung
erinnern – und Kaiser betont, dass das Thema weiter aktuell sei. „Psychische Krankheiten sind auch heute noch stigmatisiert“, betont er, „man muss die Erinnerung wachhalten.“Unter anderem präsentiert Ralf Schmitt, an der SHG-Klinik als psychologischer Psychotherapeut tätig, dabei ein Einzelschicksal. Wie Kaiser berichtet, sei dieses Fallbeispiel ausgewählt worden, weil es zwar wie jedes Schicksal einzigartig sei, aber in einigen Punkten prototypisch für viele Opfer stehe. „Es geht darum, nicht mehr leben zu dürfen, aber auch um Sterilisation.“Zwangs-Sterilisationen sind in der Zeit des Nationalsozialismus in großer Zahl durchgeführt worden, teils bereits bei Teenagern. Hier seien ebenfalls Menschen betroffen gewesen, die einst Patienten in Merzig waren, ergänzt er.
Die ganze Geschichte der Patienten
in Merzig erzählt das Psychiatrie-Museum, welches sich unter dem Dach der SHG-Klinik befindet. Bereits im September war dort zur Vorbereitung auf den Gedenktag der Landtags-Präsident Stephan Toscani zu Gast. Ralf Schmitt führte ihn sowie weitere Gäste durch die Räume, welche sowohl die Entwicklung der Klinik in Merzig darstellen als auch allgemeine Denkanstöße zu psychischen Erkrankungen geben (siehe separater Text). Toscani zeigte sich bei seinem Besuch in Merzig beeindruckt von den Installationen im Museum und den dargestellten Schicksalen. Es stecke viel Empathie und Intelligenz in der Gestaltung der Ausstellung, sagte er und befand abschließend: „Es ist mir wichtig, das Thema in den Vordergrund zu rücken, nicht nur im Hinblick auf die Vergangenheit, auch mit Blick auf die Zukunft.“