Was Zwillinge über die Welt verraten
Die Saar-Universität untersucht in einer großen Zwillingsstudie, was wichtig für Zufriedenheit und Erfolg im Leben ist.
kulturellen Aktivitäten, zu Lebensqualität und Gesundheit der Teilnehmer der Untersuchung – es sind sowohl eineiige als auch zweieiige Zwillinge und die Familien, in denen sie aufwachsen. Gerade hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für das TwinLife genannte Projekt weitere fünf Millionen Euro zugesagt. Es ist damit bis zum Jahr 2024 finanziert, das ist die höchstmögliche Förderungsdauer. Wichtiger als die DFG-Millionen ist aber die Zahl der Teilnehmer der Studie. Sie hat vor sieben Jahren mit Zwillingen aus 4000 Familien begonnen. Mehr als die Hälfte sei bis heute dabeigeblieben, erklärt Frank Spinath.
„Wir wollten vier gleich große Altersgruppen aus allen Bevölkerungsschichten von der Vorschule bis zum Berufsleben.“Die Zwillinge waren beim Start der Studie fünf, elf, 17 und 23 Jahre alt, die ältesten Teilnehmer werden am Ende der Untersuchung also ihren 30. Geburtstag überschritten haben. „Die Familien werden jährlich im Wechsel telefonisch und persönlich befragt. Dabei werden nicht nur die Eltern, sondern auch Geschwister und bei älteren Zwillingen die Partner einbezogen“, sagt Frank Spinath.
Das Forschungsprojekt hat die Halbzeit überschritten. Schritt für Schritt sollen die Daten zudem für Wissenschaftler in aller Welt zur
Auswertung freigegeben werden. Vieles ist bislang also noch nicht analysiert. Doch zeichnen sich Trends ab? In einem Punkt bestätigt Frank Spinath die Bildungsforscher der OECD. „Der gesellschaftliche Status der Eltern spielt bei den Schulempfehlungen schon eine sehr große Rolle.“Doch für den Schulerfolg sei die Intelligenz der Kinder ebenfalls maßgeblich, und die habe neben Einkommen oder Bildungsgrad der Eltern auch mit genetischen Faktoren zu tun. „Die individuellen Unterschiede in der Intelligenz unterliegen starken genetischen Einflüssen.“Wie sich dieses Potenzial entfalten könne, entscheide dann allerdings die Umwelt maßgeblich mit. Der Einfluss der Gene auf die Intelligenz sei wiederum je nach Lebensphase unterschiedlich, erklärt der Saarbrücker Psychologe. Im Vorschulalter spielten die Gene die geringste
Rolle. Je älter die Kinder werden, desto stärker komme dieses Potenzial zum Tragen. „Die größten Effekte sehen wir mit 50 bis 60 Prozent ab dem Erwachsenenalter.“
Es seien keineswegs ausschließlich die Gene, die über den Lebenserfolg entschieden, stellt Frank Spinath klar. „Es gibt kein einzelnes Intelligenz- oder Abitur-Gen.“Umweltbedingungen spielten auch eine wesentliche Rolle. So zeige die Zwillingsstudie, „dass geordnetes Lernen im Kindesalter eine ungeheure Hilfe ist“. Wenn Frank Spinath von „struktureller Ordnung“im Kinderleben spricht, meint er damit eine ruhige Umgebung mit klaren Regeln und Strukturen, „in der Kinder ihre Rückzugsräume finden“. Von zentraler Bedeutung sei immer eine „aufmerksame, warmherzige Kontrolle durch die Eltern“.
In der Corona-Pandemie haben die Forscher ihren Fragenkatalog in der TwinLife-Studie ergänzt, zum Beispiel, um herauszufinden, ob konzentriertes Arbeiten im Heimunterricht möglich ist und wie sich bei welchen Kindern das sogenannte Homeschooling auf den Erfolg im Unterricht auswirkt. Auch eine Erweiterung des Forschungsprogramms hat Frank Spinath im Sinn. „Wir würden gern wissen, ob die Veränderung des Schul- und Berufslebens in der Corona-Pandemie
zu epigenetischen Veränderungen in den Zellen führt.“Unter der Überschrift Epigenetik fassen Fachleute Forschungen zum Steuerprogramm unserer Körperzellen zusammen, das regelt, wann dort welche Gene wie aktiviert werden. Und dieses Steuerprogramm reagiert wiederum auf äußere Einflüsse. „Wir hätten damit die einmalige Chance, herauszufinden, unter welchen Umständen welche Menschen besonders empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren“, sagt Frank Spinath.